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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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oder für sich gedenkbaren Begriffen.
oder kleinere Kraft, und folglich die Grade der Kraft,
die wir anwenden müssen. Daß bey dem Licht, bey
dem Schall, bey der Wärme, bey dem Schmerzen
etc. Bewegung sey, bringen wir durch Schlüsse her-
aus, und wir haben demnach den Begriff dieser Be-
wegungen mittelbarer Weise dem Gefühl zu danken,
welches uns die ersten Grundbegriffe der Dynamik
giebt, und damit durch alle Veränderungen der Kör-
perwelt reicht.

§. 23.

Den Begriff der Zeit haben wir unmittelbar in
der Succeßion unsrer Empfindungen, Vorstellungen
und Gedanken, und daher auf eine sehr vielfache Art,
mittelbar aber aus verschiedenen Bewegungen, daher
wir uns auch die Zeit als etwas in einem fort und
mit gleicher Geschwindigkeit fließendes vorstellen, wo-
von uns der Umlauf der Gestirne einen natürlichen
Maaßstab giebt, dessen kleinere Anomalien wir durch
Schlüsse bestimmen, und uns z. E. dadurch versi-
chern, daß die 24 Stunden eines Tages nicht
das ganze Jahr durch von gleicher Länge sind. Wir
haben bereits schon angemerkt, (§. 658. Dianoiol.)
daß Zeit, Raum, Bewegung und Geschwindigkeit
mit einander in unmittelbarer Verbindung stehen, und
uns drey Wissenschaften angeben, die im strengern
Verstande a priori sind.

§. 24.

Den Begriff der Existenz haben wir noch unmit-
telbarer aus dem Bewußtseyn, daß wir sind, weil
wir ohne zu seyn kein Bewußtseyn haben können.
Cartesius hatte daher sein: Cogito, ergo fum, zum
ersten Grundsatze angenommen, und eben dieses hat
auch Wolf in seiner deutschen Metaphysik gethan.
Dieser Begriff der Existenz scheint unter allen schlech-

terdings
G g 2

oder fuͤr ſich gedenkbaren Begriffen.
oder kleinere Kraft, und folglich die Grade der Kraft,
die wir anwenden muͤſſen. Daß bey dem Licht, bey
dem Schall, bey der Waͤrme, bey dem Schmerzen
ꝛc. Bewegung ſey, bringen wir durch Schluͤſſe her-
aus, und wir haben demnach den Begriff dieſer Be-
wegungen mittelbarer Weiſe dem Gefuͤhl zu danken,
welches uns die erſten Grundbegriffe der Dynamik
giebt, und damit durch alle Veraͤnderungen der Koͤr-
perwelt reicht.

§. 23.

Den Begriff der Zeit haben wir unmittelbar in
der Succeßion unſrer Empfindungen, Vorſtellungen
und Gedanken, und daher auf eine ſehr vielfache Art,
mittelbar aber aus verſchiedenen Bewegungen, daher
wir uns auch die Zeit als etwas in einem fort und
mit gleicher Geſchwindigkeit fließendes vorſtellen, wo-
von uns der Umlauf der Geſtirne einen natuͤrlichen
Maaßſtab giebt, deſſen kleinere Anomalien wir durch
Schluͤſſe beſtimmen, und uns z. E. dadurch verſi-
chern, daß die 24 Stunden eines Tages nicht
das ganze Jahr durch von gleicher Laͤnge ſind. Wir
haben bereits ſchon angemerkt, (§. 658. Dianoiol.)
daß Zeit, Raum, Bewegung und Geſchwindigkeit
mit einander in unmittelbarer Verbindung ſtehen, und
uns drey Wiſſenſchaften angeben, die im ſtrengern
Verſtande a priori ſind.

§. 24.

Den Begriff der Exiſtenz haben wir noch unmit-
telbarer aus dem Bewußtſeyn, daß wir ſind, weil
wir ohne zu ſeyn kein Bewußtſeyn haben koͤnnen.
Carteſius hatte daher ſein: Cogito, ergo fum, zum
erſten Grundſatze angenommen, und eben dieſes hat
auch Wolf in ſeiner deutſchen Metaphyſik gethan.
Dieſer Begriff der Exiſtenz ſcheint unter allen ſchlech-

terdings
G g 2
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[467/0489] oder fuͤr ſich gedenkbaren Begriffen. oder kleinere Kraft, und folglich die Grade der Kraft, die wir anwenden muͤſſen. Daß bey dem Licht, bey dem Schall, bey der Waͤrme, bey dem Schmerzen ꝛc. Bewegung ſey, bringen wir durch Schluͤſſe her- aus, und wir haben demnach den Begriff dieſer Be- wegungen mittelbarer Weiſe dem Gefuͤhl zu danken, welches uns die erſten Grundbegriffe der Dynamik giebt, und damit durch alle Veraͤnderungen der Koͤr- perwelt reicht. §. 23. Den Begriff der Zeit haben wir unmittelbar in der Succeßion unſrer Empfindungen, Vorſtellungen und Gedanken, und daher auf eine ſehr vielfache Art, mittelbar aber aus verſchiedenen Bewegungen, daher wir uns auch die Zeit als etwas in einem fort und mit gleicher Geſchwindigkeit fließendes vorſtellen, wo- von uns der Umlauf der Geſtirne einen natuͤrlichen Maaßſtab giebt, deſſen kleinere Anomalien wir durch Schluͤſſe beſtimmen, und uns z. E. dadurch verſi- chern, daß die 24 Stunden eines Tages nicht das ganze Jahr durch von gleicher Laͤnge ſind. Wir haben bereits ſchon angemerkt, (§. 658. Dianoiol.) daß Zeit, Raum, Bewegung und Geſchwindigkeit mit einander in unmittelbarer Verbindung ſtehen, und uns drey Wiſſenſchaften angeben, die im ſtrengern Verſtande a priori ſind. §. 24. Den Begriff der Exiſtenz haben wir noch unmit- telbarer aus dem Bewußtſeyn, daß wir ſind, weil wir ohne zu ſeyn kein Bewußtſeyn haben koͤnnen. Carteſius hatte daher ſein: Cogito, ergo fum, zum erſten Grundſatze angenommen, und eben dieſes hat auch Wolf in ſeiner deutſchen Metaphyſik gethan. Dieſer Begriff der Exiſtenz ſcheint unter allen ſchlech- terdings G g 2

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/489>, abgerufen am 28.03.2024.