Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite
Zusatz zum neunzehnten Hauptstücke.
XX.

Die Materie hat immer an sich schon eine Form,
und sollte es auch nur die Form eines Klumpens,
eines Haufens oder einer Menge seyn. Wenn es
aber die Frage ist eine Materie zu gebrauchen, so
muß derselben gewöhnlich eine andere Form gegeben
werden. Der Klumpen Goldes soll zu Gefäßen, der
Haufen Korns zu Brodt, die Menge Menschen zur
Republik gemacht werden. Eben so sucht man auch
verworrenen Kenntnissen eine wissenschaftliche Form
zu geben, indem man sie aus einander liest, und sie
nach und nach in Zusammenhang bringt.

XXI.

Die jeder Materie eigene oder ihre ursprüngliche,
wesentliche Form, bestimmet diejenigen Formen, de-
ren sie bey Veränderungen fähig ist, so daß nicht
jeder Materie jede Form gegeben werden kann. Das
non ex quouis ligno fit mercurius will eben dieses
sagen. So fern aber eine Materie mehrerer Formen
fähig ist, kann man allerdings sagen, daß die Ma-
terie die Form wenigstens nicht durchaus be-
stimme, dagegen aber vielerley Formen schlecht-
hin ausschließe.
Dieses ist überhaupt ganz richtig.
Jn besondern Fällen aber wird es sehr schwer zu ent-
scheiden, ob eine vorgegebene Materie einer vorgege-
benen Form fähig sey oder nicht. So z. E. glauben
die Alchymisten noch immer, daß das Bley allenfalls
mit gewissen Zusätzen und Veränderungen die Form
des Goldes annehmen könne. Denn darauf kömmt
die Frage an, weil alle Veränderungen in der Welt
nur Veränderungen der Form, nicht aber der Ma-
terie selbst
sind. Es sind dem buchstäblichen Ver-

stande
Zuſatz zum neunzehnten Hauptſtuͤcke.
XX.

Die Materie hat immer an ſich ſchon eine Form,
und ſollte es auch nur die Form eines Klumpens,
eines Haufens oder einer Menge ſeyn. Wenn es
aber die Frage iſt eine Materie zu gebrauchen, ſo
muß derſelben gewoͤhnlich eine andere Form gegeben
werden. Der Klumpen Goldes ſoll zu Gefaͤßen, der
Haufen Korns zu Brodt, die Menge Menſchen zur
Republik gemacht werden. Eben ſo ſucht man auch
verworrenen Kenntniſſen eine wiſſenſchaftliche Form
zu geben, indem man ſie aus einander lieſt, und ſie
nach und nach in Zuſammenhang bringt.

XXI.

Die jeder Materie eigene oder ihre urſpruͤngliche,
weſentliche Form, beſtimmet diejenigen Formen, de-
ren ſie bey Veraͤnderungen faͤhig iſt, ſo daß nicht
jeder Materie jede Form gegeben werden kann. Das
non ex quouis ligno fit mercurius will eben dieſes
ſagen. So fern aber eine Materie mehrerer Formen
faͤhig iſt, kann man allerdings ſagen, daß die Ma-
terie die Form wenigſtens nicht durchaus be-
ſtimme, dagegen aber vielerley Formen ſchlecht-
hin ausſchließe.
Dieſes iſt uͤberhaupt ganz richtig.
Jn beſondern Faͤllen aber wird es ſehr ſchwer zu ent-
ſcheiden, ob eine vorgegebene Materie einer vorgege-
benen Form faͤhig ſey oder nicht. So z. E. glauben
die Alchymiſten noch immer, daß das Bley allenfalls
mit gewiſſen Zuſaͤtzen und Veraͤnderungen die Form
des Goldes annehmen koͤnne. Denn darauf koͤmmt
die Frage an, weil alle Veraͤnderungen in der Welt
nur Veraͤnderungen der Form, nicht aber der Ma-
terie ſelbſt
ſind. Es ſind dem buchſtaͤblichen Ver-

ſtande
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0254" n="246"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Zu&#x017F;atz zum neunzehnten Haupt&#x017F;tu&#x0364;cke.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq">XX.</hi> </head><lb/>
            <p>Die <hi rendition="#fr">Materie</hi> hat immer an &#x017F;ich &#x017F;chon eine <hi rendition="#fr">Form,</hi><lb/>
und &#x017F;ollte es auch nur die <hi rendition="#fr">Form</hi> eines <hi rendition="#fr">Klumpens,</hi><lb/>
eines <hi rendition="#fr">Haufens</hi> oder einer <hi rendition="#fr">Menge</hi> &#x017F;eyn. Wenn es<lb/>
aber die Frage i&#x017F;t eine <hi rendition="#fr">Materie</hi> zu gebrauchen, &#x017F;o<lb/>
muß der&#x017F;elben gewo&#x0364;hnlich eine andere <hi rendition="#fr">Form</hi> gegeben<lb/>
werden. Der Klumpen Goldes &#x017F;oll zu Gefa&#x0364;ßen, der<lb/>
Haufen Korns zu Brodt, die Menge Men&#x017F;chen zur<lb/>
Republik gemacht werden. Eben &#x017F;o &#x017F;ucht man auch<lb/>
verworrenen Kenntni&#x017F;&#x017F;en eine wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche Form<lb/>
zu geben, indem man &#x017F;ie aus einander lie&#x017F;t, und &#x017F;ie<lb/>
nach und nach in Zu&#x017F;ammenhang bringt.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq">XXI.</hi> </head><lb/>
            <p>Die jeder <hi rendition="#fr">Materie</hi> eigene oder ihre ur&#x017F;pru&#x0364;ngliche,<lb/>
we&#x017F;entliche <hi rendition="#fr">Form,</hi> be&#x017F;timmet diejenigen Formen, de-<lb/>
ren &#x017F;ie bey Vera&#x0364;nderungen fa&#x0364;hig i&#x017F;t, &#x017F;o daß nicht<lb/>
jeder Materie jede Form gegeben werden kann. Das<lb/><hi rendition="#aq">non ex quouis ligno fit mercurius</hi> will eben die&#x017F;es<lb/>
&#x017F;agen. So fern aber eine Materie mehrerer Formen<lb/>
fa&#x0364;hig i&#x017F;t, kann man allerdings &#x017F;agen, daß <hi rendition="#fr">die Ma-<lb/>
terie die Form wenig&#x017F;tens nicht durchaus be-<lb/>
&#x017F;timme, dagegen aber vielerley Formen &#x017F;chlecht-<lb/>
hin aus&#x017F;chließe.</hi> Die&#x017F;es i&#x017F;t u&#x0364;berhaupt ganz richtig.<lb/>
Jn be&#x017F;ondern Fa&#x0364;llen aber wird es &#x017F;ehr &#x017F;chwer zu ent-<lb/>
&#x017F;cheiden, ob eine vorgegebene Materie einer vorgege-<lb/>
benen Form fa&#x0364;hig &#x017F;ey oder nicht. So z. E. glauben<lb/>
die Alchymi&#x017F;ten noch immer, daß das Bley allenfalls<lb/>
mit gewi&#x017F;&#x017F;en Zu&#x017F;a&#x0364;tzen und Vera&#x0364;nderungen die Form<lb/>
des Goldes annehmen ko&#x0364;nne. Denn darauf ko&#x0364;mmt<lb/>
die Frage an, weil alle Vera&#x0364;nderungen in der Welt<lb/>
nur Vera&#x0364;nderungen der <hi rendition="#fr">Form,</hi> nicht aber der <hi rendition="#fr">Ma-<lb/>
terie &#x017F;elb&#x017F;t</hi> &#x017F;ind. Es &#x017F;ind dem buch&#x017F;ta&#x0364;blichen Ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;tande</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246/0254] Zuſatz zum neunzehnten Hauptſtuͤcke. XX. Die Materie hat immer an ſich ſchon eine Form, und ſollte es auch nur die Form eines Klumpens, eines Haufens oder einer Menge ſeyn. Wenn es aber die Frage iſt eine Materie zu gebrauchen, ſo muß derſelben gewoͤhnlich eine andere Form gegeben werden. Der Klumpen Goldes ſoll zu Gefaͤßen, der Haufen Korns zu Brodt, die Menge Menſchen zur Republik gemacht werden. Eben ſo ſucht man auch verworrenen Kenntniſſen eine wiſſenſchaftliche Form zu geben, indem man ſie aus einander lieſt, und ſie nach und nach in Zuſammenhang bringt. XXI. Die jeder Materie eigene oder ihre urſpruͤngliche, weſentliche Form, beſtimmet diejenigen Formen, de- ren ſie bey Veraͤnderungen faͤhig iſt, ſo daß nicht jeder Materie jede Form gegeben werden kann. Das non ex quouis ligno fit mercurius will eben dieſes ſagen. So fern aber eine Materie mehrerer Formen faͤhig iſt, kann man allerdings ſagen, daß die Ma- terie die Form wenigſtens nicht durchaus be- ſtimme, dagegen aber vielerley Formen ſchlecht- hin ausſchließe. Dieſes iſt uͤberhaupt ganz richtig. Jn beſondern Faͤllen aber wird es ſehr ſchwer zu ent- ſcheiden, ob eine vorgegebene Materie einer vorgege- benen Form faͤhig ſey oder nicht. So z. E. glauben die Alchymiſten noch immer, daß das Bley allenfalls mit gewiſſen Zuſaͤtzen und Veraͤnderungen die Form des Goldes annehmen koͤnne. Denn darauf koͤmmt die Frage an, weil alle Veraͤnderungen in der Welt nur Veraͤnderungen der Form, nicht aber der Ma- terie ſelbſt ſind. Es ſind dem buchſtaͤblichen Ver- ſtande

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/254
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/254>, abgerufen am 19.04.2024.