Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite
I. Hauptstück. Erfordernisse
§. 10.

Locke blieb bey seiner Anatomie der Begriffe fast
ganz stehen, und gebrauchte sie wenigstens nicht, so
weit es möglich gewesen wäre. Es scheint ihm an
der Methode, oder wenigstens an dem Einfalle gefeh-
let zu haben, das was die Meßkünstler in Absicht
auf den Raum gethan hatten, in Absicht auf die übri-
gen einfachen ebenfalls zu versuchen.

§. 11.

Die Ehre, eine Methode, eine richtige und brauch-
bare Methode in der Weltweisheit anzubringen, war
Wolfen vorbehalten. Wiewohl man eigentlich nur
sagen kann, daß er darinn das Eis gebrochen, aber
auch verschiedenes zurücke gelassen. Wolf folgete
Leibnitzens Analyse der Begriffe, und suchte auch
bald alles, was Leibnitz besonders gedacht hatte, in
seiner Metaphysic anzubringen. Er nimmt darinn
die meisten Begriffe, oder vielmehr ihre Benennun-
gen, wie er sie findet, und definirt sie mehrentheils
durch Verhältnisse zu andern Begriffen.
Die
Regeln, die er sich vorschrieb, waren ungefähr fol-
gende: Jede mehr oder minder dunkele Wör-
ter müssen definirt, und jede an sich nicht ein-
leuchtende Sätze erwiesen werden. Diejenigen
Definitionen und Sätze müssen vorgehen, auf
welche sich die folgenden beziehen und gründen.

Auf diese Art beschäfftigte sich Wolf mit Definitio-
nen und Beweisen. Was in der Meßkunst Postulata
(Forderungen) und Aufgaben heißt, davon kömmt in
Wolfens Metaphysic wenig oder nichts vor. Und
wer mit seinen Lehrsätzen nicht unbedingt zufrieden ist,
wendet etwann ein, daß Wolf die Zweifel und
Schwierigkeiten, die man vorhin in der Me-

taphysic
I. Hauptſtuͤck. Erforderniſſe
§. 10.

Locke blieb bey ſeiner Anatomie der Begriffe faſt
ganz ſtehen, und gebrauchte ſie wenigſtens nicht, ſo
weit es moͤglich geweſen waͤre. Es ſcheint ihm an
der Methode, oder wenigſtens an dem Einfalle gefeh-
let zu haben, das was die Meßkuͤnſtler in Abſicht
auf den Raum gethan hatten, in Abſicht auf die uͤbri-
gen einfachen ebenfalls zu verſuchen.

§. 11.

Die Ehre, eine Methode, eine richtige und brauch-
bare Methode in der Weltweisheit anzubringen, war
Wolfen vorbehalten. Wiewohl man eigentlich nur
ſagen kann, daß er darinn das Eis gebrochen, aber
auch verſchiedenes zuruͤcke gelaſſen. Wolf folgete
Leibnitzens Analyſe der Begriffe, und ſuchte auch
bald alles, was Leibnitz beſonders gedacht hatte, in
ſeiner Metaphyſic anzubringen. Er nimmt darinn
die meiſten Begriffe, oder vielmehr ihre Benennun-
gen, wie er ſie findet, und definirt ſie mehrentheils
durch Verhaͤltniſſe zu andern Begriffen.
Die
Regeln, die er ſich vorſchrieb, waren ungefaͤhr fol-
gende: Jede mehr oder minder dunkele Woͤr-
ter muͤſſen definirt, und jede an ſich nicht ein-
leuchtende Saͤtze erwieſen werden. Diejenigen
Definitionen und Saͤtze muͤſſen vorgehen, auf
welche ſich die folgenden beziehen und gruͤnden.

Auf dieſe Art beſchaͤfftigte ſich Wolf mit Definitio-
nen und Beweiſen. Was in der Meßkunſt Poſtulata
(Forderungen) und Aufgaben heißt, davon koͤmmt in
Wolfens Metaphyſic wenig oder nichts vor. Und
wer mit ſeinen Lehrſaͤtzen nicht unbedingt zufrieden iſt,
wendet etwann ein, daß Wolf die Zweifel und
Schwierigkeiten, die man vorhin in der Me-

taphyſic
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0044" n="8"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck. Erforderni&#x017F;&#x017F;e</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 10.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Locke</hi> blieb bey &#x017F;einer Anatomie der Begriffe fa&#x017F;t<lb/>
ganz &#x017F;tehen, und gebrauchte &#x017F;ie wenig&#x017F;tens nicht, &#x017F;o<lb/>
weit es mo&#x0364;glich gewe&#x017F;en wa&#x0364;re. Es &#x017F;cheint ihm an<lb/>
der Methode, oder wenig&#x017F;tens an dem Einfalle gefeh-<lb/>
let zu haben, das was die Meßku&#x0364;n&#x017F;tler in Ab&#x017F;icht<lb/>
auf den Raum gethan hatten, in Ab&#x017F;icht auf die u&#x0364;bri-<lb/>
gen einfachen ebenfalls zu ver&#x017F;uchen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 11.</head><lb/>
            <p>Die Ehre, eine Methode, eine richtige und brauch-<lb/>
bare Methode in der Weltweisheit anzubringen, war<lb/><hi rendition="#fr">Wolfen</hi> vorbehalten. Wiewohl man eigentlich nur<lb/>
&#x017F;agen kann, daß er darinn das Eis gebrochen, aber<lb/>
auch ver&#x017F;chiedenes zuru&#x0364;cke gela&#x017F;&#x017F;en. <hi rendition="#fr">Wolf</hi> folgete<lb/><hi rendition="#fr">Leibnitzens</hi> Analy&#x017F;e der Begriffe, und &#x017F;uchte auch<lb/>
bald alles, was <hi rendition="#fr">Leibnitz</hi> be&#x017F;onders gedacht hatte, in<lb/>
&#x017F;einer Metaphy&#x017F;ic anzubringen. Er nimmt darinn<lb/>
die mei&#x017F;ten Begriffe, oder vielmehr ihre Benennun-<lb/>
gen, wie er &#x017F;ie findet, und definirt &#x017F;ie <hi rendition="#fr">mehrentheils<lb/>
durch Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e zu andern Begriffen.</hi> Die<lb/>
Regeln, die er &#x017F;ich vor&#x017F;chrieb, waren ungefa&#x0364;hr fol-<lb/>
gende: <hi rendition="#fr">Jede mehr oder minder dunkele Wo&#x0364;r-<lb/>
ter mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en definirt, und jede an &#x017F;ich nicht ein-<lb/>
leuchtende Sa&#x0364;tze erwie&#x017F;en werden. Diejenigen<lb/>
Definitionen und Sa&#x0364;tze mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en vorgehen, auf<lb/>
welche &#x017F;ich die folgenden beziehen und gru&#x0364;nden.</hi><lb/>
Auf die&#x017F;e Art be&#x017F;cha&#x0364;fftigte &#x017F;ich <hi rendition="#fr">Wolf</hi> mit Definitio-<lb/>
nen und Bewei&#x017F;en. Was in der Meßkun&#x017F;t <hi rendition="#aq">Po&#x017F;tulata</hi><lb/>
(Forderungen) und Aufgaben heißt, davon ko&#x0364;mmt in<lb/><hi rendition="#fr">Wolfens</hi> Metaphy&#x017F;ic wenig oder nichts vor. Und<lb/>
wer mit &#x017F;einen Lehr&#x017F;a&#x0364;tzen nicht unbedingt zufrieden i&#x017F;t,<lb/>
wendet etwann ein, <hi rendition="#fr">daß Wolf die Zweifel und<lb/>
Schwierigkeiten, die man vorhin in der Me-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">taphy&#x017F;ic</hi></fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0044] I. Hauptſtuͤck. Erforderniſſe §. 10. Locke blieb bey ſeiner Anatomie der Begriffe faſt ganz ſtehen, und gebrauchte ſie wenigſtens nicht, ſo weit es moͤglich geweſen waͤre. Es ſcheint ihm an der Methode, oder wenigſtens an dem Einfalle gefeh- let zu haben, das was die Meßkuͤnſtler in Abſicht auf den Raum gethan hatten, in Abſicht auf die uͤbri- gen einfachen ebenfalls zu verſuchen. §. 11. Die Ehre, eine Methode, eine richtige und brauch- bare Methode in der Weltweisheit anzubringen, war Wolfen vorbehalten. Wiewohl man eigentlich nur ſagen kann, daß er darinn das Eis gebrochen, aber auch verſchiedenes zuruͤcke gelaſſen. Wolf folgete Leibnitzens Analyſe der Begriffe, und ſuchte auch bald alles, was Leibnitz beſonders gedacht hatte, in ſeiner Metaphyſic anzubringen. Er nimmt darinn die meiſten Begriffe, oder vielmehr ihre Benennun- gen, wie er ſie findet, und definirt ſie mehrentheils durch Verhaͤltniſſe zu andern Begriffen. Die Regeln, die er ſich vorſchrieb, waren ungefaͤhr fol- gende: Jede mehr oder minder dunkele Woͤr- ter muͤſſen definirt, und jede an ſich nicht ein- leuchtende Saͤtze erwieſen werden. Diejenigen Definitionen und Saͤtze muͤſſen vorgehen, auf welche ſich die folgenden beziehen und gruͤnden. Auf dieſe Art beſchaͤfftigte ſich Wolf mit Definitio- nen und Beweiſen. Was in der Meßkunſt Poſtulata (Forderungen) und Aufgaben heißt, davon koͤmmt in Wolfens Metaphyſic wenig oder nichts vor. Und wer mit ſeinen Lehrſaͤtzen nicht unbedingt zufrieden iſt, wendet etwann ein, daß Wolf die Zweifel und Schwierigkeiten, die man vorhin in der Me- taphyſic

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/44
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/44>, abgerufen am 25.04.2024.