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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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I. Hauptstück, von den einfachen
terdings klaren Begriffen der einfachste zu seyn, weil er
nicht nur nicht aus mehrern innern Merkmaalen besteht,
sondern auch nicht einmal Grade hat, wodurch etwas
existirender seyn könnte, als ein andres, wie wir die-
ses bereits schon oben (§. 12.) angemerkt haben. Der
Begriff der Existenz hat auch nicht viele verwandte
Begriffe, daß er sich durch Verhältnisse zu denselben
könnte bestimmen lassen. Das mögliche, wirkli-
che, nothwendige
sind Begriffe, die einigermaaßen
zusammengehören, und verglichen werden können.
Man hat daher die Existenz durch das Complemen-
tum possibilitatis
zu bestimmen oder wenigstens anzu-
zeigen gesucht. Nun ist zwar unstreitig, daß zum
existiren außer der bloßen Möglichkeit noch etwas
mehr erfordert wird; allein, eben dieses etwas macht
das einfache in dem Begriffe der Existenz aus, wel-
ches wir allerdings klar empfinden, aber nicht anders
als durch solche Worte anzeigen können, die weiter
nichts als Synonyma von dem Wort Existenz sind,
oder diesen Begriff schon voraus setzen. Bey so gar
einfachen Begriffen sind die Zirkel im Definiren nicht
wohl zu vermeiden. Weil sie aber ihre Klarheit und
Möglichkeit für sich haben, (Dianoiol §. 656.) so
werden sie füglicher als Prädicate und Bestimmun-
gen zusammengesetzter Begriffe gebraucht. (Dianoiol.
§. 659. 686.) Auf diese Art haben existirende Dinge
unzählige Prädicate, die mit der Existenz wegfallen,
und die folglich als Subjecte genommen werden kön-
nen, denen der Begriff existiren als Prädicat zukömmt.
Von dieser Art ist z. E. der Obersatz zu dem vorhin
angezogenen Cartesischen Enthymema: Wer denkt,
der ist. Sätze von dieser Art giebt es eine große
Menge.

§. 25.

I. Hauptſtuͤck, von den einfachen
terdings klaren Begriffen der einfachſte zu ſeyn, weil er
nicht nur nicht aus mehrern innern Merkmaalen beſteht,
ſondern auch nicht einmal Grade hat, wodurch etwas
exiſtirender ſeyn koͤnnte, als ein andres, wie wir die-
ſes bereits ſchon oben (§. 12.) angemerkt haben. Der
Begriff der Exiſtenz hat auch nicht viele verwandte
Begriffe, daß er ſich durch Verhaͤltniſſe zu denſelben
koͤnnte beſtimmen laſſen. Das moͤgliche, wirkli-
che, nothwendige
ſind Begriffe, die einigermaaßen
zuſammengehoͤren, und verglichen werden koͤnnen.
Man hat daher die Exiſtenz durch das Complemen-
tum poſſibilitatis
zu beſtimmen oder wenigſtens anzu-
zeigen geſucht. Nun iſt zwar unſtreitig, daß zum
exiſtiren außer der bloßen Moͤglichkeit noch etwas
mehr erfordert wird; allein, eben dieſes etwas macht
das einfache in dem Begriffe der Exiſtenz aus, wel-
ches wir allerdings klar empfinden, aber nicht anders
als durch ſolche Worte anzeigen koͤnnen, die weiter
nichts als Synonyma von dem Wort Exiſtenz ſind,
oder dieſen Begriff ſchon voraus ſetzen. Bey ſo gar
einfachen Begriffen ſind die Zirkel im Definiren nicht
wohl zu vermeiden. Weil ſie aber ihre Klarheit und
Moͤglichkeit fuͤr ſich haben, (Dianoiol §. 656.) ſo
werden ſie fuͤglicher als Praͤdicate und Beſtimmun-
gen zuſammengeſetzter Begriffe gebraucht. (Dianoiol.
§. 659. 686.) Auf dieſe Art haben exiſtirende Dinge
unzaͤhlige Praͤdicate, die mit der Exiſtenz wegfallen,
und die folglich als Subjecte genommen werden koͤn-
nen, denen der Begriff exiſtiren als Praͤdicat zukoͤmmt.
Von dieſer Art iſt z. E. der Oberſatz zu dem vorhin
angezogenen Carteſiſchen Enthymema: Wer denkt,
der iſt. Saͤtze von dieſer Art giebt es eine große
Menge.

§. 25.
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[468/0490] I. Hauptſtuͤck, von den einfachen terdings klaren Begriffen der einfachſte zu ſeyn, weil er nicht nur nicht aus mehrern innern Merkmaalen beſteht, ſondern auch nicht einmal Grade hat, wodurch etwas exiſtirender ſeyn koͤnnte, als ein andres, wie wir die- ſes bereits ſchon oben (§. 12.) angemerkt haben. Der Begriff der Exiſtenz hat auch nicht viele verwandte Begriffe, daß er ſich durch Verhaͤltniſſe zu denſelben koͤnnte beſtimmen laſſen. Das moͤgliche, wirkli- che, nothwendige ſind Begriffe, die einigermaaßen zuſammengehoͤren, und verglichen werden koͤnnen. Man hat daher die Exiſtenz durch das Complemen- tum poſſibilitatis zu beſtimmen oder wenigſtens anzu- zeigen geſucht. Nun iſt zwar unſtreitig, daß zum exiſtiren außer der bloßen Moͤglichkeit noch etwas mehr erfordert wird; allein, eben dieſes etwas macht das einfache in dem Begriffe der Exiſtenz aus, wel- ches wir allerdings klar empfinden, aber nicht anders als durch ſolche Worte anzeigen koͤnnen, die weiter nichts als Synonyma von dem Wort Exiſtenz ſind, oder dieſen Begriff ſchon voraus ſetzen. Bey ſo gar einfachen Begriffen ſind die Zirkel im Definiren nicht wohl zu vermeiden. Weil ſie aber ihre Klarheit und Moͤglichkeit fuͤr ſich haben, (Dianoiol §. 656.) ſo werden ſie fuͤglicher als Praͤdicate und Beſtimmun- gen zuſammengeſetzter Begriffe gebraucht. (Dianoiol. §. 659. 686.) Auf dieſe Art haben exiſtirende Dinge unzaͤhlige Praͤdicate, die mit der Exiſtenz wegfallen, und die folglich als Subjecte genommen werden koͤn- nen, denen der Begriff exiſtiren als Praͤdicat zukoͤmmt. Von dieſer Art iſt z. E. der Oberſatz zu dem vorhin angezogenen Carteſiſchen Enthymema: Wer denkt, der iſt. Saͤtze von dieſer Art giebt es eine große Menge. §. 25.

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/490>, abgerufen am 23.04.2024.