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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

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XIX. Hauptstück.
recht gelingen wollte, und ihre erbauten Wirbel lies-
sen sich bald wieder umstoßen. Dafern aber die Kräfte
immaterielle Substanzen sind, die sich uns nur durch
ihre Wirkungen zu erkennen geben (§. 539. 541. 543.),
so ist es auch gar wohl möglich, daß sie das Sonnen-
system ohne so viele materielle Wirbel in Verbindung
erhalten (§. 550.), und daß man sich folglich damit
begnügen kann, wenn man saget, sie äußern ihre
Wirkung in demselben in umgekehrter Verhältniß
des Quadrates der Distanz. Und da fängt das Me-
chanische erst nach dieser Voraussetzung an.

§. 610.

Will man nun in solchen Fällen, wo die Structur
und der Mechanismus der Theile nicht in die Sinne
fällt, ordentlich verfahren, und in Ansehung der
Entdeckung der Ursache und ihrer Art zu wirken,
Schritt vor Schritt gehen, so kann man sich anfangs
begnügen, aus der Wirkung zu schließen, daß eine
Kraft da sey, und diese Kraft müsse so wirken, wie
es der Erfolg angiebt. Und dabey ist es eben nicht
nothwendig, der Kraft von freyen Stücken und nach
irgend einer Analogie einen specialen Namen zu ge-
ben, oder dieselbe sogleich dieser oder jener Materie
zuzuschreiben, wenn man nicht offenbar sieht, daß
sie davon herrühret. So z. E. da man findet, daß
ein Körper bey dem Erwärmen ausgedehnter wird,
so ist es unnöthig, und daraus noch unerweisbar, daß,
der Aether diese Ausdehnung verursache. Man kann
aber immer schließen, daß, weil ohne Kraft und ohne
Aufhebung des Gleichgewichtes der Kräfte keine Ver-
änderung vorgeht, bey der Ausdehnung durch die
Wärme, eine solche Kraft und eine solche Aufhebung
des Gleichgewichtes da seyn müsse. Dabey bleibt

nun

XIX. Hauptſtuͤck.
recht gelingen wollte, und ihre erbauten Wirbel lieſ-
ſen ſich bald wieder umſtoßen. Dafern aber die Kraͤfte
immaterielle Subſtanzen ſind, die ſich uns nur durch
ihre Wirkungen zu erkennen geben (§. 539. 541. 543.),
ſo iſt es auch gar wohl moͤglich, daß ſie das Sonnen-
ſyſtem ohne ſo viele materielle Wirbel in Verbindung
erhalten (§. 550.), und daß man ſich folglich damit
begnuͤgen kann, wenn man ſaget, ſie aͤußern ihre
Wirkung in demſelben in umgekehrter Verhaͤltniß
des Quadrates der Diſtanz. Und da faͤngt das Me-
chaniſche erſt nach dieſer Vorausſetzung an.

§. 610.

Will man nun in ſolchen Faͤllen, wo die Structur
und der Mechanismus der Theile nicht in die Sinne
faͤllt, ordentlich verfahren, und in Anſehung der
Entdeckung der Urſache und ihrer Art zu wirken,
Schritt vor Schritt gehen, ſo kann man ſich anfangs
begnuͤgen, aus der Wirkung zu ſchließen, daß eine
Kraft da ſey, und dieſe Kraft muͤſſe ſo wirken, wie
es der Erfolg angiebt. Und dabey iſt es eben nicht
nothwendig, der Kraft von freyen Stuͤcken und nach
irgend einer Analogie einen ſpecialen Namen zu ge-
ben, oder dieſelbe ſogleich dieſer oder jener Materie
zuzuſchreiben, wenn man nicht offenbar ſieht, daß
ſie davon herruͤhret. So z. E. da man findet, daß
ein Koͤrper bey dem Erwaͤrmen ausgedehnter wird,
ſo iſt es unnoͤthig, und daraus noch unerweisbar, daß,
der Aether dieſe Ausdehnung verurſache. Man kann
aber immer ſchließen, daß, weil ohne Kraft und ohne
Aufhebung des Gleichgewichtes der Kraͤfte keine Ver-
aͤnderung vorgeht, bey der Ausdehnung durch die
Waͤrme, eine ſolche Kraft und eine ſolche Aufhebung
des Gleichgewichtes da ſeyn muͤſſe. Dabey bleibt

nun
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[230/0238] XIX. Hauptſtuͤck. recht gelingen wollte, und ihre erbauten Wirbel lieſ- ſen ſich bald wieder umſtoßen. Dafern aber die Kraͤfte immaterielle Subſtanzen ſind, die ſich uns nur durch ihre Wirkungen zu erkennen geben (§. 539. 541. 543.), ſo iſt es auch gar wohl moͤglich, daß ſie das Sonnen- ſyſtem ohne ſo viele materielle Wirbel in Verbindung erhalten (§. 550.), und daß man ſich folglich damit begnuͤgen kann, wenn man ſaget, ſie aͤußern ihre Wirkung in demſelben in umgekehrter Verhaͤltniß des Quadrates der Diſtanz. Und da faͤngt das Me- chaniſche erſt nach dieſer Vorausſetzung an. §. 610. Will man nun in ſolchen Faͤllen, wo die Structur und der Mechanismus der Theile nicht in die Sinne faͤllt, ordentlich verfahren, und in Anſehung der Entdeckung der Urſache und ihrer Art zu wirken, Schritt vor Schritt gehen, ſo kann man ſich anfangs begnuͤgen, aus der Wirkung zu ſchließen, daß eine Kraft da ſey, und dieſe Kraft muͤſſe ſo wirken, wie es der Erfolg angiebt. Und dabey iſt es eben nicht nothwendig, der Kraft von freyen Stuͤcken und nach irgend einer Analogie einen ſpecialen Namen zu ge- ben, oder dieſelbe ſogleich dieſer oder jener Materie zuzuſchreiben, wenn man nicht offenbar ſieht, daß ſie davon herruͤhret. So z. E. da man findet, daß ein Koͤrper bey dem Erwaͤrmen ausgedehnter wird, ſo iſt es unnoͤthig, und daraus noch unerweisbar, daß, der Aether dieſe Ausdehnung verurſache. Man kann aber immer ſchließen, daß, weil ohne Kraft und ohne Aufhebung des Gleichgewichtes der Kraͤfte keine Ver- aͤnderung vorgeht, bey der Ausdehnung durch die Waͤrme, eine ſolche Kraft und eine ſolche Aufhebung des Gleichgewichtes da ſeyn muͤſſe. Dabey bleibt nun

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/238>, abgerufen am 28.03.2024.