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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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einer wissenschaftlichen Grundlehre.
taphysic gefunden, ohne es zu wissen, und un-
vermerkt in die Definitionen geschoben, oder
die Begriffe dergestalt definirt habe, daß sich
gewisse Sätze, die er für wahr hielte, und die
eben dadurch bey ihm den Begriff so und nicht
anders bildeten, daraus herleiten ließen.
Der
Vortheil, den die Wolfische Philosophie hat, ist
allerdings beträchtlich, daß nämlich die Methode,
die Wolf einführte, oder anfienge einzuführen, selbst
auch zur Entdeckung und Ausbesserung der Fehler
dienet, die er noch zurücke gelassen. Vor ihm war
in der Weltweisheit von einer richtigen und erweis-
baren Methode kaum die Rede, ungeachtet diese in
mathematischen Schriften schon von Euclides Zei-
ten an vor Augen lagen. Wer übrigens aus Wol-
fens
Werken den besten Vortheil ziehen will, der
thut immer gut, allenfalls nur damit den Anfang
zu machen, und sich sodann auch um andere von
Wolfen mehr oder minder abgehende philosophische
Schriften umzusehen, unter denen ich Daries und
Crusius zu nennen kein Bedenken trage.

§. 12.

Man kann nicht sagen, daß Wolf die Euclidi-
sche
Methode ganz gebraucht habe. Jn seiner Me-
taphysic bleiben die Postulata und Aufgaben fast ganz
weg, und die Frage, was man definiren solle, wird
darinn nicht völlig entschieden. Dieses wollen wir
hier genauer auseinander setzen. Eucliden war es
leicht, Definitionen zu geben, und den Gebrauch sei-
ner Wörter zu bestimmen. Er konnte die Linien,
Winkel und Figuren vor Augen legen, und dadurch
Worte, Begriffe und Sache unmittelbar mit einan-
der verbinden. Das Wort war nur der Name der

Sache,
A 5

einer wiſſenſchaftlichen Grundlehre.
taphyſic gefunden, ohne es zu wiſſen, und un-
vermerkt in die Definitionen geſchoben, oder
die Begriffe dergeſtalt definirt habe, daß ſich
gewiſſe Saͤtze, die er fuͤr wahr hielte, und die
eben dadurch bey ihm den Begriff ſo und nicht
anders bildeten, daraus herleiten ließen.
Der
Vortheil, den die Wolfiſche Philoſophie hat, iſt
allerdings betraͤchtlich, daß naͤmlich die Methode,
die Wolf einfuͤhrte, oder anfienge einzufuͤhren, ſelbſt
auch zur Entdeckung und Ausbeſſerung der Fehler
dienet, die er noch zuruͤcke gelaſſen. Vor ihm war
in der Weltweisheit von einer richtigen und erweis-
baren Methode kaum die Rede, ungeachtet dieſe in
mathematiſchen Schriften ſchon von Euclides Zei-
ten an vor Augen lagen. Wer uͤbrigens aus Wol-
fens
Werken den beſten Vortheil ziehen will, der
thut immer gut, allenfalls nur damit den Anfang
zu machen, und ſich ſodann auch um andere von
Wolfen mehr oder minder abgehende philoſophiſche
Schriften umzuſehen, unter denen ich Daries und
Cruſius zu nennen kein Bedenken trage.

§. 12.

Man kann nicht ſagen, daß Wolf die Euclidi-
ſche
Methode ganz gebraucht habe. Jn ſeiner Me-
taphyſic bleiben die Poſtulata und Aufgaben faſt ganz
weg, und die Frage, was man definiren ſolle, wird
darinn nicht voͤllig entſchieden. Dieſes wollen wir
hier genauer auseinander ſetzen. Eucliden war es
leicht, Definitionen zu geben, und den Gebrauch ſei-
ner Woͤrter zu beſtimmen. Er konnte die Linien,
Winkel und Figuren vor Augen legen, und dadurch
Worte, Begriffe und Sache unmittelbar mit einan-
der verbinden. Das Wort war nur der Name der

Sache,
A 5
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[9/0045] einer wiſſenſchaftlichen Grundlehre. taphyſic gefunden, ohne es zu wiſſen, und un- vermerkt in die Definitionen geſchoben, oder die Begriffe dergeſtalt definirt habe, daß ſich gewiſſe Saͤtze, die er fuͤr wahr hielte, und die eben dadurch bey ihm den Begriff ſo und nicht anders bildeten, daraus herleiten ließen. Der Vortheil, den die Wolfiſche Philoſophie hat, iſt allerdings betraͤchtlich, daß naͤmlich die Methode, die Wolf einfuͤhrte, oder anfienge einzufuͤhren, ſelbſt auch zur Entdeckung und Ausbeſſerung der Fehler dienet, die er noch zuruͤcke gelaſſen. Vor ihm war in der Weltweisheit von einer richtigen und erweis- baren Methode kaum die Rede, ungeachtet dieſe in mathematiſchen Schriften ſchon von Euclides Zei- ten an vor Augen lagen. Wer uͤbrigens aus Wol- fens Werken den beſten Vortheil ziehen will, der thut immer gut, allenfalls nur damit den Anfang zu machen, und ſich ſodann auch um andere von Wolfen mehr oder minder abgehende philoſophiſche Schriften umzuſehen, unter denen ich Daries und Cruſius zu nennen kein Bedenken trage. §. 12. Man kann nicht ſagen, daß Wolf die Euclidi- ſche Methode ganz gebraucht habe. Jn ſeiner Me- taphyſic bleiben die Poſtulata und Aufgaben faſt ganz weg, und die Frage, was man definiren ſolle, wird darinn nicht voͤllig entſchieden. Dieſes wollen wir hier genauer auseinander ſetzen. Eucliden war es leicht, Definitionen zu geben, und den Gebrauch ſei- ner Woͤrter zu beſtimmen. Er konnte die Linien, Winkel und Figuren vor Augen legen, und dadurch Worte, Begriffe und Sache unmittelbar mit einan- der verbinden. Das Wort war nur der Name der Sache, A 5

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/45>, abgerufen am 28.03.2024.