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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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Zusatz zum zwölften Hauptstücke.
Theile und ihrer Stellung bey Säulen und ganzen
Gebäuden, die Trias harmonica in der Tonkunst etc.
sind in dieser Absicht bekannt, und bereits auf Grün-
de gebracht.

XI.

Das Heßliche, welches dem Schönen entgegen-
gesetzt wird, kömmt schlechthin nur im Zusammen-
gesetzten vor, und besteht da entweder im Mangel er-
forderlicher Theile, oder in übel gewählten Verhält-
nissen, oder in Beymengung von Theilen, die zur
Sache nicht gehören, oder im Ueberladen, wo zu viel
angebracht ist.

XII.

Die erst benenneten zwo Classen der Schönheiten
sind objectiv, und werden mehr in Absicht auf die
Sachen selbst, als in Absicht auf die Empfindung und
das denkende Wesen betrachtet. Es giebt nun noch
eine dritte Classe, welche mehr relativ ist. Ein Dich-
ter z. E. malet mit Worten, wodurch er die Vorstel-
lung der Sachen
erwecket, wenn man sie nicht vor
sich, und selbst auch nie gesehen hat. Hiebey müssen
die Worte der Sache selbst, und dem Grade ihrer
Würde angemessen seyn, und dieses mag das Ver-
hältniß der Worte zur Sache
heißen. Sie müs-
sen, so wie die ganze Ausdrücke, Redensarten und der
ganze Zusammenhang und Ordnung des Vortrages
so beschaffen seyn, daß die dadurch zu erweckende
Vorstellung der Sache eben so erhalten werde, als
wenn sie durch die Sache selbst erreget würde. Die-
ses machet die Beschreibung zum Gemählde, und
giebt derselben diejenige Schönheit, die den dichteri-
schen Gemählden eigen ist. Die Bestimmung, was
der Dichter ins Licht setzte, und was er gleichsam im
Schatten oder im Dunkeln lassen soll, gehöret mit
unter die wesentlichen Erfordernisse.

XIII. Die

Zuſatz zum zwoͤlften Hauptſtuͤcke.
Theile und ihrer Stellung bey Saͤulen und ganzen
Gebaͤuden, die Trias harmonica in der Tonkunſt ꝛc.
ſind in dieſer Abſicht bekannt, und bereits auf Gruͤn-
de gebracht.

XI.

Das Heßliche, welches dem Schoͤnen entgegen-
geſetzt wird, koͤmmt ſchlechthin nur im Zuſammen-
geſetzten vor, und beſteht da entweder im Mangel er-
forderlicher Theile, oder in uͤbel gewaͤhlten Verhaͤlt-
niſſen, oder in Beymengung von Theilen, die zur
Sache nicht gehoͤren, oder im Ueberladen, wo zu viel
angebracht iſt.

XII.

Die erſt benenneten zwo Claſſen der Schoͤnheiten
ſind objectiv, und werden mehr in Abſicht auf die
Sachen ſelbſt, als in Abſicht auf die Empfindung und
das denkende Weſen betrachtet. Es giebt nun noch
eine dritte Claſſe, welche mehr relativ iſt. Ein Dich-
ter z. E. malet mit Worten, wodurch er die Vorſtel-
lung der Sachen
erwecket, wenn man ſie nicht vor
ſich, und ſelbſt auch nie geſehen hat. Hiebey muͤſſen
die Worte der Sache ſelbſt, und dem Grade ihrer
Wuͤrde angemeſſen ſeyn, und dieſes mag das Ver-
haͤltniß der Worte zur Sache
heißen. Sie muͤſ-
ſen, ſo wie die ganze Ausdruͤcke, Redensarten und der
ganze Zuſammenhang und Ordnung des Vortrages
ſo beſchaffen ſeyn, daß die dadurch zu erweckende
Vorſtellung der Sache eben ſo erhalten werde, als
wenn ſie durch die Sache ſelbſt erreget wuͤrde. Die-
ſes machet die Beſchreibung zum Gemaͤhlde, und
giebt derſelben diejenige Schoͤnheit, die den dichteri-
ſchen Gemaͤhlden eigen iſt. Die Beſtimmung, was
der Dichter ins Licht ſetzte, und was er gleichſam im
Schatten oder im Dunkeln laſſen ſoll, gehoͤret mit
unter die weſentlichen Erforderniſſe.

XIII. Die
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[372/0408] Zuſatz zum zwoͤlften Hauptſtuͤcke. Theile und ihrer Stellung bey Saͤulen und ganzen Gebaͤuden, die Trias harmonica in der Tonkunſt ꝛc. ſind in dieſer Abſicht bekannt, und bereits auf Gruͤn- de gebracht. XI. Das Heßliche, welches dem Schoͤnen entgegen- geſetzt wird, koͤmmt ſchlechthin nur im Zuſammen- geſetzten vor, und beſteht da entweder im Mangel er- forderlicher Theile, oder in uͤbel gewaͤhlten Verhaͤlt- niſſen, oder in Beymengung von Theilen, die zur Sache nicht gehoͤren, oder im Ueberladen, wo zu viel angebracht iſt. XII. Die erſt benenneten zwo Claſſen der Schoͤnheiten ſind objectiv, und werden mehr in Abſicht auf die Sachen ſelbſt, als in Abſicht auf die Empfindung und das denkende Weſen betrachtet. Es giebt nun noch eine dritte Claſſe, welche mehr relativ iſt. Ein Dich- ter z. E. malet mit Worten, wodurch er die Vorſtel- lung der Sachen erwecket, wenn man ſie nicht vor ſich, und ſelbſt auch nie geſehen hat. Hiebey muͤſſen die Worte der Sache ſelbſt, und dem Grade ihrer Wuͤrde angemeſſen ſeyn, und dieſes mag das Ver- haͤltniß der Worte zur Sache heißen. Sie muͤſ- ſen, ſo wie die ganze Ausdruͤcke, Redensarten und der ganze Zuſammenhang und Ordnung des Vortrages ſo beſchaffen ſeyn, daß die dadurch zu erweckende Vorſtellung der Sache eben ſo erhalten werde, als wenn ſie durch die Sache ſelbſt erreget wuͤrde. Die- ſes machet die Beſchreibung zum Gemaͤhlde, und giebt derſelben diejenige Schoͤnheit, die den dichteri- ſchen Gemaͤhlden eigen iſt. Die Beſtimmung, was der Dichter ins Licht ſetzte, und was er gleichſam im Schatten oder im Dunkeln laſſen ſoll, gehoͤret mit unter die weſentlichen Erforderniſſe. XIII. Die

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/408>, abgerufen am 19.04.2024.