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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

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XXII. Hauptstück.
gedienet. Es kömmt dabey öfters so heraus, daß
man glauben sollte, das philosophisch Wahre, sey
mathematisch falsch, und hinwiederum das mathe-
matisch Wahre philosophisch falsch, ungefähr, wie
wenn eine Wahrheit die andere umstoßen müßte.

§. 683.

Bey diesen Ungereimtheiten liegt es nun aller-
dings nicht daran, daß die philosophische und ma-
thematische Erkenntniß weder mit einander verglichen
noch verbunden werden sollten. Denn sie sollen es
seyn, und man wird der philosophischen Erkenntniß
nicht den Namen einer völlig wissenschaftlichen
Erkenntniß
beylegen können, wenn sie nicht durch-
aus zugleich mathematisch ist. Man kann außer
dem, was wir in dem dritten Hauptstücke der Ale-
thiologie (§. 130-134.) hierüber gesaget haben, be-
sonders das oben (§. 452-462.) hierüber angemerkte
nachsehen, und man wird die mathematische Erkennt-
niß bey der philosophischen unentbehrlich, und durch-
aus und leicht anwendbar finden, so ofte aus der letz-
tern alle Verwirrung weggebracht ist. Denn die
einfachen Bestimmungen, die der Philosoph
aufzusuchen hat, wenn er zur netten und völli-
gen Deutlichkeit gelangen will, sind eben die-
jenigen, welche der Mathematiker als Dimen-
sionen gebraucht, und gebrauchen kann, so bald
sie ersterer gefunden,
(§. 455.). Man sehe auch
(§. 569. 591.).

§. 684.

Sodann liegt es auch nicht daran, daß der Phi-
losoph nicht auch seine Betrachtung auf das erstrecken
könne, was eigentlich in das Gehieth der Mathe-

matik

XXII. Hauptſtuͤck.
gedienet. Es koͤmmt dabey oͤfters ſo heraus, daß
man glauben ſollte, das philoſophiſch Wahre, ſey
mathematiſch falſch, und hinwiederum das mathe-
matiſch Wahre philoſophiſch falſch, ungefaͤhr, wie
wenn eine Wahrheit die andere umſtoßen muͤßte.

§. 683.

Bey dieſen Ungereimtheiten liegt es nun aller-
dings nicht daran, daß die philoſophiſche und ma-
thematiſche Erkenntniß weder mit einander verglichen
noch verbunden werden ſollten. Denn ſie ſollen es
ſeyn, und man wird der philoſophiſchen Erkenntniß
nicht den Namen einer voͤllig wiſſenſchaftlichen
Erkenntniß
beylegen koͤnnen, wenn ſie nicht durch-
aus zugleich mathematiſch iſt. Man kann außer
dem, was wir in dem dritten Hauptſtuͤcke der Ale-
thiologie (§. 130-134.) hieruͤber geſaget haben, be-
ſonders das oben (§. 452-462.) hieruͤber angemerkte
nachſehen, und man wird die mathematiſche Erkennt-
niß bey der philoſophiſchen unentbehrlich, und durch-
aus und leicht anwendbar finden, ſo ofte aus der letz-
tern alle Verwirrung weggebracht iſt. Denn die
einfachen Beſtimmungen, die der Philoſoph
aufzuſuchen hat, wenn er zur netten und voͤlli-
gen Deutlichkeit gelangen will, ſind eben die-
jenigen, welche der Mathematiker als Dimen-
ſionen gebraucht, und gebrauchen kann, ſo bald
ſie erſterer gefunden,
(§. 455.). Man ſehe auch
(§. 569. 591.).

§. 684.

Sodann liegt es auch nicht daran, daß der Phi-
loſoph nicht auch ſeine Betrachtung auf das erſtrecken
koͤnne, was eigentlich in das Gehieth der Mathe-

matik
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[304/0312] XXII. Hauptſtuͤck. gedienet. Es koͤmmt dabey oͤfters ſo heraus, daß man glauben ſollte, das philoſophiſch Wahre, ſey mathematiſch falſch, und hinwiederum das mathe- matiſch Wahre philoſophiſch falſch, ungefaͤhr, wie wenn eine Wahrheit die andere umſtoßen muͤßte. §. 683. Bey dieſen Ungereimtheiten liegt es nun aller- dings nicht daran, daß die philoſophiſche und ma- thematiſche Erkenntniß weder mit einander verglichen noch verbunden werden ſollten. Denn ſie ſollen es ſeyn, und man wird der philoſophiſchen Erkenntniß nicht den Namen einer voͤllig wiſſenſchaftlichen Erkenntniß beylegen koͤnnen, wenn ſie nicht durch- aus zugleich mathematiſch iſt. Man kann außer dem, was wir in dem dritten Hauptſtuͤcke der Ale- thiologie (§. 130-134.) hieruͤber geſaget haben, be- ſonders das oben (§. 452-462.) hieruͤber angemerkte nachſehen, und man wird die mathematiſche Erkennt- niß bey der philoſophiſchen unentbehrlich, und durch- aus und leicht anwendbar finden, ſo ofte aus der letz- tern alle Verwirrung weggebracht iſt. Denn die einfachen Beſtimmungen, die der Philoſoph aufzuſuchen hat, wenn er zur netten und voͤlli- gen Deutlichkeit gelangen will, ſind eben die- jenigen, welche der Mathematiker als Dimen- ſionen gebraucht, und gebrauchen kann, ſo bald ſie erſterer gefunden, (§. 455.). Man ſehe auch (§. 569. 591.). §. 684. Sodann liegt es auch nicht daran, daß der Phi- loſoph nicht auch ſeine Betrachtung auf das erſtrecken koͤnne, was eigentlich in das Gehieth der Mathe- matik

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/312>, abgerufen am 19.04.2024.