Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

IX. Hauptstück,
gebräuchlichsten sind, an nichts wenigers, als an die
Julianische Periode gedacht hatten.

§. 678.

Die wissenschaftliche Erkenntniß soll dienen, Er-
fahrungen überflüßig zu machen, und folglich das,
was man noch erst erfahren müßte, voraus zu be-
stimmen. (§. 604.) Dieses muß demnach aus dem,
was man weis, und voraussetzt, folgen, das vor-
ausgesetzte mag nun entweder im strengern Verstande
a priori, oder aber mehr oder minder aus der Er-
fahrung seyn. Hier kommen wir nun zu der genauern
Untersuchung des Unterschieds der Titel, welche die
Mathematiker schon von längsten Zeiten her über
ihre Sätze zu schreiben gewohnt sind, (§. 149 seqq.)
und zugleich zu der Theorie des Vortrags der wis-
senschaftlichen Erkenntniß.
Denn da in dem-
selben ein Begriff aus dem andern, ein Satz aus dem
andern, eine Aufgabe aus der andern folgen soll, so
ist offenbar, daß dabey nicht jede Ordnung gleich-
gültig ist, und daß, wenn man am strengsten gehen
will, der Leser durch die erstgemeldten Titel immer er-
innert werde, woher man die Begriffe, Sätze,
und überhaupt die Wahrheiten, die man ihm
vorstellt, nimmt, und worauf er, um sich da-
von zu versichern, daß es Wahrheiten sind, zu
achten habe.
(§. 149--154. 156. 163. 164.)

§. 679.

Diese Ordnung besteht demnach darinn:

1. Daß die Begriffe, die zur Erklärung und
Bestimmung der andern gebraucht werden
müssen, vorhergehen, folglich die Grund-
begriffe,
und unmittelbare Erfahrungs-
begriffe
von den Lehrbegriffen, die daraus
zusammengesetzt und bestimmt werden.
2. Sol-

IX. Hauptſtuͤck,
gebraͤuchlichſten ſind, an nichts wenigers, als an die
Julianiſche Periode gedacht hatten.

§. 678.

Die wiſſenſchaftliche Erkenntniß ſoll dienen, Er-
fahrungen uͤberfluͤßig zu machen, und folglich das,
was man noch erſt erfahren muͤßte, voraus zu be-
ſtimmen. (§. 604.) Dieſes muß demnach aus dem,
was man weis, und vorausſetzt, folgen, das vor-
ausgeſetzte mag nun entweder im ſtrengern Verſtande
a priori, oder aber mehr oder minder aus der Er-
fahrung ſeyn. Hier kommen wir nun zu der genauern
Unterſuchung des Unterſchieds der Titel, welche die
Mathematiker ſchon von laͤngſten Zeiten her uͤber
ihre Saͤtze zu ſchreiben gewohnt ſind, (§. 149 ſeqq.)
und zugleich zu der Theorie des Vortrags der wiſ-
ſenſchaftlichen Erkenntniß.
Denn da in dem-
ſelben ein Begriff aus dem andern, ein Satz aus dem
andern, eine Aufgabe aus der andern folgen ſoll, ſo
iſt offenbar, daß dabey nicht jede Ordnung gleich-
guͤltig iſt, und daß, wenn man am ſtrengſten gehen
will, der Leſer durch die erſtgemeldten Titel immer er-
innert werde, woher man die Begriffe, Saͤtze,
und uͤberhaupt die Wahrheiten, die man ihm
vorſtellt, nimmt, und worauf er, um ſich da-
von zu verſichern, daß es Wahrheiten ſind, zu
achten habe.
(§. 149—154. 156. 163. 164.)

§. 679.

Dieſe Ordnung beſteht demnach darinn:

1. Daß die Begriffe, die zur Erklaͤrung und
Beſtimmung der andern gebraucht werden
muͤſſen, vorhergehen, folglich die Grund-
begriffe,
und unmittelbare Erfahrungs-
begriffe
von den Lehrbegriffen, die daraus
zuſammengeſetzt und beſtimmt werden.
2. Sol-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0456" n="434"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IX.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck,</hi></fw><lb/>
gebra&#x0364;uchlich&#x017F;ten &#x017F;ind, an nichts wenigers, als an die<lb/>
Juliani&#x017F;che Periode gedacht hatten.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 678.</head><lb/>
            <p>Die wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche Erkenntniß &#x017F;oll dienen, Er-<lb/>
fahrungen u&#x0364;berflu&#x0364;ßig zu machen, und folglich das,<lb/>
was man noch er&#x017F;t erfahren mu&#x0364;ßte, voraus zu be-<lb/>
&#x017F;timmen. (§. 604.) Die&#x017F;es muß demnach aus dem,<lb/>
was man weis, und voraus&#x017F;etzt, <hi rendition="#fr">folgen,</hi> das vor-<lb/>
ausge&#x017F;etzte mag nun entweder im &#x017F;trengern Ver&#x017F;tande<lb/><hi rendition="#aq">a priori,</hi> oder aber mehr oder minder aus der Er-<lb/>
fahrung &#x017F;eyn. Hier kommen wir nun zu der genauern<lb/>
Unter&#x017F;uchung des Unter&#x017F;chieds der <hi rendition="#fr">Titel,</hi> welche die<lb/>
Mathematiker &#x017F;chon von la&#x0364;ng&#x017F;ten Zeiten her u&#x0364;ber<lb/>
ihre Sa&#x0364;tze zu &#x017F;chreiben gewohnt &#x017F;ind, (§. 149 &#x017F;eqq.)<lb/>
und zugleich zu der <hi rendition="#fr">Theorie des Vortrags der wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Erkenntniß.</hi> Denn da in dem-<lb/>
&#x017F;elben ein Begriff aus dem andern, ein Satz aus dem<lb/>
andern, eine Aufgabe aus der andern <hi rendition="#fr">folgen</hi> &#x017F;oll, &#x017F;o<lb/>
i&#x017F;t offenbar, daß dabey nicht jede Ordnung gleich-<lb/>
gu&#x0364;ltig i&#x017F;t, und daß, wenn man am &#x017F;treng&#x017F;ten gehen<lb/>
will, der Le&#x017F;er durch die er&#x017F;tgemeldten Titel immer er-<lb/>
innert werde, <hi rendition="#fr">woher man die Begriffe, Sa&#x0364;tze,<lb/>
und u&#x0364;berhaupt die Wahrheiten, die man ihm<lb/>
vor&#x017F;tellt, nimmt, und worauf er, um &#x017F;ich da-<lb/>
von zu ver&#x017F;ichern, daß es Wahrheiten &#x017F;ind, zu<lb/>
achten habe.</hi> (§. 149&#x2014;154. 156. 163. 164.)</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 679.</head><lb/>
            <p>Die&#x017F;e Ordnung be&#x017F;teht demnach darinn:</p><lb/>
            <list>
              <item>1. Daß die Begriffe, die zur <hi rendition="#fr">Erkla&#x0364;rung</hi> und<lb/><hi rendition="#fr">Be&#x017F;timmung</hi> der andern gebraucht werden<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, vorhergehen, folglich die <hi rendition="#fr">Grund-<lb/>
begriffe,</hi> und unmittelbare <hi rendition="#fr">Erfahrungs-<lb/>
begriffe</hi> von den <hi rendition="#fr">Lehrbegriffen,</hi> die daraus<lb/><hi rendition="#fr">zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt</hi> und <hi rendition="#fr">be&#x017F;timmt</hi> werden.</item>
            </list><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">2. Sol-</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[434/0456] IX. Hauptſtuͤck, gebraͤuchlichſten ſind, an nichts wenigers, als an die Julianiſche Periode gedacht hatten. §. 678. Die wiſſenſchaftliche Erkenntniß ſoll dienen, Er- fahrungen uͤberfluͤßig zu machen, und folglich das, was man noch erſt erfahren muͤßte, voraus zu be- ſtimmen. (§. 604.) Dieſes muß demnach aus dem, was man weis, und vorausſetzt, folgen, das vor- ausgeſetzte mag nun entweder im ſtrengern Verſtande a priori, oder aber mehr oder minder aus der Er- fahrung ſeyn. Hier kommen wir nun zu der genauern Unterſuchung des Unterſchieds der Titel, welche die Mathematiker ſchon von laͤngſten Zeiten her uͤber ihre Saͤtze zu ſchreiben gewohnt ſind, (§. 149 ſeqq.) und zugleich zu der Theorie des Vortrags der wiſ- ſenſchaftlichen Erkenntniß. Denn da in dem- ſelben ein Begriff aus dem andern, ein Satz aus dem andern, eine Aufgabe aus der andern folgen ſoll, ſo iſt offenbar, daß dabey nicht jede Ordnung gleich- guͤltig iſt, und daß, wenn man am ſtrengſten gehen will, der Leſer durch die erſtgemeldten Titel immer er- innert werde, woher man die Begriffe, Saͤtze, und uͤberhaupt die Wahrheiten, die man ihm vorſtellt, nimmt, und worauf er, um ſich da- von zu verſichern, daß es Wahrheiten ſind, zu achten habe. (§. 149—154. 156. 163. 164.) §. 679. Dieſe Ordnung beſteht demnach darinn: 1. Daß die Begriffe, die zur Erklaͤrung und Beſtimmung der andern gebraucht werden muͤſſen, vorhergehen, folglich die Grund- begriffe, und unmittelbare Erfahrungs- begriffe von den Lehrbegriffen, die daraus zuſammengeſetzt und beſtimmt werden. 2. Sol-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/456
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/456>, abgerufen am 19.04.2024.