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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

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XV. Hauptstück.
es an sich möglich die Beschaffenheit, und die Güte
eines jeden Gliedes, und die Summe von jeder be-
liebigen Anzahl zu bestimmen. Hierinn giebt uns
nun die Algeber Beyspiele, welche zeigen, daß un-
geachtet in unendlichen Reihen kein letztes Glied ist,
dennoch dasjenige, welches das letzte seyn müßte,
gefunden, und zugleich die Summe der Reihe, auch
wenn sie unendlich groß ist, mit andern verglichen
werden kann, die von gleicher Dimension sind. Hie-
bey kann man sich nun die letzte Absicht nicht anders,
als auf eine bloß ideale, oder nur auf eine symboli-
sche Art vorstellen, und man sieht leicht, daß, wenn
derselben allein zu Gefallen, die ganze Reihe ange-
ordnet wäre, so daß jedes Glied nur als Mittel, nicht
aber für sich schon als eine Absicht angesehen werden
müßte, die ganze Reihe fruchtlos seyn würde, weil
das letzte Glied niemals existiren kann. Jst aber
hingegen jedes Glied an sich schon eine Absicht, und
zugleich ein Mittel die folgenden Glieder zur Wirk-
lichkeit zu bringen, so ist hier von einer letzten Ab-
sicht nicht die Rede, sondern es kömmt auf die Sum-
me aller einzeln Absichten an, und diese besteht in
der Summe des Guten, das in jedem Gliede der
Reihe ist. Diese kann nun vermittelst der Gesetze,
nach welchen jedes Glied durch die vorhergehenden
bestimmet wird, auch bey Voraussetzung der Unend-
lichkeit der Reihe und der Summe gefunden, und mit
jeden andern Arten von Reihen verglichen werden.

§. 483.

Es wird nun nicht schwer seyn, dieses auf die
wirkliche Welt anzuwenden, wenn wir dieselbe als
eine fortdauernde Wirkung aller göttlichen Vollkom-
menheiten zusammen genommen betrachten. Der

Welt-

XV. Hauptſtuͤck.
es an ſich moͤglich die Beſchaffenheit, und die Guͤte
eines jeden Gliedes, und die Summe von jeder be-
liebigen Anzahl zu beſtimmen. Hierinn giebt uns
nun die Algeber Beyſpiele, welche zeigen, daß un-
geachtet in unendlichen Reihen kein letztes Glied iſt,
dennoch dasjenige, welches das letzte ſeyn muͤßte,
gefunden, und zugleich die Summe der Reihe, auch
wenn ſie unendlich groß iſt, mit andern verglichen
werden kann, die von gleicher Dimenſion ſind. Hie-
bey kann man ſich nun die letzte Abſicht nicht anders,
als auf eine bloß ideale, oder nur auf eine ſymboli-
ſche Art vorſtellen, und man ſieht leicht, daß, wenn
derſelben allein zu Gefallen, die ganze Reihe ange-
ordnet waͤre, ſo daß jedes Glied nur als Mittel, nicht
aber fuͤr ſich ſchon als eine Abſicht angeſehen werden
muͤßte, die ganze Reihe fruchtlos ſeyn wuͤrde, weil
das letzte Glied niemals exiſtiren kann. Jſt aber
hingegen jedes Glied an ſich ſchon eine Abſicht, und
zugleich ein Mittel die folgenden Glieder zur Wirk-
lichkeit zu bringen, ſo iſt hier von einer letzten Ab-
ſicht nicht die Rede, ſondern es koͤmmt auf die Sum-
me aller einzeln Abſichten an, und dieſe beſteht in
der Summe des Guten, das in jedem Gliede der
Reihe iſt. Dieſe kann nun vermittelſt der Geſetze,
nach welchen jedes Glied durch die vorhergehenden
beſtimmet wird, auch bey Vorausſetzung der Unend-
lichkeit der Reihe und der Summe gefunden, und mit
jeden andern Arten von Reihen verglichen werden.

§. 483.

Es wird nun nicht ſchwer ſeyn, dieſes auf die
wirkliche Welt anzuwenden, wenn wir dieſelbe als
eine fortdauernde Wirkung aller goͤttlichen Vollkom-
menheiten zuſammen genommen betrachten. Der

Welt-
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[98/0106] XV. Hauptſtuͤck. es an ſich moͤglich die Beſchaffenheit, und die Guͤte eines jeden Gliedes, und die Summe von jeder be- liebigen Anzahl zu beſtimmen. Hierinn giebt uns nun die Algeber Beyſpiele, welche zeigen, daß un- geachtet in unendlichen Reihen kein letztes Glied iſt, dennoch dasjenige, welches das letzte ſeyn muͤßte, gefunden, und zugleich die Summe der Reihe, auch wenn ſie unendlich groß iſt, mit andern verglichen werden kann, die von gleicher Dimenſion ſind. Hie- bey kann man ſich nun die letzte Abſicht nicht anders, als auf eine bloß ideale, oder nur auf eine ſymboli- ſche Art vorſtellen, und man ſieht leicht, daß, wenn derſelben allein zu Gefallen, die ganze Reihe ange- ordnet waͤre, ſo daß jedes Glied nur als Mittel, nicht aber fuͤr ſich ſchon als eine Abſicht angeſehen werden muͤßte, die ganze Reihe fruchtlos ſeyn wuͤrde, weil das letzte Glied niemals exiſtiren kann. Jſt aber hingegen jedes Glied an ſich ſchon eine Abſicht, und zugleich ein Mittel die folgenden Glieder zur Wirk- lichkeit zu bringen, ſo iſt hier von einer letzten Ab- ſicht nicht die Rede, ſondern es koͤmmt auf die Sum- me aller einzeln Abſichten an, und dieſe beſteht in der Summe des Guten, das in jedem Gliede der Reihe iſt. Dieſe kann nun vermittelſt der Geſetze, nach welchen jedes Glied durch die vorhergehenden beſtimmet wird, auch bey Vorausſetzung der Unend- lichkeit der Reihe und der Summe gefunden, und mit jeden andern Arten von Reihen verglichen werden. §. 483. Es wird nun nicht ſchwer ſeyn, dieſes auf die wirkliche Welt anzuwenden, wenn wir dieſelbe als eine fortdauernde Wirkung aller goͤttlichen Vollkom- menheiten zuſammen genommen betrachten. Der Welt-

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/106>, abgerufen am 29.03.2024.