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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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von den Begriffen und Erklärungen.
daß man sich dieselbe noch nicht recht vorstel-
len könne.
So z. E. muß sich ein Redner die Seite
der Sache erst recht aufklären, die er vorzustellen hat,
damit sie bey den Zuhörern den rechten Eindruck ma-
che. So hat man auch von allen den Wörtern noch
dunkele Begriffe, von denen man noch nicht weis, wie
weit sich ihre Bedeutung erstrecket.

§. 9.

Wir haben einen klaren Begriff, wenn wir die
Sache wieder erkennen können. Es giebt immer an
der Sache etwas, woran wir sie erkennen, und von
jeden andern Sachen unterscheiden. Und dieses wird
das Merkmaal, oder wenn es mehrere Stücke sind,
die Merkmaale genannt; können wir uns diese jedes
besonders und in ihrer Verbindung vorstellen, oder sie
einem andern mit Worten herzählen, so ist der Begriff
dieser Merkmaale ebenfalls klar, und der Begriff von
der Sache selbst wird in diesem Fall deutlich genennt.
Die Deutlichkeit beruht demnach auf der Klarheit
der Merkmaale der Sache. Man kann ihre Theile
oder Merkmaale gleichsam auslesen und herzählen.
Wir können diese Redensarten durch ein Gleichniß
erläutern, daher sie genommen sind. Wenn ein Fernrohr
recht ausgezogen ist, das ist, wenn die Gläser desselben
ihren behörigen Abstand von einander haben, so stellt
es die Sache, so man dadurch betrachtet, deutlich
vor. Man kann nämlich jede Theile derselben genau
sehen und erkennen, und der Begriff davon, den
wir in diesem Fall durch die Empfindung erlangen,
wird ebenfalls deutlich. Verrücket man aber die Lage
der Gläser, so scheint die Sache undeutlich, weil sich
ihre Theile in einander vermengen, und man keines
besonders erkennen kann.

§. 10.
A 4

von den Begriffen und Erklaͤrungen.
daß man ſich dieſelbe noch nicht recht vorſtel-
len koͤnne.
So z. E. muß ſich ein Redner die Seite
der Sache erſt recht aufklaͤren, die er vorzuſtellen hat,
damit ſie bey den Zuhoͤrern den rechten Eindruck ma-
che. So hat man auch von allen den Woͤrtern noch
dunkele Begriffe, von denen man noch nicht weis, wie
weit ſich ihre Bedeutung erſtrecket.

§. 9.

Wir haben einen klaren Begriff, wenn wir die
Sache wieder erkennen koͤnnen. Es giebt immer an
der Sache etwas, woran wir ſie erkennen, und von
jeden andern Sachen unterſcheiden. Und dieſes wird
das Merkmaal, oder wenn es mehrere Stuͤcke ſind,
die Merkmaale genannt; koͤnnen wir uns dieſe jedes
beſonders und in ihrer Verbindung vorſtellen, oder ſie
einem andern mit Worten herzaͤhlen, ſo iſt der Begriff
dieſer Merkmaale ebenfalls klar, und der Begriff von
der Sache ſelbſt wird in dieſem Fall deutlich genennt.
Die Deutlichkeit beruht demnach auf der Klarheit
der Merkmaale der Sache. Man kann ihre Theile
oder Merkmaale gleichſam ausleſen und herzaͤhlen.
Wir koͤnnen dieſe Redensarten durch ein Gleichniß
erlaͤutern, daher ſie genommen ſind. Wenn ein Fernrohr
recht ausgezogen iſt, das iſt, wenn die Glaͤſer deſſelben
ihren behoͤrigen Abſtand von einander haben, ſo ſtellt
es die Sache, ſo man dadurch betrachtet, deutlich
vor. Man kann naͤmlich jede Theile derſelben genau
ſehen und erkennen, und der Begriff davon, den
wir in dieſem Fall durch die Empfindung erlangen,
wird ebenfalls deutlich. Verruͤcket man aber die Lage
der Glaͤſer, ſo ſcheint die Sache undeutlich, weil ſich
ihre Theile in einander vermengen, und man keines
beſonders erkennen kann.

§. 10.
A 4
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[7/0029] von den Begriffen und Erklaͤrungen. daß man ſich dieſelbe noch nicht recht vorſtel- len koͤnne. So z. E. muß ſich ein Redner die Seite der Sache erſt recht aufklaͤren, die er vorzuſtellen hat, damit ſie bey den Zuhoͤrern den rechten Eindruck ma- che. So hat man auch von allen den Woͤrtern noch dunkele Begriffe, von denen man noch nicht weis, wie weit ſich ihre Bedeutung erſtrecket. §. 9. Wir haben einen klaren Begriff, wenn wir die Sache wieder erkennen koͤnnen. Es giebt immer an der Sache etwas, woran wir ſie erkennen, und von jeden andern Sachen unterſcheiden. Und dieſes wird das Merkmaal, oder wenn es mehrere Stuͤcke ſind, die Merkmaale genannt; koͤnnen wir uns dieſe jedes beſonders und in ihrer Verbindung vorſtellen, oder ſie einem andern mit Worten herzaͤhlen, ſo iſt der Begriff dieſer Merkmaale ebenfalls klar, und der Begriff von der Sache ſelbſt wird in dieſem Fall deutlich genennt. Die Deutlichkeit beruht demnach auf der Klarheit der Merkmaale der Sache. Man kann ihre Theile oder Merkmaale gleichſam ausleſen und herzaͤhlen. Wir koͤnnen dieſe Redensarten durch ein Gleichniß erlaͤutern, daher ſie genommen ſind. Wenn ein Fernrohr recht ausgezogen iſt, das iſt, wenn die Glaͤſer deſſelben ihren behoͤrigen Abſtand von einander haben, ſo ſtellt es die Sache, ſo man dadurch betrachtet, deutlich vor. Man kann naͤmlich jede Theile derſelben genau ſehen und erkennen, und der Begriff davon, den wir in dieſem Fall durch die Empfindung erlangen, wird ebenfalls deutlich. Verruͤcket man aber die Lage der Glaͤſer, ſo ſcheint die Sache undeutlich, weil ſich ihre Theile in einander vermengen, und man keines beſonders erkennen kann. §. 10. A 4

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/29>, abgerufen am 28.03.2024.