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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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oder für sich gedenkbaren Begriffen.
mehrere Farben zugleich empfinden, wie z. E. in dem
blaurothen oder rothblauen. Denn da in der
vorhin erwähnten Gradation das Rothe vom Blauen
zu weit entfernt ist, so empfinden wir das Heterogene
in den Vermischungen. Hingegen zeigt uns die Er-
fahrung, daß sich aus blau und gelb ein solches
Grün zusammensetzen lasse, welches uns weder vom
Blauen noch vom Gelben eine Spur zeigt. Und daß
aus der Vermischung aller Farben weiß entstehe,
hätten wir ohne die prismatischen Versuche kaum wis-
sen können, ungeachtet wir es nach dieser ersten Ver-
anlassung nun auch aus der täglichen Erfahrung her-
leiten können. Sofern demnach aus der vermischten
Empfindung zwoer oder mehrer Farben jede besonders
erkannt werden kann, sofern haben wir auch eine Ver-
mischung in dem Begriffe, doch so, daß wir die ein-
fachen daraus erkennen können. Jndessen, wenn man
behaupten will, daß dieses einfache in dem vermischten
nicht immer genug bemerkbar sey, so werde ich nicht
widersprechen, weil diese Frage in unsre folgende
Betrachtungen keinen Einfluß hat. Wir merken
daher nur an, daß nicht nur das Auge, sondern auch
die übrigen Sinnen uns eine solche Menge und Stu-
fen in den einfachen Begriffen geben, die wir nicht
alle mit Worten ausdrücken können, und uns daher
mit solchen Worten, die überhaupt ganze Klassen von
solchen Begriffen anzeigen, begnügen; wie z. E. die
Worte bitter, süß, sauer, scharf, salzigt, her-
be
etc. die verschiedenen Arten des Geschmackes anzei-
gen, deren wir etwann noch, wo es um Vergleichun-
gen zu thun ist, die Bitterkeit der Galle, des Wer-
muths etc. die Süßigkeit des Zuckers, des Honigs etc.
beyfügen. Auf eine ähnliche Art drücken wir die Un-
terschiede und Stufen des Schmerzens, durch drü-

cken,
G g 4

oder fuͤr ſich gedenkbaren Begriffen.
mehrere Farben zugleich empfinden, wie z. E. in dem
blaurothen oder rothblauen. Denn da in der
vorhin erwaͤhnten Gradation das Rothe vom Blauen
zu weit entfernt iſt, ſo empfinden wir das Heterogene
in den Vermiſchungen. Hingegen zeigt uns die Er-
fahrung, daß ſich aus blau und gelb ein ſolches
Gruͤn zuſammenſetzen laſſe, welches uns weder vom
Blauen noch vom Gelben eine Spur zeigt. Und daß
aus der Vermiſchung aller Farben weiß entſtehe,
haͤtten wir ohne die priſmatiſchen Verſuche kaum wiſ-
ſen koͤnnen, ungeachtet wir es nach dieſer erſten Ver-
anlaſſung nun auch aus der taͤglichen Erfahrung her-
leiten koͤnnen. Sofern demnach aus der vermiſchten
Empfindung zwoer oder mehrer Farben jede beſonders
erkannt werden kann, ſofern haben wir auch eine Ver-
miſchung in dem Begriffe, doch ſo, daß wir die ein-
fachen daraus erkennen koͤnnen. Jndeſſen, wenn man
behaupten will, daß dieſes einfache in dem vermiſchten
nicht immer genug bemerkbar ſey, ſo werde ich nicht
widerſprechen, weil dieſe Frage in unſre folgende
Betrachtungen keinen Einfluß hat. Wir merken
daher nur an, daß nicht nur das Auge, ſondern auch
die uͤbrigen Sinnen uns eine ſolche Menge und Stu-
fen in den einfachen Begriffen geben, die wir nicht
alle mit Worten ausdruͤcken koͤnnen, und uns daher
mit ſolchen Worten, die uͤberhaupt ganze Klaſſen von
ſolchen Begriffen anzeigen, begnuͤgen; wie z. E. die
Worte bitter, ſuͤß, ſauer, ſcharf, ſalzigt, her-
be
ꝛc. die verſchiedenen Arten des Geſchmackes anzei-
gen, deren wir etwann noch, wo es um Vergleichun-
gen zu thun iſt, die Bitterkeit der Galle, des Wer-
muths ꝛc. die Suͤßigkeit des Zuckers, des Honigs ꝛc.
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terſchiede und Stufen des Schmerzens, durch druͤ-

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[471/0493] oder fuͤr ſich gedenkbaren Begriffen. mehrere Farben zugleich empfinden, wie z. E. in dem blaurothen oder rothblauen. Denn da in der vorhin erwaͤhnten Gradation das Rothe vom Blauen zu weit entfernt iſt, ſo empfinden wir das Heterogene in den Vermiſchungen. Hingegen zeigt uns die Er- fahrung, daß ſich aus blau und gelb ein ſolches Gruͤn zuſammenſetzen laſſe, welches uns weder vom Blauen noch vom Gelben eine Spur zeigt. Und daß aus der Vermiſchung aller Farben weiß entſtehe, haͤtten wir ohne die priſmatiſchen Verſuche kaum wiſ- ſen koͤnnen, ungeachtet wir es nach dieſer erſten Ver- anlaſſung nun auch aus der taͤglichen Erfahrung her- leiten koͤnnen. Sofern demnach aus der vermiſchten Empfindung zwoer oder mehrer Farben jede beſonders erkannt werden kann, ſofern haben wir auch eine Ver- miſchung in dem Begriffe, doch ſo, daß wir die ein- fachen daraus erkennen koͤnnen. Jndeſſen, wenn man behaupten will, daß dieſes einfache in dem vermiſchten nicht immer genug bemerkbar ſey, ſo werde ich nicht widerſprechen, weil dieſe Frage in unſre folgende Betrachtungen keinen Einfluß hat. Wir merken daher nur an, daß nicht nur das Auge, ſondern auch die uͤbrigen Sinnen uns eine ſolche Menge und Stu- fen in den einfachen Begriffen geben, die wir nicht alle mit Worten ausdruͤcken koͤnnen, und uns daher mit ſolchen Worten, die uͤberhaupt ganze Klaſſen von ſolchen Begriffen anzeigen, begnuͤgen; wie z. E. die Worte bitter, ſuͤß, ſauer, ſcharf, ſalzigt, her- be ꝛc. die verſchiedenen Arten des Geſchmackes anzei- gen, deren wir etwann noch, wo es um Vergleichun- gen zu thun iſt, die Bitterkeit der Galle, des Wer- muths ꝛc. die Suͤßigkeit des Zuckers, des Honigs ꝛc. beyfuͤgen. Auf eine aͤhnliche Art druͤcken wir die Un- terſchiede und Stufen des Schmerzens, durch druͤ- cken, G g 4

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/493>, abgerufen am 25.04.2024.