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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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VIII. Hauptstück,
ist nun für sich klar, daß wenn man sagen will, die
Lage der Magnetnadel sey unbestimmt, dieses al-
lerdings nicht metaphysisch zu verstehen sey, weil sie
nicht alle Lagen auf einmal haben kann, folglich im-
mer die hat, die sie hat, man mag sie nun darein se-
tzen, oder sie mag von der Bewegung herkommen.
Jndessen aber ist mit der metaphysischen Richtigkeit,
daß die Nadel ihre bestimmte Lage habe, den Schif-
fern nicht gedient, welche diese metaphysische Bestim-
mung närrisch nennen, und die Lage der Magnet-
nadel nur da für determinirt ansehen, wo sie sich nach
einer decidirten Weltgegend richtet, und ein für alle-
mal dabey bleibt, und wo folglich die Ursach ihrer
Richtung dieselbe nicht unbestimmt oder sich selbst
überläßt. Bey Entschließungen der Menschen giebt
es ähnliche Unbestimmtheiten, und die Redensart:
über eine Sache verlegen seyn, zeigt einen der
Magnetnadel ähnlichen Zustand an. Wir haben
demnach die Frage, ob in Versuchen etwas un-
bestimmtes beobachtet werden könne, in sofern ent-
wickelt, daß es auf eine gewisse Art möglich ist, und
die Umstände, in welchen es geschieht, haben in der
Körper- und Geisterwelt etwas besonders, woran
nicht nur das Unbestimmte, sondern auch der Grund
davon und noch andre Umstände sich erkennen lassen.
So z. E. aus dem, daß die Magnetnadel an einem
Ort sich nach keiner besondern Weltgegend richtet,
sondern gegen alle indifferent ist, kann man schließen,
daß entweder die magnetischen Kräfte sich daselbst gar
nicht äußern, oder nicht daselbst sind, oder daß ihre
Direction vertical sey. Auf eine ähnliche Art kann
zwar die Magnetnadel unter dem Pole eine determi-
nirte Richtung haben. Da aber alle Mittagszirkel
daselbst zusammentreffen, so hat der Pol keinen ihm
eigenen Mittagszirkel, von welchem man die Ab-

wei-

VIII. Hauptſtuͤck,
iſt nun fuͤr ſich klar, daß wenn man ſagen will, die
Lage der Magnetnadel ſey unbeſtimmt, dieſes al-
lerdings nicht metaphyſiſch zu verſtehen ſey, weil ſie
nicht alle Lagen auf einmal haben kann, folglich im-
mer die hat, die ſie hat, man mag ſie nun darein ſe-
tzen, oder ſie mag von der Bewegung herkommen.
Jndeſſen aber iſt mit der metaphyſiſchen Richtigkeit,
daß die Nadel ihre beſtimmte Lage habe, den Schif-
fern nicht gedient, welche dieſe metaphyſiſche Beſtim-
mung naͤrriſch nennen, und die Lage der Magnet-
nadel nur da fuͤr determinirt anſehen, wo ſie ſich nach
einer decidirten Weltgegend richtet, und ein fuͤr alle-
mal dabey bleibt, und wo folglich die Urſach ihrer
Richtung dieſelbe nicht unbeſtimmt oder ſich ſelbſt
uͤberlaͤßt. Bey Entſchließungen der Menſchen giebt
es aͤhnliche Unbeſtimmtheiten, und die Redensart:
uͤber eine Sache verlegen ſeyn, zeigt einen der
Magnetnadel aͤhnlichen Zuſtand an. Wir haben
demnach die Frage, ob in Verſuchen etwas un-
beſtimmtes beobachtet werden koͤnne, in ſofern ent-
wickelt, daß es auf eine gewiſſe Art moͤglich iſt, und
die Umſtaͤnde, in welchen es geſchieht, haben in der
Koͤrper- und Geiſterwelt etwas beſonders, woran
nicht nur das Unbeſtimmte, ſondern auch der Grund
davon und noch andre Umſtaͤnde ſich erkennen laſſen.
So z. E. aus dem, daß die Magnetnadel an einem
Ort ſich nach keiner beſondern Weltgegend richtet,
ſondern gegen alle indifferent iſt, kann man ſchließen,
daß entweder die magnetiſchen Kraͤfte ſich daſelbſt gar
nicht aͤußern, oder nicht daſelbſt ſind, oder daß ihre
Direction vertical ſey. Auf eine aͤhnliche Art kann
zwar die Magnetnadel unter dem Pole eine determi-
nirte Richtung haben. Da aber alle Mittagszirkel
daſelbſt zuſammentreffen, ſo hat der Pol keinen ihm
eigenen Mittagszirkel, von welchem man die Ab-

wei-
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[378/0400] VIII. Hauptſtuͤck, iſt nun fuͤr ſich klar, daß wenn man ſagen will, die Lage der Magnetnadel ſey unbeſtimmt, dieſes al- lerdings nicht metaphyſiſch zu verſtehen ſey, weil ſie nicht alle Lagen auf einmal haben kann, folglich im- mer die hat, die ſie hat, man mag ſie nun darein ſe- tzen, oder ſie mag von der Bewegung herkommen. Jndeſſen aber iſt mit der metaphyſiſchen Richtigkeit, daß die Nadel ihre beſtimmte Lage habe, den Schif- fern nicht gedient, welche dieſe metaphyſiſche Beſtim- mung naͤrriſch nennen, und die Lage der Magnet- nadel nur da fuͤr determinirt anſehen, wo ſie ſich nach einer decidirten Weltgegend richtet, und ein fuͤr alle- mal dabey bleibt, und wo folglich die Urſach ihrer Richtung dieſelbe nicht unbeſtimmt oder ſich ſelbſt uͤberlaͤßt. Bey Entſchließungen der Menſchen giebt es aͤhnliche Unbeſtimmtheiten, und die Redensart: uͤber eine Sache verlegen ſeyn, zeigt einen der Magnetnadel aͤhnlichen Zuſtand an. Wir haben demnach die Frage, ob in Verſuchen etwas un- beſtimmtes beobachtet werden koͤnne, in ſofern ent- wickelt, daß es auf eine gewiſſe Art moͤglich iſt, und die Umſtaͤnde, in welchen es geſchieht, haben in der Koͤrper- und Geiſterwelt etwas beſonders, woran nicht nur das Unbeſtimmte, ſondern auch der Grund davon und noch andre Umſtaͤnde ſich erkennen laſſen. So z. E. aus dem, daß die Magnetnadel an einem Ort ſich nach keiner beſondern Weltgegend richtet, ſondern gegen alle indifferent iſt, kann man ſchließen, daß entweder die magnetiſchen Kraͤfte ſich daſelbſt gar nicht aͤußern, oder nicht daſelbſt ſind, oder daß ihre Direction vertical ſey. Auf eine aͤhnliche Art kann zwar die Magnetnadel unter dem Pole eine determi- nirte Richtung haben. Da aber alle Mittagszirkel daſelbſt zuſammentreffen, ſo hat der Pol keinen ihm eigenen Mittagszirkel, von welchem man die Ab- wei-

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/400>, abgerufen am 28.03.2024.