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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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IV. Hauptstück,
so sind auch die beyden Sätze nicht bestimmt genug,
um etwas aus ihrer bloßen Form folgern zu können.

§. 204.

Dieses letztere nun kömmt in verschiedenen Fällen
auf eine sehr allgemeine Art vor. Und zwar erstlich
läßt sich nichts schließen, so oft beyde Prämis-
sen verneinend sind.
Denn das Verneinen fordert,
daß man die Linien, so die Begriffe eines Satzes vor-
stellen, nicht unter einander setzen solle. (§. 183. 185.)
Setzt man demnach die Linien des einen Satzes neben
einander, so ist eine Linie des andern Satzes schon
gesetzt. Da dieser nun auch verneinend seyn soll, so
muß seine andre Linie nicht unter die bereits gezeich-
nete Linie des gemeinsamen Gliedes kommen. Der
Satz aber giebt nicht an, ob sie ganz oder zum Theil
unter die andre schon gezeichnete Linie des andern
Begriffes kommen solle oder nicht. Z. E. die Sätze
seyn

Kein M ist P
Kein S ist M.

Man zeichne den ersten,
[Abbildung] so ist die Linie M für den zweyten schon gezeichnet.
Unter diese soll nun die Linie S nicht gezeichnet wer-
den. Dieses fordert das Verneinen des zweyten Sa-
tzes. Ob sie aber vor oder nach, zwischen M und P,
oder unter P etc. gesetzt werden solle, dieses giebt der
Satz nicht an. Da nun die Zeichnung unbestimmt
bleibt, so läßt sich aus zweyen verneinenden Sätzen
kein Schluß ziehen.

§. 205.

Eben so folgt auch aus zweyen Particular-
sätzen kein Schluß?
Denn, weil in beyden die
Linie, so das Subject vorstellt, ganz unbestimmt bleibt,

und

IV. Hauptſtuͤck,
ſo ſind auch die beyden Saͤtze nicht beſtimmt genug,
um etwas aus ihrer bloßen Form folgern zu koͤnnen.

§. 204.

Dieſes letztere nun koͤmmt in verſchiedenen Faͤllen
auf eine ſehr allgemeine Art vor. Und zwar erſtlich
laͤßt ſich nichts ſchließen, ſo oft beyde Praͤmiſ-
ſen verneinend ſind.
Denn das Verneinen fordert,
daß man die Linien, ſo die Begriffe eines Satzes vor-
ſtellen, nicht unter einander ſetzen ſolle. (§. 183. 185.)
Setzt man demnach die Linien des einen Satzes neben
einander, ſo iſt eine Linie des andern Satzes ſchon
geſetzt. Da dieſer nun auch verneinend ſeyn ſoll, ſo
muß ſeine andre Linie nicht unter die bereits gezeich-
nete Linie des gemeinſamen Gliedes kommen. Der
Satz aber giebt nicht an, ob ſie ganz oder zum Theil
unter die andre ſchon gezeichnete Linie des andern
Begriffes kommen ſolle oder nicht. Z. E. die Saͤtze
ſeyn

Kein M iſt P
Kein S iſt M.

Man zeichne den erſten,
[Abbildung] ſo iſt die Linie M fuͤr den zweyten ſchon gezeichnet.
Unter dieſe ſoll nun die Linie S nicht gezeichnet wer-
den. Dieſes fordert das Verneinen des zweyten Sa-
tzes. Ob ſie aber vor oder nach, zwiſchen M und P,
oder unter P ꝛc. geſetzt werden ſolle, dieſes giebt der
Satz nicht an. Da nun die Zeichnung unbeſtimmt
bleibt, ſo laͤßt ſich aus zweyen verneinenden Saͤtzen
kein Schluß ziehen.

§. 205.

Eben ſo folgt auch aus zweyen Particular-
ſaͤtzen kein Schluß?
Denn, weil in beyden die
Linie, ſo das Subject vorſtellt, ganz unbeſtimmt bleibt,

und
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[126/0148] IV. Hauptſtuͤck, ſo ſind auch die beyden Saͤtze nicht beſtimmt genug, um etwas aus ihrer bloßen Form folgern zu koͤnnen. §. 204. Dieſes letztere nun koͤmmt in verſchiedenen Faͤllen auf eine ſehr allgemeine Art vor. Und zwar erſtlich laͤßt ſich nichts ſchließen, ſo oft beyde Praͤmiſ- ſen verneinend ſind. Denn das Verneinen fordert, daß man die Linien, ſo die Begriffe eines Satzes vor- ſtellen, nicht unter einander ſetzen ſolle. (§. 183. 185.) Setzt man demnach die Linien des einen Satzes neben einander, ſo iſt eine Linie des andern Satzes ſchon geſetzt. Da dieſer nun auch verneinend ſeyn ſoll, ſo muß ſeine andre Linie nicht unter die bereits gezeich- nete Linie des gemeinſamen Gliedes kommen. Der Satz aber giebt nicht an, ob ſie ganz oder zum Theil unter die andre ſchon gezeichnete Linie des andern Begriffes kommen ſolle oder nicht. Z. E. die Saͤtze ſeyn Kein M iſt P Kein S iſt M. Man zeichne den erſten, [Abbildung] ſo iſt die Linie M fuͤr den zweyten ſchon gezeichnet. Unter dieſe ſoll nun die Linie S nicht gezeichnet wer- den. Dieſes fordert das Verneinen des zweyten Sa- tzes. Ob ſie aber vor oder nach, zwiſchen M und P, oder unter P ꝛc. geſetzt werden ſolle, dieſes giebt der Satz nicht an. Da nun die Zeichnung unbeſtimmt bleibt, ſo laͤßt ſich aus zweyen verneinenden Saͤtzen kein Schluß ziehen. §. 205. Eben ſo folgt auch aus zweyen Particular- ſaͤtzen kein Schluß? Denn, weil in beyden die Linie, ſo das Subject vorſtellt, ganz unbeſtimmt bleibt, und

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/148>, abgerufen am 28.03.2024.