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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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von den Aufgaben.
ten Figur oder in Barbara sey, so ist hier die Dis-
junction in allewege übel getroffen, weil sie alle vier
Figuren anzeigen sollte. Würde sie aber nur die
Schlußarten der ersten Figur angeben, so könnte es
wiederum seyn, daß die Frage gar nicht vorkäme,
oder durchaus geändert werden müßte, so oft nämlich
der Schluß in einer der drey andern Figuren wäre.

§. 430.

Man sieht demnach hieraus, daß bey jeder Frage
gleich anfangs einige Fragen vorkommen und erörtert
seyn müssen, ehe man die Beantwortung derselben
vornehmen kann. Nun ist zwar in vielen Fällen diese
Weitläuftigkeit nicht nothwendig; so oft nämlich
das, was eine Frage voraus setzt, vor sich klar ist,
und keiner fernern Untersuchung bedarf. Hingegen
kömmt es eben auch nicht selten vor, daß man die Be-
dingungen der Möglichkeit einer Frage zu geschwinde
als richtig und vollständig annimmt, da man in der
That noch keinen Beweis davon hat, und mit gutem
Fuge zweifeln kann, ob die Frage nicht ganz wegfalle,
wie es den meisten astrologischen ergangen, und wie
auch dermalen noch in der Naturlehre mit den Hy-
pothesen, auch alle Fragen, so man über dieselben ma-
chen kann, wegfallen, so bald die Hypothesen umge-
stoßen werden. Auf eine ähnliche Art sieht man öfters
ohne Beweis eine Frage für richtig und vollständig
an, darinn noch eine Lücke bleibt. Z. E. Wenn man
fragt, ob sich die Erde oder die Sonne bewege, so
mangelt dieser Frage allerdings noch der Zusatz, ob
sich nicht beyde bewegen, und Zeno, der alle Bewe-
gung läugnete, würde noch beyfügen, ob nicht keines
von diesen dreyen sey?

§. 431.
S 4

von den Aufgaben.
ten Figur oder in Barbara ſey, ſo iſt hier die Dis-
junction in allewege uͤbel getroffen, weil ſie alle vier
Figuren anzeigen ſollte. Wuͤrde ſie aber nur die
Schlußarten der erſten Figur angeben, ſo koͤnnte es
wiederum ſeyn, daß die Frage gar nicht vorkaͤme,
oder durchaus geaͤndert werden muͤßte, ſo oft naͤmlich
der Schluß in einer der drey andern Figuren waͤre.

§. 430.

Man ſieht demnach hieraus, daß bey jeder Frage
gleich anfangs einige Fragen vorkommen und eroͤrtert
ſeyn muͤſſen, ehe man die Beantwortung derſelben
vornehmen kann. Nun iſt zwar in vielen Faͤllen dieſe
Weitlaͤuftigkeit nicht nothwendig; ſo oft naͤmlich
das, was eine Frage voraus ſetzt, vor ſich klar iſt,
und keiner fernern Unterſuchung bedarf. Hingegen
koͤmmt es eben auch nicht ſelten vor, daß man die Be-
dingungen der Moͤglichkeit einer Frage zu geſchwinde
als richtig und vollſtaͤndig annimmt, da man in der
That noch keinen Beweis davon hat, und mit gutem
Fuge zweifeln kann, ob die Frage nicht ganz wegfalle,
wie es den meiſten aſtrologiſchen ergangen, und wie
auch dermalen noch in der Naturlehre mit den Hy-
potheſen, auch alle Fragen, ſo man uͤber dieſelben ma-
chen kann, wegfallen, ſo bald die Hypotheſen umge-
ſtoßen werden. Auf eine aͤhnliche Art ſieht man oͤfters
ohne Beweis eine Frage fuͤr richtig und vollſtaͤndig
an, darinn noch eine Luͤcke bleibt. Z. E. Wenn man
fragt, ob ſich die Erde oder die Sonne bewege, ſo
mangelt dieſer Frage allerdings noch der Zuſatz, ob
ſich nicht beyde bewegen, und Zeno, der alle Bewe-
gung laͤugnete, wuͤrde noch beyfuͤgen, ob nicht keines
von dieſen dreyen ſey?

§. 431.
S 4
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[279/0301] von den Aufgaben. ten Figur oder in Barbara ſey, ſo iſt hier die Dis- junction in allewege uͤbel getroffen, weil ſie alle vier Figuren anzeigen ſollte. Wuͤrde ſie aber nur die Schlußarten der erſten Figur angeben, ſo koͤnnte es wiederum ſeyn, daß die Frage gar nicht vorkaͤme, oder durchaus geaͤndert werden muͤßte, ſo oft naͤmlich der Schluß in einer der drey andern Figuren waͤre. §. 430. Man ſieht demnach hieraus, daß bey jeder Frage gleich anfangs einige Fragen vorkommen und eroͤrtert ſeyn muͤſſen, ehe man die Beantwortung derſelben vornehmen kann. Nun iſt zwar in vielen Faͤllen dieſe Weitlaͤuftigkeit nicht nothwendig; ſo oft naͤmlich das, was eine Frage voraus ſetzt, vor ſich klar iſt, und keiner fernern Unterſuchung bedarf. Hingegen koͤmmt es eben auch nicht ſelten vor, daß man die Be- dingungen der Moͤglichkeit einer Frage zu geſchwinde als richtig und vollſtaͤndig annimmt, da man in der That noch keinen Beweis davon hat, und mit gutem Fuge zweifeln kann, ob die Frage nicht ganz wegfalle, wie es den meiſten aſtrologiſchen ergangen, und wie auch dermalen noch in der Naturlehre mit den Hy- potheſen, auch alle Fragen, ſo man uͤber dieſelben ma- chen kann, wegfallen, ſo bald die Hypotheſen umge- ſtoßen werden. Auf eine aͤhnliche Art ſieht man oͤfters ohne Beweis eine Frage fuͤr richtig und vollſtaͤndig an, darinn noch eine Luͤcke bleibt. Z. E. Wenn man fragt, ob ſich die Erde oder die Sonne bewege, ſo mangelt dieſer Frage allerdings noch der Zuſatz, ob ſich nicht beyde bewegen, und Zeno, der alle Bewe- gung laͤugnete, wuͤrde noch beyfuͤgen, ob nicht keines von dieſen dreyen ſey? §. 431. S 4

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/301>, abgerufen am 28.03.2024.