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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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von der wissenschaftlichen Erkenntniß.
sagen, als daß wir die Worte nicht allein nehmen,
sondern sie mit den Sachen und Begriffen verbin-
den sollen, und daß wir die Wörter, die eine fixe
Bedeutung haben, von denen, wo die Bedeutung
unbestimmt und veränderlich ist, unterscheiden, und
erstere zum Grunde legen müssen Daß es aber
Wörter von fixer Bedeutung gebe, erhellet theils aus
der Geometrie, Phoronomie, Vernunftlehre etc.
theils auch selbst aus dem gemeinen Leben, und man
kann alle die nehmen, deren Aenderung die Aende-
rung der Sprache nach sich zieht. Ueberdies macht
die Vergleichung der Wörter mit der Sache, daß,
wenn auch ein Zirkel im Erklären mit unterlaufen
würde, dieses der Wahrheit ohne Nachtheil gesche-
hen könne, wenn nur die Verhältnisse, die bey sol-
chen Zirkeln vorkommen, wenigstens als Erfahrungs-
begriffe dargelegt werden, wie wir dieses bereits
schon (§. 687.) erinnert haben. Man kann noch aus
dem ersten Hauptstücke (§. 51. 60.) hier mit anmerken,
daß man bey Theorien nicht bloß die Absicht hat, einen
Begriff oder eine Sache nur kenntlich zu ma-
chen,
welches man, wo ein klarer, aber dabey noch
confuser Begriff zureicht, öfters voraussetzen kann,
sondern, daß dabey die Frage ist, den wahren Um-
fang des Begriffes zu bestimmen,
welches zwar
an sich mehr Genauigkeit und Vollständigkeit erfor-
dert, aber dagegen einen scheinbaren oder auch wirk-
lichen Zirkel im Definiren in sofern zuläßt, daß
jede Definition für sich ein Erfahrungsbegriff sey.
Jn sofern ist es auch zuläßig, ein Wort, das eine
fixe Bedeutung hat, und dem ein bereits bekannter
klarer Begriff entspricht, zu gebrauchen, ehe man
dasselbe definirt, und selbst die Definition ganz weg-

zu-
Lamb. Org. I. Band. F f

von der wiſſenſchaftlichen Erkenntniß.
ſagen, als daß wir die Worte nicht allein nehmen,
ſondern ſie mit den Sachen und Begriffen verbin-
den ſollen, und daß wir die Woͤrter, die eine fixe
Bedeutung haben, von denen, wo die Bedeutung
unbeſtimmt und veraͤnderlich iſt, unterſcheiden, und
erſtere zum Grunde legen muͤſſen Daß es aber
Woͤrter von fixer Bedeutung gebe, erhellet theils aus
der Geometrie, Phoronomie, Vernunftlehre ꝛc.
theils auch ſelbſt aus dem gemeinen Leben, und man
kann alle die nehmen, deren Aenderung die Aende-
rung der Sprache nach ſich zieht. Ueberdies macht
die Vergleichung der Woͤrter mit der Sache, daß,
wenn auch ein Zirkel im Erklaͤren mit unterlaufen
wuͤrde, dieſes der Wahrheit ohne Nachtheil geſche-
hen koͤnne, wenn nur die Verhaͤltniſſe, die bey ſol-
chen Zirkeln vorkommen, wenigſtens als Erfahrungs-
begriffe dargelegt werden, wie wir dieſes bereits
ſchon (§. 687.) erinnert haben. Man kann noch aus
dem erſten Hauptſtuͤcke (§. 51. 60.) hier mit anmerken,
daß man bey Theorien nicht bloß die Abſicht hat, einen
Begriff oder eine Sache nur kenntlich zu ma-
chen,
welches man, wo ein klarer, aber dabey noch
confuſer Begriff zureicht, oͤfters vorausſetzen kann,
ſondern, daß dabey die Frage iſt, den wahren Um-
fang des Begriffes zu beſtimmen,
welches zwar
an ſich mehr Genauigkeit und Vollſtaͤndigkeit erfor-
dert, aber dagegen einen ſcheinbaren oder auch wirk-
lichen Zirkel im Definiren in ſofern zulaͤßt, daß
jede Definition fuͤr ſich ein Erfahrungsbegriff ſey.
Jn ſofern iſt es auch zulaͤßig, ein Wort, das eine
fixe Bedeutung hat, und dem ein bereits bekannter
klarer Begriff entſpricht, zu gebrauchen, ehe man
daſſelbe definirt, und ſelbſt die Definition ganz weg-

zu-
Lamb. Org. I. Band. F f
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[449/0471] von der wiſſenſchaftlichen Erkenntniß. ſagen, als daß wir die Worte nicht allein nehmen, ſondern ſie mit den Sachen und Begriffen verbin- den ſollen, und daß wir die Woͤrter, die eine fixe Bedeutung haben, von denen, wo die Bedeutung unbeſtimmt und veraͤnderlich iſt, unterſcheiden, und erſtere zum Grunde legen muͤſſen Daß es aber Woͤrter von fixer Bedeutung gebe, erhellet theils aus der Geometrie, Phoronomie, Vernunftlehre ꝛc. theils auch ſelbſt aus dem gemeinen Leben, und man kann alle die nehmen, deren Aenderung die Aende- rung der Sprache nach ſich zieht. Ueberdies macht die Vergleichung der Woͤrter mit der Sache, daß, wenn auch ein Zirkel im Erklaͤren mit unterlaufen wuͤrde, dieſes der Wahrheit ohne Nachtheil geſche- hen koͤnne, wenn nur die Verhaͤltniſſe, die bey ſol- chen Zirkeln vorkommen, wenigſtens als Erfahrungs- begriffe dargelegt werden, wie wir dieſes bereits ſchon (§. 687.) erinnert haben. Man kann noch aus dem erſten Hauptſtuͤcke (§. 51. 60.) hier mit anmerken, daß man bey Theorien nicht bloß die Abſicht hat, einen Begriff oder eine Sache nur kenntlich zu ma- chen, welches man, wo ein klarer, aber dabey noch confuſer Begriff zureicht, oͤfters vorausſetzen kann, ſondern, daß dabey die Frage iſt, den wahren Um- fang des Begriffes zu beſtimmen, welches zwar an ſich mehr Genauigkeit und Vollſtaͤndigkeit erfor- dert, aber dagegen einen ſcheinbaren oder auch wirk- lichen Zirkel im Definiren in ſofern zulaͤßt, daß jede Definition fuͤr ſich ein Erfahrungsbegriff ſey. Jn ſofern iſt es auch zulaͤßig, ein Wort, das eine fixe Bedeutung hat, und dem ein bereits bekannter klarer Begriff entſpricht, zu gebrauchen, ehe man daſſelbe definirt, und ſelbſt die Definition ganz weg- zu- Lamb. Org. I. Band. F f

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/471>, abgerufen am 24.04.2024.