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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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I. Hauptstück,
§. 10.

Wenn die Merkmaale, durch deren klare Vorstel-
lung uns eine Sache deutlich wird, an sich einfach
sind, oder wenn wir es dabey bewenden lassen, daß
wir sie uns klar vorstellen, so bleibt der Begriff
schlechthin deutlich. Sehen wir aber genauer nach,
wodurch sich die Merkmaale zu erkennen geben, und
von einander unterscheiden, so finden wir, daß sie auch
wiederum ihre Merkmaale haben. Die klare Vorstel-
lung von diesen macht den Begriff von jenen deutlich,
und der Begriff der Sache selbst wird dadurch aus-
führlich.
Demnach ist ein ausführlicher Begriff
eine deutliche Vorstellung der Merkmaale einer Sache.
Das Verfahren, wodurch ein Begriff ausführlich
gemacht wird, heißt die Entwickelung eines Be-
griffes,
und es ist klar, daß es dabey stuffenweise
weiter gehen kann, je nachdem man in den Merkmaalen,
die man in der Sache findet, neue Merkmaale zu ent-
decken sucht. Das Gleichniß, so wir §. 5. von den
Fernröhren gegeben, mag auch hier zur Erläuterung
dienen.

§. 11.

Wenn wir von den Merkmaalen einer Sache so
viel kennen, daß sie zureichen, die Sache davon jedes-
mal wieder zu erkennen, so ist der Begriff vollstän-
dig.
Er ist es im höchsten Grade, wenn wir uns
alle und jede Merkmaale dabey vorstellen können.
Sind aber die Merkmaale nicht zureichend, so ist der
Begriff mehr oder minder unvollständig, und es
bleibt in der Erkenntniß der Sache eine Lücke.

§. 12.

Die Merkmaale, wodurch uns der Begriff einer
Sache deutlich wird, sind entweder in der Sache selbst,
oder wir finden sie in der Vergleichung mit andern

Sachen.
I. Hauptſtuͤck,
§. 10.

Wenn die Merkmaale, durch deren klare Vorſtel-
lung uns eine Sache deutlich wird, an ſich einfach
ſind, oder wenn wir es dabey bewenden laſſen, daß
wir ſie uns klar vorſtellen, ſo bleibt der Begriff
ſchlechthin deutlich. Sehen wir aber genauer nach,
wodurch ſich die Merkmaale zu erkennen geben, und
von einander unterſcheiden, ſo finden wir, daß ſie auch
wiederum ihre Merkmaale haben. Die klare Vorſtel-
lung von dieſen macht den Begriff von jenen deutlich,
und der Begriff der Sache ſelbſt wird dadurch aus-
fuͤhrlich.
Demnach iſt ein ausfuͤhrlicher Begriff
eine deutliche Vorſtellung der Merkmaale einer Sache.
Das Verfahren, wodurch ein Begriff ausfuͤhrlich
gemacht wird, heißt die Entwickelung eines Be-
griffes,
und es iſt klar, daß es dabey ſtuffenweiſe
weiter gehen kann, je nachdem man in den Merkmaalen,
die man in der Sache findet, neue Merkmaale zu ent-
decken ſucht. Das Gleichniß, ſo wir §. 5. von den
Fernroͤhren gegeben, mag auch hier zur Erlaͤuterung
dienen.

§. 11.

Wenn wir von den Merkmaalen einer Sache ſo
viel kennen, daß ſie zureichen, die Sache davon jedes-
mal wieder zu erkennen, ſo iſt der Begriff vollſtaͤn-
dig.
Er iſt es im hoͤchſten Grade, wenn wir uns
alle und jede Merkmaale dabey vorſtellen koͤnnen.
Sind aber die Merkmaale nicht zureichend, ſo iſt der
Begriff mehr oder minder unvollſtaͤndig, und es
bleibt in der Erkenntniß der Sache eine Luͤcke.

§. 12.

Die Merkmaale, wodurch uns der Begriff einer
Sache deutlich wird, ſind entweder in der Sache ſelbſt,
oder wir finden ſie in der Vergleichung mit andern

Sachen.
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[8/0030] I. Hauptſtuͤck, §. 10. Wenn die Merkmaale, durch deren klare Vorſtel- lung uns eine Sache deutlich wird, an ſich einfach ſind, oder wenn wir es dabey bewenden laſſen, daß wir ſie uns klar vorſtellen, ſo bleibt der Begriff ſchlechthin deutlich. Sehen wir aber genauer nach, wodurch ſich die Merkmaale zu erkennen geben, und von einander unterſcheiden, ſo finden wir, daß ſie auch wiederum ihre Merkmaale haben. Die klare Vorſtel- lung von dieſen macht den Begriff von jenen deutlich, und der Begriff der Sache ſelbſt wird dadurch aus- fuͤhrlich. Demnach iſt ein ausfuͤhrlicher Begriff eine deutliche Vorſtellung der Merkmaale einer Sache. Das Verfahren, wodurch ein Begriff ausfuͤhrlich gemacht wird, heißt die Entwickelung eines Be- griffes, und es iſt klar, daß es dabey ſtuffenweiſe weiter gehen kann, je nachdem man in den Merkmaalen, die man in der Sache findet, neue Merkmaale zu ent- decken ſucht. Das Gleichniß, ſo wir §. 5. von den Fernroͤhren gegeben, mag auch hier zur Erlaͤuterung dienen. §. 11. Wenn wir von den Merkmaalen einer Sache ſo viel kennen, daß ſie zureichen, die Sache davon jedes- mal wieder zu erkennen, ſo iſt der Begriff vollſtaͤn- dig. Er iſt es im hoͤchſten Grade, wenn wir uns alle und jede Merkmaale dabey vorſtellen koͤnnen. Sind aber die Merkmaale nicht zureichend, ſo iſt der Begriff mehr oder minder unvollſtaͤndig, und es bleibt in der Erkenntniß der Sache eine Luͤcke. §. 12. Die Merkmaale, wodurch uns der Begriff einer Sache deutlich wird, ſind entweder in der Sache ſelbſt, oder wir finden ſie in der Vergleichung mit andern Sachen.

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/30>, abgerufen am 18.04.2024.