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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

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Ursachen und Wirkungen.
um ihn hervor zu bringen, angewandt worden, und
die Ursache die Wirkung gleichsam bilde, oder der-
selben ihre Gestalt gebe, (§. 593.). Dieser Satz die-
net ebenfalls, wie die vorhergehenden, als ein Cri-
terium,
wenn man bey Untersuchung einer Ursache
dieselbe aus der Wirkung vollständig und ausführlich
entwickeln, und die Art, wie die Ursache gewirket hat,
durch alle Theile deutlich aus einander setzen will.
Man nehme aus dem §. 586. seqq. mit hinzu, daß
man um erstlich die Wirkung an sich vollständig zu
kennen, genau wissen müsse, wie die Sache vor der-
selben beschaffen war, welche Theile und Kräfte, und
welche Verbindungen und Bestimmungen von bey-
den da waren; daß eben diese Kenntniß der Sache
nach geschehener Wirkung erfordert werde, damit
man den letzten Zustand mit dem ersten vergleichen
und identificiren könne, (§. 586.). Wo es um die
Größe zu thun ist, da ist man hiebey in der Mathe-
matik so genau, daß man die Wirkung nach den
Differentialtheilen der Zeit, des Raumes etc. betrach-
tet, und aus den Verhältoissen der unendlich kleinen
Theile der Wirkung auf die Summe schließt, wel-
ches man vor der Erfindung des Jntegralcalculs sel-
ten, und nur in den einfachsten Fällen thun konnte.
So beut uns auch die Naturlehre Beyspiele an, daß,
so weit wir in dieser Kenntniß kommen können, die
Ursachen sich eben so weit kenntlich machen, und daß
wir hingegen zurück bleiben, so bald die Theilchen,
in welchen die Veränderung geschieht, unempfindbar
sind, und wo wir folglich nur die Summe der gan-
zen Wirkung, oder öfters auch nur die Summe oder
das Product von einigen Theilen, sehen oder empfin-
den, wie z. E. bey der Schwere, Cohäsion, Electri-
cität, magnetischen Materie etc. Jn allen solchen

Fällen
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Urſachen und Wirkungen.
um ihn hervor zu bringen, angewandt worden, und
die Urſache die Wirkung gleichſam bilde, oder der-
ſelben ihre Geſtalt gebe, (§. 593.). Dieſer Satz die-
net ebenfalls, wie die vorhergehenden, als ein Cri-
terium,
wenn man bey Unterſuchung einer Urſache
dieſelbe aus der Wirkung vollſtaͤndig und ausfuͤhrlich
entwickeln, und die Art, wie die Urſache gewirket hat,
durch alle Theile deutlich aus einander ſetzen will.
Man nehme aus dem §. 586. ſeqq. mit hinzu, daß
man um erſtlich die Wirkung an ſich vollſtaͤndig zu
kennen, genau wiſſen muͤſſe, wie die Sache vor der-
ſelben beſchaffen war, welche Theile und Kraͤfte, und
welche Verbindungen und Beſtimmungen von bey-
den da waren; daß eben dieſe Kenntniß der Sache
nach geſchehener Wirkung erfordert werde, damit
man den letzten Zuſtand mit dem erſten vergleichen
und identificiren koͤnne, (§. 586.). Wo es um die
Groͤße zu thun iſt, da iſt man hiebey in der Mathe-
matik ſo genau, daß man die Wirkung nach den
Differentialtheilen der Zeit, des Raumes ꝛc. betrach-
tet, und aus den Verhaͤltoiſſen der unendlich kleinen
Theile der Wirkung auf die Summe ſchließt, wel-
ches man vor der Erfindung des Jntegralcalculs ſel-
ten, und nur in den einfachſten Faͤllen thun konnte.
So beut uns auch die Naturlehre Beyſpiele an, daß,
ſo weit wir in dieſer Kenntniß kommen koͤnnen, die
Urſachen ſich eben ſo weit kenntlich machen, und daß
wir hingegen zuruͤck bleiben, ſo bald die Theilchen,
in welchen die Veraͤnderung geſchieht, unempfindbar
ſind, und wo wir folglich nur die Summe der gan-
zen Wirkung, oder oͤfters auch nur die Summe oder
das Product von einigen Theilen, ſehen oder empfin-
den, wie z. E. bey der Schwere, Cohaͤſion, Electri-
citaͤt, magnetiſchen Materie ꝛc. Jn allen ſolchen

Faͤllen
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[217/0225] Urſachen und Wirkungen. um ihn hervor zu bringen, angewandt worden, und die Urſache die Wirkung gleichſam bilde, oder der- ſelben ihre Geſtalt gebe, (§. 593.). Dieſer Satz die- net ebenfalls, wie die vorhergehenden, als ein Cri- terium, wenn man bey Unterſuchung einer Urſache dieſelbe aus der Wirkung vollſtaͤndig und ausfuͤhrlich entwickeln, und die Art, wie die Urſache gewirket hat, durch alle Theile deutlich aus einander ſetzen will. Man nehme aus dem §. 586. ſeqq. mit hinzu, daß man um erſtlich die Wirkung an ſich vollſtaͤndig zu kennen, genau wiſſen muͤſſe, wie die Sache vor der- ſelben beſchaffen war, welche Theile und Kraͤfte, und welche Verbindungen und Beſtimmungen von bey- den da waren; daß eben dieſe Kenntniß der Sache nach geſchehener Wirkung erfordert werde, damit man den letzten Zuſtand mit dem erſten vergleichen und identificiren koͤnne, (§. 586.). Wo es um die Groͤße zu thun iſt, da iſt man hiebey in der Mathe- matik ſo genau, daß man die Wirkung nach den Differentialtheilen der Zeit, des Raumes ꝛc. betrach- tet, und aus den Verhaͤltoiſſen der unendlich kleinen Theile der Wirkung auf die Summe ſchließt, wel- ches man vor der Erfindung des Jntegralcalculs ſel- ten, und nur in den einfachſten Faͤllen thun konnte. So beut uns auch die Naturlehre Beyſpiele an, daß, ſo weit wir in dieſer Kenntniß kommen koͤnnen, die Urſachen ſich eben ſo weit kenntlich machen, und daß wir hingegen zuruͤck bleiben, ſo bald die Theilchen, in welchen die Veraͤnderung geſchieht, unempfindbar ſind, und wo wir folglich nur die Summe der gan- zen Wirkung, oder oͤfters auch nur die Summe oder das Product von einigen Theilen, ſehen oder empfin- den, wie z. E. bey der Schwere, Cohaͤſion, Electri- citaͤt, magnetiſchen Materie ꝛc. Jn allen ſolchen Faͤllen O 5

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/225>, abgerufen am 23.04.2024.