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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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von der Erfahrung.
disjunctiver Schluß machen. (§. 138. 282.) Der
endlich die Sache herausbringt. Es finden sich aber
bey solcher Abzählung der möglichen Fälle alle die
Schwürigkeiten, die wir im zweyten Hauptstücke
bey den Eintheilungen angemerkt haben. Das leich-
teste Beyspiel giebt die Astronömie, wenn man den
Satz nimmt, daß sich entweder die Erde, oder die
Sonne, oder beyde bewegen. Denn da von diesen
dreyen eines seyn muß, so hat man drey Hypothesen,
von welchen zwo durch die Observationen müssen
umgestoßen, oder die dritte directe daraus erwiesen
werden.

§. 571.

Da man endlich in der Algeber das Gesuchte durch
Buchstaben ausdrückt, und diese durch eine Gleichung
bestimmt, so bleibt das Gesuchte unbestimmt, bis man
die Gleichung gefunden. Man hat aber für die übri-
gen Wissenschaften noch keine solche Rechenkunst, und
die Forderung, daß man das Unbekannte oder das
Gesuchte unbestimmt lassen soll, bis man durch
Schlüße darauf kömmt, ist eben das, was die vorhin
gemachten Anmerkungen (§ 565. 566.) sagen woll-
ten. Will man aber, so wie in der Regel Falsi, et-
was willkührlich oder eine Hypothese annehmen, so
muß man ein Mittel haben, aus dem, was etwann
der Wahrheit zuwider daraus folgt, das irrige in der
angenommenen Hypothese zu verbessern, und zwar
so vollständig, daß sie dadurch ganz richtig wird. Auf
diese Art hat Repler die Planetenbahnen, die Co-
pernicus
circulär setzte, in Ellipsen verwandelt, die
mit den Erfahrungen besser und genauer übereinstim-
men. Das vorhin von Snellio angeführte Beyspiel
gehört ebenfalls hieher. (§. 569.) Und auf gleiche
Art hat Guericke den Satz, daß die Luft flüßig sey,

wie

von der Erfahrung.
disjunctiver Schluß machen. (§. 138. 282.) Der
endlich die Sache herausbringt. Es finden ſich aber
bey ſolcher Abzaͤhlung der moͤglichen Faͤlle alle die
Schwuͤrigkeiten, die wir im zweyten Hauptſtuͤcke
bey den Eintheilungen angemerkt haben. Das leich-
teſte Beyſpiel giebt die Aſtronoͤmie, wenn man den
Satz nimmt, daß ſich entweder die Erde, oder die
Sonne, oder beyde bewegen. Denn da von dieſen
dreyen eines ſeyn muß, ſo hat man drey Hypotheſen,
von welchen zwo durch die Obſervationen muͤſſen
umgeſtoßen, oder die dritte directe daraus erwieſen
werden.

§. 571.

Da man endlich in der Algeber das Geſuchte durch
Buchſtaben ausdruͤckt, und dieſe durch eine Gleichung
beſtimmt, ſo bleibt das Geſuchte unbeſtimmt, bis man
die Gleichung gefunden. Man hat aber fuͤr die uͤbri-
gen Wiſſenſchaften noch keine ſolche Rechenkunſt, und
die Forderung, daß man das Unbekannte oder das
Geſuchte unbeſtimmt laſſen ſoll, bis man durch
Schluͤße darauf koͤmmt, iſt eben das, was die vorhin
gemachten Anmerkungen (§ 565. 566.) ſagen woll-
ten. Will man aber, ſo wie in der Regel Falſi, et-
was willkuͤhrlich oder eine Hypotheſe annehmen, ſo
muß man ein Mittel haben, aus dem, was etwann
der Wahrheit zuwider daraus folgt, das irrige in der
angenommenen Hypotheſe zu verbeſſern, und zwar
ſo vollſtaͤndig, daß ſie dadurch ganz richtig wird. Auf
dieſe Art hat Repler die Planetenbahnen, die Co-
pernicus
circulaͤr ſetzte, in Ellipſen verwandelt, die
mit den Erfahrungen beſſer und genauer uͤbereinſtim-
men. Das vorhin von Snellio angefuͤhrte Beyſpiel
gehoͤrt ebenfalls hieher. (§. 569.) Und auf gleiche
Art hat Guericke den Satz, daß die Luft fluͤßig ſey,

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[363/0385] von der Erfahrung. disjunctiver Schluß machen. (§. 138. 282.) Der endlich die Sache herausbringt. Es finden ſich aber bey ſolcher Abzaͤhlung der moͤglichen Faͤlle alle die Schwuͤrigkeiten, die wir im zweyten Hauptſtuͤcke bey den Eintheilungen angemerkt haben. Das leich- teſte Beyſpiel giebt die Aſtronoͤmie, wenn man den Satz nimmt, daß ſich entweder die Erde, oder die Sonne, oder beyde bewegen. Denn da von dieſen dreyen eines ſeyn muß, ſo hat man drey Hypotheſen, von welchen zwo durch die Obſervationen muͤſſen umgeſtoßen, oder die dritte directe daraus erwieſen werden. §. 571. Da man endlich in der Algeber das Geſuchte durch Buchſtaben ausdruͤckt, und dieſe durch eine Gleichung beſtimmt, ſo bleibt das Geſuchte unbeſtimmt, bis man die Gleichung gefunden. Man hat aber fuͤr die uͤbri- gen Wiſſenſchaften noch keine ſolche Rechenkunſt, und die Forderung, daß man das Unbekannte oder das Geſuchte unbeſtimmt laſſen ſoll, bis man durch Schluͤße darauf koͤmmt, iſt eben das, was die vorhin gemachten Anmerkungen (§ 565. 566.) ſagen woll- ten. Will man aber, ſo wie in der Regel Falſi, et- was willkuͤhrlich oder eine Hypotheſe annehmen, ſo muß man ein Mittel haben, aus dem, was etwann der Wahrheit zuwider daraus folgt, das irrige in der angenommenen Hypotheſe zu verbeſſern, und zwar ſo vollſtaͤndig, daß ſie dadurch ganz richtig wird. Auf dieſe Art hat Repler die Planetenbahnen, die Co- pernicus circulaͤr ſetzte, in Ellipſen verwandelt, die mit den Erfahrungen beſſer und genauer uͤbereinſtim- men. Das vorhin von Snellio angefuͤhrte Beyſpiel gehoͤrt ebenfalls hieher. (§. 569.) Und auf gleiche Art hat Guericke den Satz, daß die Luft fluͤßig ſey, wie

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/385>, abgerufen am 29.03.2024.