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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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von der Erfahrung.
die Antwort der Natur bey dem Versuche bestimm-
ter ist? Wir wollen nun ein Beyspiel geben. Man
weis, daß die Magnetnadel bald an jedem Orte der
Erdfläche eine verschiedene Abweichung hat. Ver-
möge der mechanischen Grundsätze rührt dieses von
der Richtungslinie des Stroms der magnetischen Ma-
terie her, und diese ist nicht aller Orten horizontal.
Nun ist unstreitig, daß wenn man diese Richtung
für jeden Ort der Erde durch eine algebraische Glei-
chung ausdrücken könnte, die Abweichung der Mag-
netnadel ebenfalls für jeden Ort dadurch bestimmt
wäre. Diese Gleichung mag aber nun ausfallen wie
sie wolle, so wollen wir den Fall setzen, daß die Rich-
tung des Stroms der magnetischen Materie auf der
Erde irgendwo vertical sey, so wird die Gleichung
für diesen Fall nothwendig einen durchaus unbestimm-
ten Werth geben, weil die verticale Richtung gar
nicht seitwärts drückt, oder den Druck auf beyden
Seiten gleich macht, oder wenn in der Materie, auf
welche sie drückt, eine schiefliegende Fläche ist, so wird
sie gegen diese stärkern Druck äußern, wie etwann bey
Windmühlen ein gegen die Axe wehender Wind, die Flü-
gel umtreibt. Demnach wird die Magnetnadel, an dem
Orte, wo die Richtung der magnetischen Materie ver-
tical ist, in Absicht auf alle Lagen indifferent seyn,
oder gar im Kraise herum getrieben werden, daß sie
folglich gar keine bestimmte Abweichung haben wird.
Die Nachrichten der Schiffer bringen mit, daß es
einen solchen Ort auf dem Meere gebe, wo sie die
Magnetnadel nicht gebrauchen können, weil sie ent-
weder liegen bleibt, wie man sie legt, oder sich, ohne
zu ruhen, hin und her bewegt, je nachdem das Schiff
bewegt wird. Jn diesen Fällen sagen sie, die Nadel
sey närrisch, sie wisse nicht, was sie thue etc. Hier

ist
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von der Erfahrung.
die Antwort der Natur bey dem Verſuche beſtimm-
ter iſt? Wir wollen nun ein Beyſpiel geben. Man
weis, daß die Magnetnadel bald an jedem Orte der
Erdflaͤche eine verſchiedene Abweichung hat. Ver-
moͤge der mechaniſchen Grundſaͤtze ruͤhrt dieſes von
der Richtungslinie des Stroms der magnetiſchen Ma-
terie her, und dieſe iſt nicht aller Orten horizontal.
Nun iſt unſtreitig, daß wenn man dieſe Richtung
fuͤr jeden Ort der Erde durch eine algebraiſche Glei-
chung ausdruͤcken koͤnnte, die Abweichung der Mag-
netnadel ebenfalls fuͤr jeden Ort dadurch beſtimmt
waͤre. Dieſe Gleichung mag aber nun ausfallen wie
ſie wolle, ſo wollen wir den Fall ſetzen, daß die Rich-
tung des Stroms der magnetiſchen Materie auf der
Erde irgendwo vertical ſey, ſo wird die Gleichung
fuͤr dieſen Fall nothwendig einen durchaus unbeſtimm-
ten Werth geben, weil die verticale Richtung gar
nicht ſeitwaͤrts druͤckt, oder den Druck auf beyden
Seiten gleich macht, oder wenn in der Materie, auf
welche ſie druͤckt, eine ſchiefliegende Flaͤche iſt, ſo wird
ſie gegen dieſe ſtaͤrkern Druck aͤußern, wie etwann bey
Windmuͤhlen ein gegen die Axe wehender Wind, die Fluͤ-
gel umtreibt. Demnach wird die Magnetnadel, an dem
Orte, wo die Richtung der magnetiſchen Materie ver-
tical iſt, in Abſicht auf alle Lagen indifferent ſeyn,
oder gar im Kraiſe herum getrieben werden, daß ſie
folglich gar keine beſtimmte Abweichung haben wird.
Die Nachrichten der Schiffer bringen mit, daß es
einen ſolchen Ort auf dem Meere gebe, wo ſie die
Magnetnadel nicht gebrauchen koͤnnen, weil ſie ent-
weder liegen bleibt, wie man ſie legt, oder ſich, ohne
zu ruhen, hin und her bewegt, je nachdem das Schiff
bewegt wird. Jn dieſen Faͤllen ſagen ſie, die Nadel
ſey naͤrriſch, ſie wiſſe nicht, was ſie thue ꝛc. Hier

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[377/0399] von der Erfahrung. die Antwort der Natur bey dem Verſuche beſtimm- ter iſt? Wir wollen nun ein Beyſpiel geben. Man weis, daß die Magnetnadel bald an jedem Orte der Erdflaͤche eine verſchiedene Abweichung hat. Ver- moͤge der mechaniſchen Grundſaͤtze ruͤhrt dieſes von der Richtungslinie des Stroms der magnetiſchen Ma- terie her, und dieſe iſt nicht aller Orten horizontal. Nun iſt unſtreitig, daß wenn man dieſe Richtung fuͤr jeden Ort der Erde durch eine algebraiſche Glei- chung ausdruͤcken koͤnnte, die Abweichung der Mag- netnadel ebenfalls fuͤr jeden Ort dadurch beſtimmt waͤre. Dieſe Gleichung mag aber nun ausfallen wie ſie wolle, ſo wollen wir den Fall ſetzen, daß die Rich- tung des Stroms der magnetiſchen Materie auf der Erde irgendwo vertical ſey, ſo wird die Gleichung fuͤr dieſen Fall nothwendig einen durchaus unbeſtimm- ten Werth geben, weil die verticale Richtung gar nicht ſeitwaͤrts druͤckt, oder den Druck auf beyden Seiten gleich macht, oder wenn in der Materie, auf welche ſie druͤckt, eine ſchiefliegende Flaͤche iſt, ſo wird ſie gegen dieſe ſtaͤrkern Druck aͤußern, wie etwann bey Windmuͤhlen ein gegen die Axe wehender Wind, die Fluͤ- gel umtreibt. Demnach wird die Magnetnadel, an dem Orte, wo die Richtung der magnetiſchen Materie ver- tical iſt, in Abſicht auf alle Lagen indifferent ſeyn, oder gar im Kraiſe herum getrieben werden, daß ſie folglich gar keine beſtimmte Abweichung haben wird. Die Nachrichten der Schiffer bringen mit, daß es einen ſolchen Ort auf dem Meere gebe, wo ſie die Magnetnadel nicht gebrauchen koͤnnen, weil ſie ent- weder liegen bleibt, wie man ſie legt, oder ſich, ohne zu ruhen, hin und her bewegt, je nachdem das Schiff bewegt wird. Jn dieſen Faͤllen ſagen ſie, die Nadel ſey naͤrriſch, ſie wiſſe nicht, was ſie thue ꝛc. Hier iſt A a 5

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/399>, abgerufen am 24.04.2024.