Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

Verhältnisse.
messung zurücke, und man kann daher richtig den
Schluß machen, daß so schön ein System von me-
taphysischen Definitionen zu seyn scheint, noch
nothwendig Vermischung und Verwirrung
darinn seyn müsse, wenn die einfachen Bestim-
mungen, und wie weit jede sich erstrecket, nicht
so angegeben sind, daß die Ausmessung nach
jeden Dimensionen und Theilen vorgenommen
werden könne.
Denn bis dahin hat man anstatt
mb + nb nur noch M, oder mn, oder m + n etc.
(§. 454.). Es ist demnach in einem viel nachdrück-
lichern Verstande wahr, wenn Wolf die mathema-
tische Erkenntniß über die historische und philosophi-
sche hinaus setzet. Denn die Philosophische hat noth-
wendig noch Verwirrung, wenn sie nicht jede Be-
stimmungen, die ein Mathematiker, als Dimensio-
nen zu gebrauchen hat, entwickelt, und ausführlich
aus einander setzet. Die philosophische Erkennt-
niß wird demnach bey der mathematischen
nicht nur vorausgesetzt, sondern diese dienet
gleichsam zur Prüfung, wie fern jene richtig
und vollständig ist, und in der Naturlehre
dienet sie nicht selten, dem Philosophen anzu-
zeigen, welche einfache Bestimmungen er auf-
zusuchen habe, weil man diese, als Dimensio-
nen betrachtet, leichter finden kann.
Die Lehre
von der Schwere der Körper mag zum Beyspiele die-
nen. Der Philosoph weiß kaum, was er zum Be-
hufe ihrer Theorie zu suchen hat. Der Mathemati-
ker hingegen vergleichet den im Fallen durchlaufenen
Raum mit der Zeit und Geschwindigkeit, und findet
die Verhältnisse zwischen diesen drey Dimensionen
einerley und in freyem Raume von der Größe und
dem Gewichte der Körper unabhängig, und dadurch

zeiget

Verhaͤltniſſe.
meſſung zuruͤcke, und man kann daher richtig den
Schluß machen, daß ſo ſchoͤn ein Syſtem von me-
taphyſiſchen Definitionen zu ſeyn ſcheint, noch
nothwendig Vermiſchung und Verwirrung
darinn ſeyn muͤſſe, wenn die einfachen Beſtim-
mungen, und wie weit jede ſich erſtrecket, nicht
ſo angegeben ſind, daß die Ausmeſſung nach
jeden Dimenſionen und Theilen vorgenommen
werden koͤnne.
Denn bis dahin hat man anſtatt
mb + nβ nur noch M, oder mn, oder m + n ꝛc.
(§. 454.). Es iſt demnach in einem viel nachdruͤck-
lichern Verſtande wahr, wenn Wolf die mathema-
tiſche Erkenntniß uͤber die hiſtoriſche und philoſophi-
ſche hinaus ſetzet. Denn die Philoſophiſche hat noth-
wendig noch Verwirrung, wenn ſie nicht jede Be-
ſtimmungen, die ein Mathematiker, als Dimenſio-
nen zu gebrauchen hat, entwickelt, und ausfuͤhrlich
aus einander ſetzet. Die philoſophiſche Erkennt-
niß wird demnach bey der mathematiſchen
nicht nur vorausgeſetzt, ſondern dieſe dienet
gleichſam zur Pruͤfung, wie fern jene richtig
und vollſtaͤndig iſt, und in der Naturlehre
dienet ſie nicht ſelten, dem Philoſophen anzu-
zeigen, welche einfache Beſtimmungen er auf-
zuſuchen habe, weil man dieſe, als Dimenſio-
nen betrachtet, leichter finden kann.
Die Lehre
von der Schwere der Koͤrper mag zum Beyſpiele die-
nen. Der Philoſoph weiß kaum, was er zum Be-
hufe ihrer Theorie zu ſuchen hat. Der Mathemati-
ker hingegen vergleichet den im Fallen durchlaufenen
Raum mit der Zeit und Geſchwindigkeit, und findet
die Verhaͤltniſſe zwiſchen dieſen drey Dimenſionen
einerley und in freyem Raume von der Groͤße und
dem Gewichte der Koͤrper unabhaͤngig, und dadurch

zeiget
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0085" n="77"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e.</hi></fw><lb/>
me&#x017F;&#x017F;ung zuru&#x0364;cke, und man kann daher richtig den<lb/>
Schluß machen, <hi rendition="#fr">daß &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n ein Sy&#x017F;tem von me-<lb/>
taphy&#x017F;i&#x017F;chen Definitionen zu &#x017F;eyn &#x017F;cheint, noch<lb/>
nothwendig Vermi&#x017F;chung und Verwirrung<lb/>
darinn &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, wenn die einfachen Be&#x017F;tim-<lb/>
mungen, und wie weit jede &#x017F;ich er&#x017F;trecket, nicht<lb/>
&#x017F;o angegeben &#x017F;ind, daß die Ausme&#x017F;&#x017F;ung nach<lb/>
jeden Dimen&#x017F;ionen und Theilen vorgenommen<lb/>
werden ko&#x0364;nne.</hi> Denn bis dahin hat man an&#x017F;tatt<lb/><hi rendition="#aq">mb + n&#x03B2;</hi> nur noch <hi rendition="#aq">M,</hi> oder <hi rendition="#aq">mn,</hi> oder <hi rendition="#aq">m + n</hi> &#xA75B;c.<lb/>
(§. 454.). Es i&#x017F;t demnach in einem viel nachdru&#x0364;ck-<lb/>
lichern Ver&#x017F;tande wahr, wenn <hi rendition="#fr">Wolf</hi> die mathema-<lb/>
ti&#x017F;che Erkenntniß u&#x0364;ber die hi&#x017F;tori&#x017F;che und philo&#x017F;ophi-<lb/>
&#x017F;che hinaus &#x017F;etzet. Denn die Philo&#x017F;ophi&#x017F;che hat noth-<lb/>
wendig noch Verwirrung, wenn &#x017F;ie nicht jede Be-<lb/>
&#x017F;timmungen, die ein Mathematiker, als Dimen&#x017F;io-<lb/>
nen zu gebrauchen hat, entwickelt, und ausfu&#x0364;hrlich<lb/>
aus einander &#x017F;etzet. <hi rendition="#fr">Die philo&#x017F;ophi&#x017F;che Erkennt-<lb/>
niß wird demnach bey der mathemati&#x017F;chen<lb/>
nicht nur vorausge&#x017F;etzt, &#x017F;ondern die&#x017F;e dienet<lb/>
gleich&#x017F;am zur Pru&#x0364;fung, wie fern jene richtig<lb/>
und voll&#x017F;ta&#x0364;ndig i&#x017F;t, und in der Naturlehre<lb/>
dienet &#x017F;ie nicht &#x017F;elten, dem Philo&#x017F;ophen anzu-<lb/>
zeigen, welche einfache Be&#x017F;timmungen er auf-<lb/>
zu&#x017F;uchen habe, weil man die&#x017F;e, als Dimen&#x017F;io-<lb/>
nen betrachtet, leichter finden kann.</hi> Die Lehre<lb/>
von der Schwere der Ko&#x0364;rper mag zum Bey&#x017F;piele die-<lb/>
nen. Der Philo&#x017F;oph weiß kaum, was er zum Be-<lb/>
hufe ihrer Theorie zu &#x017F;uchen hat. Der Mathemati-<lb/>
ker hingegen vergleichet den im Fallen durchlaufenen<lb/>
Raum mit der Zeit und Ge&#x017F;chwindigkeit, und findet<lb/>
die Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e zwi&#x017F;chen die&#x017F;en drey Dimen&#x017F;ionen<lb/>
einerley und in freyem Raume von der Gro&#x0364;ße und<lb/>
dem Gewichte der Ko&#x0364;rper unabha&#x0364;ngig, und dadurch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zeiget</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0085] Verhaͤltniſſe. meſſung zuruͤcke, und man kann daher richtig den Schluß machen, daß ſo ſchoͤn ein Syſtem von me- taphyſiſchen Definitionen zu ſeyn ſcheint, noch nothwendig Vermiſchung und Verwirrung darinn ſeyn muͤſſe, wenn die einfachen Beſtim- mungen, und wie weit jede ſich erſtrecket, nicht ſo angegeben ſind, daß die Ausmeſſung nach jeden Dimenſionen und Theilen vorgenommen werden koͤnne. Denn bis dahin hat man anſtatt mb + nβ nur noch M, oder mn, oder m + n ꝛc. (§. 454.). Es iſt demnach in einem viel nachdruͤck- lichern Verſtande wahr, wenn Wolf die mathema- tiſche Erkenntniß uͤber die hiſtoriſche und philoſophi- ſche hinaus ſetzet. Denn die Philoſophiſche hat noth- wendig noch Verwirrung, wenn ſie nicht jede Be- ſtimmungen, die ein Mathematiker, als Dimenſio- nen zu gebrauchen hat, entwickelt, und ausfuͤhrlich aus einander ſetzet. Die philoſophiſche Erkennt- niß wird demnach bey der mathematiſchen nicht nur vorausgeſetzt, ſondern dieſe dienet gleichſam zur Pruͤfung, wie fern jene richtig und vollſtaͤndig iſt, und in der Naturlehre dienet ſie nicht ſelten, dem Philoſophen anzu- zeigen, welche einfache Beſtimmungen er auf- zuſuchen habe, weil man dieſe, als Dimenſio- nen betrachtet, leichter finden kann. Die Lehre von der Schwere der Koͤrper mag zum Beyſpiele die- nen. Der Philoſoph weiß kaum, was er zum Be- hufe ihrer Theorie zu ſuchen hat. Der Mathemati- ker hingegen vergleichet den im Fallen durchlaufenen Raum mit der Zeit und Geſchwindigkeit, und findet die Verhaͤltniſſe zwiſchen dieſen drey Dimenſionen einerley und in freyem Raume von der Groͤße und dem Gewichte der Koͤrper unabhaͤngig, und dadurch zeiget

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/85
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/85>, abgerufen am 28.03.2024.