Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite
oder für sich gedenkbaren Begriffen.
§. 25.

Wie wir von den bewegenden Kräften durch das
Gefühl einen Begriff erlangen, (§. 22.) so haben
wir zu dem Begriffe der Erkenntniß- und Begeh-
rungskräfte
einen noch unmittelbarern Anlaß, weil
gleichsam nichts als das Bewußtseyn dazu erfordert
wird. Wir eignen demnach diese Kräfte überhaupt
den denkenden Wesen zu, und nehmen dabey die
Möglichkeit der Grade in diesen Kräften ohne Schwü-
rigkeit an, weil wir uns dieser Grade in uns selbst
bewußt sind. Ob bey den denkenden Wesen zu diesen
zwoen Arten von Kräften auch noch die Kraft, sich
selbst zu bewegen, und Bewegungen hervorzubringen,
komme, folglich in denselben das vorhin (§. 21.) er-
wähnte Bestreben zur Bewegung sey, läßt sich hier
weder beweisen noch widerlegen, weil die Erfahrung,
daß wir uns bewegen und auch Bewegungen verursa-
chen können, kein einfacher Begriff ist, und auch die
Natur eines denkenden Wesens nicht so unmittelbar
empfunden werden kann, folglich diese Frage durch
Schlüsse erörtert werden muß, zu denen wir hier
kaum noch den ersten Stoff aufsuchen.

§. 26.

Der Begriff der Einheit ist ebenfalls einfach,
und wir haben ihn unmittelbar in dem Wort Jch,
und so auch in der Vorstellung eines jeden Begriffes,
in sofern es ein Begriff ist. Die Wiederholung der
Einheit giebt uns den Begriff der Zahl, welcher der
Gegenstand der Arithmetik, und daher eine Wissen-
schaft a priori ist, weil sie außer dem Begriff der
Möglichkeit dieser Wiederholung weiter kein andres
Postulatum nöthig hat.

§. 27.
G g 3
oder fuͤr ſich gedenkbaren Begriffen.
§. 25.

Wie wir von den bewegenden Kraͤften durch das
Gefuͤhl einen Begriff erlangen, (§. 22.) ſo haben
wir zu dem Begriffe der Erkenntniß- und Begeh-
rungskraͤfte
einen noch unmittelbarern Anlaß, weil
gleichſam nichts als das Bewußtſeyn dazu erfordert
wird. Wir eignen demnach dieſe Kraͤfte uͤberhaupt
den denkenden Weſen zu, und nehmen dabey die
Moͤglichkeit der Grade in dieſen Kraͤften ohne Schwuͤ-
rigkeit an, weil wir uns dieſer Grade in uns ſelbſt
bewußt ſind. Ob bey den denkenden Weſen zu dieſen
zwoen Arten von Kraͤften auch noch die Kraft, ſich
ſelbſt zu bewegen, und Bewegungen hervorzubringen,
komme, folglich in denſelben das vorhin (§. 21.) er-
waͤhnte Beſtreben zur Bewegung ſey, laͤßt ſich hier
weder beweiſen noch widerlegen, weil die Erfahrung,
daß wir uns bewegen und auch Bewegungen verurſa-
chen koͤnnen, kein einfacher Begriff iſt, und auch die
Natur eines denkenden Weſens nicht ſo unmittelbar
empfunden werden kann, folglich dieſe Frage durch
Schluͤſſe eroͤrtert werden muß, zu denen wir hier
kaum noch den erſten Stoff aufſuchen.

§. 26.

Der Begriff der Einheit iſt ebenfalls einfach,
und wir haben ihn unmittelbar in dem Wort Jch,
und ſo auch in der Vorſtellung eines jeden Begriffes,
in ſofern es ein Begriff iſt. Die Wiederholung der
Einheit giebt uns den Begriff der Zahl, welcher der
Gegenſtand der Arithmetik, und daher eine Wiſſen-
ſchaft a priori iſt, weil ſie außer dem Begriff der
Moͤglichkeit dieſer Wiederholung weiter kein andres
Poſtulatum noͤthig hat.

§. 27.
G g 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0491" n="469"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">oder fu&#x0364;r &#x017F;ich gedenkbaren Begriffen.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 25.</head><lb/>
            <p>Wie wir von den bewegenden Kra&#x0364;ften durch das<lb/>
Gefu&#x0364;hl einen Begriff erlangen, (§. 22.) &#x017F;o haben<lb/>
wir zu dem Begriffe der <hi rendition="#fr">Erkenntniß-</hi> und <hi rendition="#fr">Begeh-<lb/>
rungskra&#x0364;fte</hi> einen noch unmittelbarern Anlaß, weil<lb/>
gleich&#x017F;am nichts als das Bewußt&#x017F;eyn dazu erfordert<lb/>
wird. Wir eignen demnach die&#x017F;e Kra&#x0364;fte u&#x0364;berhaupt<lb/>
den denkenden We&#x017F;en zu, und nehmen dabey die<lb/>
Mo&#x0364;glichkeit der Grade in die&#x017F;en Kra&#x0364;ften ohne Schwu&#x0364;-<lb/>
rigkeit an, weil wir uns die&#x017F;er Grade in uns &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
bewußt &#x017F;ind. Ob bey den denkenden We&#x017F;en zu die&#x017F;en<lb/>
zwoen Arten von Kra&#x0364;ften auch noch die Kraft, &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t zu bewegen, und Bewegungen hervorzubringen,<lb/>
komme, folglich in den&#x017F;elben das vorhin (§. 21.) er-<lb/>
wa&#x0364;hnte Be&#x017F;treben zur Bewegung &#x017F;ey, la&#x0364;ßt &#x017F;ich hier<lb/>
weder bewei&#x017F;en noch widerlegen, weil die Erfahrung,<lb/>
daß wir uns bewegen und auch Bewegungen verur&#x017F;a-<lb/>
chen ko&#x0364;nnen, kein einfacher Begriff i&#x017F;t, und auch die<lb/>
Natur eines denkenden We&#x017F;ens nicht &#x017F;o unmittelbar<lb/>
empfunden werden kann, folglich die&#x017F;e Frage durch<lb/>
Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e ero&#x0364;rtert werden muß, zu denen wir hier<lb/>
kaum noch den er&#x017F;ten Stoff auf&#x017F;uchen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 26.</head><lb/>
            <p>Der Begriff der <hi rendition="#fr">Einheit</hi> i&#x017F;t ebenfalls einfach,<lb/>
und wir haben ihn unmittelbar in dem Wort <hi rendition="#fr">Jch,</hi><lb/>
und &#x017F;o auch in der Vor&#x017F;tellung eines jeden Begriffes,<lb/>
in &#x017F;ofern es ein Begriff i&#x017F;t. Die Wiederholung der<lb/>
Einheit giebt uns den Begriff der <hi rendition="#fr">Zahl,</hi> welcher der<lb/>
Gegen&#x017F;tand der Arithmetik, und daher eine Wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaft <hi rendition="#aq">a priori</hi> i&#x017F;t, weil &#x017F;ie außer dem Begriff der<lb/>
Mo&#x0364;glichkeit die&#x017F;er Wiederholung weiter kein andres<lb/><hi rendition="#aq">Po&#x017F;tulatum</hi> no&#x0364;thig hat.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">G g 3</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">§. 27.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[469/0491] oder fuͤr ſich gedenkbaren Begriffen. §. 25. Wie wir von den bewegenden Kraͤften durch das Gefuͤhl einen Begriff erlangen, (§. 22.) ſo haben wir zu dem Begriffe der Erkenntniß- und Begeh- rungskraͤfte einen noch unmittelbarern Anlaß, weil gleichſam nichts als das Bewußtſeyn dazu erfordert wird. Wir eignen demnach dieſe Kraͤfte uͤberhaupt den denkenden Weſen zu, und nehmen dabey die Moͤglichkeit der Grade in dieſen Kraͤften ohne Schwuͤ- rigkeit an, weil wir uns dieſer Grade in uns ſelbſt bewußt ſind. Ob bey den denkenden Weſen zu dieſen zwoen Arten von Kraͤften auch noch die Kraft, ſich ſelbſt zu bewegen, und Bewegungen hervorzubringen, komme, folglich in denſelben das vorhin (§. 21.) er- waͤhnte Beſtreben zur Bewegung ſey, laͤßt ſich hier weder beweiſen noch widerlegen, weil die Erfahrung, daß wir uns bewegen und auch Bewegungen verurſa- chen koͤnnen, kein einfacher Begriff iſt, und auch die Natur eines denkenden Weſens nicht ſo unmittelbar empfunden werden kann, folglich dieſe Frage durch Schluͤſſe eroͤrtert werden muß, zu denen wir hier kaum noch den erſten Stoff aufſuchen. §. 26. Der Begriff der Einheit iſt ebenfalls einfach, und wir haben ihn unmittelbar in dem Wort Jch, und ſo auch in der Vorſtellung eines jeden Begriffes, in ſofern es ein Begriff iſt. Die Wiederholung der Einheit giebt uns den Begriff der Zahl, welcher der Gegenſtand der Arithmetik, und daher eine Wiſſen- ſchaft a priori iſt, weil ſie außer dem Begriff der Moͤglichkeit dieſer Wiederholung weiter kein andres Poſtulatum noͤthig hat. §. 27. G g 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/491
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/491>, abgerufen am 19.04.2024.