Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Dimension.
Theorie, als die Beobachtung ähnlichen Schwierig-
keiten unterworfen. Die Hawksbeische Regel von
der Verminderung der Stralenbrechung in verdünnter
Luft mag in Absicht auf die Luft statt finden, die man
in einem Gefäße verdünnert, hingegen in der freyen
Luft, wo man sie eigentlich zur Bestimmung der Stra-
lenbrechung gebrauchte, geht sie nicht an, weil die
Stralenbrechung viel schneller abnimmt, als die
Dichtigkeit der Luft, wenn diese nach dem Falle des
Barometers geschätzt wird.

§. 737.

Uebrigens haben wir hiebey besonders anzumerken,
daß man auch da, wo einfache Verhältnisse wirklich
statt haben, gar leicht statt derselben auf zusammen-
gesetztere verfällt, und dieses geschieht vornehmlich,
wenn man den Anfang der Größen, deren Verhält-
nisse man finden will, anders nimmt, als er genom-
men werden sollte. So z. E. hat die Parabel und
die Hyperbola aequilatera zwischen den Asymtoten eine
sehr einfache Gleichung, die erstere ist ax = yy, die
andere aber aa = xy. Man darf aber nur den Ab-
scissen und Ordinaten eine andere Lage und Anfang
geben, um sehr verwickelte Formeln heraus zu brin-
gen. Nimmt man nun noch die Betrachtung hinzu,
daß sich uns die Erfahrung öfters nur von dieser ver-
wickeltern Seite her zeiget, und daß wir lange nicht
immer in dem wahren Gesichtspuncte sind, um sie
am einfachsten zu finden, so läßt sich wohl begreifen,
daß man alsdenn erst nach langem suchen auf die ein-
fache Seite verfällt, und dadurch den Calcul leichter
machen, und die Verwirrungen und Anomalien weg-
schaffen kann. Das ganze Sonnensystem mag uns
hier zum Beyspiele dienen. Es gebrauchte viel dazu,

bis
Z 3

Die Dimenſion.
Theorie, als die Beobachtung aͤhnlichen Schwierig-
keiten unterworfen. Die Hawksbeiſche Regel von
der Verminderung der Stralenbrechung in verduͤnnter
Luft mag in Abſicht auf die Luft ſtatt finden, die man
in einem Gefaͤße verduͤnnert, hingegen in der freyen
Luft, wo man ſie eigentlich zur Beſtimmung der Stra-
lenbrechung gebrauchte, geht ſie nicht an, weil die
Stralenbrechung viel ſchneller abnimmt, als die
Dichtigkeit der Luft, wenn dieſe nach dem Falle des
Barometers geſchaͤtzt wird.

§. 737.

Uebrigens haben wir hiebey beſonders anzumerken,
daß man auch da, wo einfache Verhaͤltniſſe wirklich
ſtatt haben, gar leicht ſtatt derſelben auf zuſammen-
geſetztere verfaͤllt, und dieſes geſchieht vornehmlich,
wenn man den Anfang der Groͤßen, deren Verhaͤlt-
niſſe man finden will, anders nimmt, als er genom-
men werden ſollte. So z. E. hat die Parabel und
die Hyperbola aequilatera zwiſchen den Aſymtoten eine
ſehr einfache Gleichung, die erſtere iſt ax = yy, die
andere aber aa = xy. Man darf aber nur den Ab-
ſciſſen und Ordinaten eine andere Lage und Anfang
geben, um ſehr verwickelte Formeln heraus zu brin-
gen. Nimmt man nun noch die Betrachtung hinzu,
daß ſich uns die Erfahrung oͤfters nur von dieſer ver-
wickeltern Seite her zeiget, und daß wir lange nicht
immer in dem wahren Geſichtspuncte ſind, um ſie
am einfachſten zu finden, ſo laͤßt ſich wohl begreifen,
daß man alsdenn erſt nach langem ſuchen auf die ein-
fache Seite verfaͤllt, und dadurch den Calcul leichter
machen, und die Verwirrungen und Anomalien weg-
ſchaffen kann. Das ganze Sonnenſyſtem mag uns
hier zum Beyſpiele dienen. Es gebrauchte viel dazu,

bis
Z 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0365" n="357"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Dimen&#x017F;ion.</hi></fw><lb/>
Theorie, als die Beobachtung a&#x0364;hnlichen Schwierig-<lb/>
keiten unterworfen. Die <hi rendition="#fr">Hawksbei&#x017F;che</hi> Regel von<lb/>
der Verminderung der Stralenbrechung in verdu&#x0364;nnter<lb/>
Luft mag in Ab&#x017F;icht auf die Luft &#x017F;tatt finden, die man<lb/>
in einem Gefa&#x0364;ße verdu&#x0364;nnert, hingegen in der freyen<lb/>
Luft, wo man &#x017F;ie eigentlich zur Be&#x017F;timmung der Stra-<lb/>
lenbrechung gebrauchte, geht &#x017F;ie nicht an, weil die<lb/>
Stralenbrechung viel &#x017F;chneller abnimmt, als die<lb/>
Dichtigkeit der Luft, wenn die&#x017F;e nach dem Falle des<lb/>
Barometers ge&#x017F;cha&#x0364;tzt wird.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 737.</head><lb/>
            <p>Uebrigens haben wir hiebey be&#x017F;onders anzumerken,<lb/>
daß man auch da, wo einfache Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e wirklich<lb/>
&#x017F;tatt haben, gar leicht &#x017F;tatt der&#x017F;elben auf zu&#x017F;ammen-<lb/>
ge&#x017F;etztere verfa&#x0364;llt, und die&#x017F;es ge&#x017F;chieht vornehmlich,<lb/>
wenn man den Anfang der Gro&#x0364;ßen, deren Verha&#x0364;lt-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e man finden will, anders nimmt, als er genom-<lb/>
men werden &#x017F;ollte. So z. E. hat die Parabel und<lb/>
die <hi rendition="#aq">Hyperbola aequilatera</hi> zwi&#x017F;chen den A&#x017F;ymtoten eine<lb/>
&#x017F;ehr einfache Gleichung, die er&#x017F;tere i&#x017F;t <hi rendition="#aq">ax = yy,</hi> die<lb/>
andere aber <hi rendition="#aq">aa = xy.</hi> Man darf aber nur den Ab-<lb/>
&#x017F;ci&#x017F;&#x017F;en und Ordinaten eine andere Lage und Anfang<lb/>
geben, um &#x017F;ehr verwickelte Formeln heraus zu brin-<lb/>
gen. Nimmt man nun noch die Betrachtung hinzu,<lb/>
daß &#x017F;ich uns die Erfahrung o&#x0364;fters nur von die&#x017F;er ver-<lb/>
wickeltern Seite her zeiget, und daß wir lange nicht<lb/>
immer in dem wahren Ge&#x017F;ichtspuncte &#x017F;ind, um &#x017F;ie<lb/>
am einfach&#x017F;ten zu finden, &#x017F;o la&#x0364;ßt &#x017F;ich wohl begreifen,<lb/>
daß man alsdenn er&#x017F;t nach langem &#x017F;uchen auf die ein-<lb/>
fache Seite verfa&#x0364;llt, und dadurch den Calcul leichter<lb/>
machen, und die Verwirrungen und Anomalien weg-<lb/>
&#x017F;chaffen kann. Das ganze Sonnen&#x017F;y&#x017F;tem mag uns<lb/>
hier zum Bey&#x017F;piele dienen. Es gebrauchte viel dazu,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Z 3</fw><fw place="bottom" type="catch">bis</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[357/0365] Die Dimenſion. Theorie, als die Beobachtung aͤhnlichen Schwierig- keiten unterworfen. Die Hawksbeiſche Regel von der Verminderung der Stralenbrechung in verduͤnnter Luft mag in Abſicht auf die Luft ſtatt finden, die man in einem Gefaͤße verduͤnnert, hingegen in der freyen Luft, wo man ſie eigentlich zur Beſtimmung der Stra- lenbrechung gebrauchte, geht ſie nicht an, weil die Stralenbrechung viel ſchneller abnimmt, als die Dichtigkeit der Luft, wenn dieſe nach dem Falle des Barometers geſchaͤtzt wird. §. 737. Uebrigens haben wir hiebey beſonders anzumerken, daß man auch da, wo einfache Verhaͤltniſſe wirklich ſtatt haben, gar leicht ſtatt derſelben auf zuſammen- geſetztere verfaͤllt, und dieſes geſchieht vornehmlich, wenn man den Anfang der Groͤßen, deren Verhaͤlt- niſſe man finden will, anders nimmt, als er genom- men werden ſollte. So z. E. hat die Parabel und die Hyperbola aequilatera zwiſchen den Aſymtoten eine ſehr einfache Gleichung, die erſtere iſt ax = yy, die andere aber aa = xy. Man darf aber nur den Ab- ſciſſen und Ordinaten eine andere Lage und Anfang geben, um ſehr verwickelte Formeln heraus zu brin- gen. Nimmt man nun noch die Betrachtung hinzu, daß ſich uns die Erfahrung oͤfters nur von dieſer ver- wickeltern Seite her zeiget, und daß wir lange nicht immer in dem wahren Geſichtspuncte ſind, um ſie am einfachſten zu finden, ſo laͤßt ſich wohl begreifen, daß man alsdenn erſt nach langem ſuchen auf die ein- fache Seite verfaͤllt, und dadurch den Calcul leichter machen, und die Verwirrungen und Anomalien weg- ſchaffen kann. Das ganze Sonnenſyſtem mag uns hier zum Beyſpiele dienen. Es gebrauchte viel dazu, bis Z 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/365
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/365>, abgerufen am 23.04.2024.