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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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oder für sich gedenkbaren Begriffen.
so haben wir auch (§. 620. l. c.) angezeigt, wie sich
solche Dissonanzen durch eine dazu dienende Uebung
leichter und geschwinder bemerken lassen. Und da
wir in der Alethiologie die Harmonie der Wahrheiten
deutlicher zu entwickeln suchen werden, so wird auch
dieses dazu nützliche Dienste thun. (§. cit.)

§. 3.

Jndessen sind diese Mittel eben noch nicht die, so
wir eigentlich zu suchen haben. Denn einmal, wenn
man auch findet, daß in einem Begriffe etwas Wi-
dersprechendes war; so findet man zwar, daß er nicht
angehe. Damit haben wir aber die, so wirklich an-
gehen, noch nicht, und diese sind dadurch auch noch
nicht kenntlich gemacht. Sodann, wenn auch durch
eine schickliche Aenderung in der Zusammensetzung
des Begriffes der bemerkte Widerspruch kann gehoben
werden, so wird dadurch noch nicht ausgemacht, ob
keine mehr zurück bleiben, oder ob wir durch die Aen-
derung statt des ersten Widerspruches nicht einen
neuen einführen? Die Hypothesen, wodurch man
in der Naturlehre gesucht hat, den Ursprung der
Quellen und Flüsse zu erklären, ingleichen die vielen
Theorien der Cartesischen Wirbel, mögen als Beyspiele
dienen, daß man öfters, um eine Schwürigkeit zu he-
ben, eine oder mehr neue annimmt, ohne es gleich
einzusehen.

§. 4.

Da sich die Möglichkeit der Widersprüche mit der
Anzahl von Bestimmungen vermehrt, die in einem
Begriffe beysammen sind, so ist unstreitig, daß sie
desto geringer wird, je weniger ein Begriff zusam-
mengesetzt ist, und daß sie bey ganz einfachen Begrif-
fen vollends aufhöre. Wir haben bereits schon (Dia-
noiol. §. 654. seq.) angemerkt, daß zum Widerspre-

chen
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oder fuͤr ſich gedenkbaren Begriffen.
ſo haben wir auch (§. 620. l. c.) angezeigt, wie ſich
ſolche Diſſonanzen durch eine dazu dienende Uebung
leichter und geſchwinder bemerken laſſen. Und da
wir in der Alethiologie die Harmonie der Wahrheiten
deutlicher zu entwickeln ſuchen werden, ſo wird auch
dieſes dazu nuͤtzliche Dienſte thun. (§. cit.)

§. 3.

Jndeſſen ſind dieſe Mittel eben noch nicht die, ſo
wir eigentlich zu ſuchen haben. Denn einmal, wenn
man auch findet, daß in einem Begriffe etwas Wi-
derſprechendes war; ſo findet man zwar, daß er nicht
angehe. Damit haben wir aber die, ſo wirklich an-
gehen, noch nicht, und dieſe ſind dadurch auch noch
nicht kenntlich gemacht. Sodann, wenn auch durch
eine ſchickliche Aenderung in der Zuſammenſetzung
des Begriffes der bemerkte Widerſpruch kann gehoben
werden, ſo wird dadurch noch nicht ausgemacht, ob
keine mehr zuruͤck bleiben, oder ob wir durch die Aen-
derung ſtatt des erſten Widerſpruches nicht einen
neuen einfuͤhren? Die Hypotheſen, wodurch man
in der Naturlehre geſucht hat, den Urſprung der
Quellen und Fluͤſſe zu erklaͤren, ingleichen die vielen
Theorien der Carteſiſchen Wirbel, moͤgen als Beyſpiele
dienen, daß man oͤfters, um eine Schwuͤrigkeit zu he-
ben, eine oder mehr neue annimmt, ohne es gleich
einzuſehen.

§. 4.

Da ſich die Moͤglichkeit der Widerſpruͤche mit der
Anzahl von Beſtimmungen vermehrt, die in einem
Begriffe beyſammen ſind, ſo iſt unſtreitig, daß ſie
deſto geringer wird, je weniger ein Begriff zuſam-
mengeſetzt iſt, und daß ſie bey ganz einfachen Begrif-
fen vollends aufhoͤre. Wir haben bereits ſchon (Dia-
noiol. §. 654. ſeq.) angemerkt, daß zum Widerſpre-

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[455/0477] oder fuͤr ſich gedenkbaren Begriffen. ſo haben wir auch (§. 620. l. c.) angezeigt, wie ſich ſolche Diſſonanzen durch eine dazu dienende Uebung leichter und geſchwinder bemerken laſſen. Und da wir in der Alethiologie die Harmonie der Wahrheiten deutlicher zu entwickeln ſuchen werden, ſo wird auch dieſes dazu nuͤtzliche Dienſte thun. (§. cit.) §. 3. Jndeſſen ſind dieſe Mittel eben noch nicht die, ſo wir eigentlich zu ſuchen haben. Denn einmal, wenn man auch findet, daß in einem Begriffe etwas Wi- derſprechendes war; ſo findet man zwar, daß er nicht angehe. Damit haben wir aber die, ſo wirklich an- gehen, noch nicht, und dieſe ſind dadurch auch noch nicht kenntlich gemacht. Sodann, wenn auch durch eine ſchickliche Aenderung in der Zuſammenſetzung des Begriffes der bemerkte Widerſpruch kann gehoben werden, ſo wird dadurch noch nicht ausgemacht, ob keine mehr zuruͤck bleiben, oder ob wir durch die Aen- derung ſtatt des erſten Widerſpruches nicht einen neuen einfuͤhren? Die Hypotheſen, wodurch man in der Naturlehre geſucht hat, den Urſprung der Quellen und Fluͤſſe zu erklaͤren, ingleichen die vielen Theorien der Carteſiſchen Wirbel, moͤgen als Beyſpiele dienen, daß man oͤfters, um eine Schwuͤrigkeit zu he- ben, eine oder mehr neue annimmt, ohne es gleich einzuſehen. §. 4. Da ſich die Moͤglichkeit der Widerſpruͤche mit der Anzahl von Beſtimmungen vermehrt, die in einem Begriffe beyſammen ſind, ſo iſt unſtreitig, daß ſie deſto geringer wird, je weniger ein Begriff zuſam- mengeſetzt iſt, und daß ſie bey ganz einfachen Begrif- fen vollends aufhoͤre. Wir haben bereits ſchon (Dia- noiol. §. 654. ſeq.) angemerkt, daß zum Widerſpre- chen F f 4

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/477>, abgerufen am 23.04.2024.