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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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I. Hauptstück, von den einfachen
§. 27.

Wir haben bisher einige einfache Begriffe aufge-
sucht, und allerdings noch lange nicht alle mitgenom-
men, weil derselben sehr viele sind, weil wir nicht für
alle besondre Namen haben, und weil unsre gegen-
wärtige Absicht auch nicht alle vorzuzählen erfordert.
Folgende Anmerkungen werden dieses klar machen.

§. 28.

Wir rechnen z. E. den klaren Begriff der Farben
unter die einfachen Begriffe. Von diesen lassen sich
einige überhaupt betrachtet mit Namen benennen, die
theils der Farbe eigen sind, wie z. E. roth, gelb, grün,
blau, weiß, schwarz, grau etc. theils von Dingen in
der Natur hergenommen werden, die diese Farbe
haben, wie z. E. Meergrün, Olivenfarb, Orangen-
gelb, Himmelblau, theils auch von Dingen, die zum
Malen der Farben gebraucht werden, wie z. E. Jn-
digo, Ocker, Berggelb, Saftgrün etc. allein zu den
unzähligen Stufen und Vermischungen der Farben
haben wir nicht Namen genug, und ein Maler, der
eine Sache genau nach dem Leben malen will, muß
sie vor sich haben, bis er sich etwann an die Mischung
der Farben und ihren Anstrich gewöhnt hat. Unge-
achtet wir nun überhaupt wissen, daß das Rothe sich
ins Gelbe, das Gelbe ins Grüne, das Grüne ins Blaue,
das Blaue ins Schwarze und auch ins Rothe, desglei-
chen das Rothe ins Schwarze, das Gelbe ins Braune etc.
gleichsam verlieret, und daher Stufen in den Farben
vorkommen, so sind die Begriffe dieser Stufen an sich
dennoch einfach, weil eine so wenig als die andre meh-
rere innere Merkmaale hat, und sich höchstens nur
durch Verhältnißbegriffe bestimmen läßt, wo wir es
bey den Worten wollen bewenden lassen. Wir müs-
sen indessen den Unterschied machen, wo wir zwo oder

mehrere
I. Hauptſtuͤck, von den einfachen
§. 27.

Wir haben bisher einige einfache Begriffe aufge-
ſucht, und allerdings noch lange nicht alle mitgenom-
men, weil derſelben ſehr viele ſind, weil wir nicht fuͤr
alle beſondre Namen haben, und weil unſre gegen-
waͤrtige Abſicht auch nicht alle vorzuzaͤhlen erfordert.
Folgende Anmerkungen werden dieſes klar machen.

§. 28.

Wir rechnen z. E. den klaren Begriff der Farben
unter die einfachen Begriffe. Von dieſen laſſen ſich
einige uͤberhaupt betrachtet mit Namen benennen, die
theils der Farbe eigen ſind, wie z. E. roth, gelb, gruͤn,
blau, weiß, ſchwarz, grau ꝛc. theils von Dingen in
der Natur hergenommen werden, die dieſe Farbe
haben, wie z. E. Meergruͤn, Olivenfarb, Orangen-
gelb, Himmelblau, theils auch von Dingen, die zum
Malen der Farben gebraucht werden, wie z. E. Jn-
digo, Ocker, Berggelb, Saftgruͤn ꝛc. allein zu den
unzaͤhligen Stufen und Vermiſchungen der Farben
haben wir nicht Namen genug, und ein Maler, der
eine Sache genau nach dem Leben malen will, muß
ſie vor ſich haben, bis er ſich etwann an die Miſchung
der Farben und ihren Anſtrich gewoͤhnt hat. Unge-
achtet wir nun uͤberhaupt wiſſen, daß das Rothe ſich
ins Gelbe, das Gelbe ins Gruͤne, das Gruͤne ins Blaue,
das Blaue ins Schwarze und auch ins Rothe, desglei-
chen das Rothe ins Schwarze, das Gelbe ins Braune ꝛc.
gleichſam verlieret, und daher Stufen in den Farben
vorkommen, ſo ſind die Begriffe dieſer Stufen an ſich
dennoch einfach, weil eine ſo wenig als die andre meh-
rere innere Merkmaale hat, und ſich hoͤchſtens nur
durch Verhaͤltnißbegriffe beſtimmen laͤßt, wo wir es
bey den Worten wollen bewenden laſſen. Wir muͤſ-
ſen indeſſen den Unterſchied machen, wo wir zwo oder

mehrere
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[470/0492] I. Hauptſtuͤck, von den einfachen §. 27. Wir haben bisher einige einfache Begriffe aufge- ſucht, und allerdings noch lange nicht alle mitgenom- men, weil derſelben ſehr viele ſind, weil wir nicht fuͤr alle beſondre Namen haben, und weil unſre gegen- waͤrtige Abſicht auch nicht alle vorzuzaͤhlen erfordert. Folgende Anmerkungen werden dieſes klar machen. §. 28. Wir rechnen z. E. den klaren Begriff der Farben unter die einfachen Begriffe. Von dieſen laſſen ſich einige uͤberhaupt betrachtet mit Namen benennen, die theils der Farbe eigen ſind, wie z. E. roth, gelb, gruͤn, blau, weiß, ſchwarz, grau ꝛc. theils von Dingen in der Natur hergenommen werden, die dieſe Farbe haben, wie z. E. Meergruͤn, Olivenfarb, Orangen- gelb, Himmelblau, theils auch von Dingen, die zum Malen der Farben gebraucht werden, wie z. E. Jn- digo, Ocker, Berggelb, Saftgruͤn ꝛc. allein zu den unzaͤhligen Stufen und Vermiſchungen der Farben haben wir nicht Namen genug, und ein Maler, der eine Sache genau nach dem Leben malen will, muß ſie vor ſich haben, bis er ſich etwann an die Miſchung der Farben und ihren Anſtrich gewoͤhnt hat. Unge- achtet wir nun uͤberhaupt wiſſen, daß das Rothe ſich ins Gelbe, das Gelbe ins Gruͤne, das Gruͤne ins Blaue, das Blaue ins Schwarze und auch ins Rothe, desglei- chen das Rothe ins Schwarze, das Gelbe ins Braune ꝛc. gleichſam verlieret, und daher Stufen in den Farben vorkommen, ſo ſind die Begriffe dieſer Stufen an ſich dennoch einfach, weil eine ſo wenig als die andre meh- rere innere Merkmaale hat, und ſich hoͤchſtens nur durch Verhaͤltnißbegriffe beſtimmen laͤßt, wo wir es bey den Worten wollen bewenden laſſen. Wir muͤſ- ſen indeſſen den Unterſchied machen, wo wir zwo oder mehrere

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/492>, abgerufen am 23.04.2024.