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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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von den Begriffen und Erklärungen.
den mehr in sich halten, als der nächst höhere Begriff,
der bereits unter einem gewissen Namen bekannt ist.
Am füglichsten aber verfährt man, wenn man darauf
Acht hat, wie die Merkmaale, wodurch sich die vorge-
nommenen Fälle von einander unterscheiden, verschieden
sind. Besteht dieser Unterschied nur in Graden oder
Stuffen, so ist klar, daß der Begriff am allgemein-
sten wird, wenn man die Bestimmung dieses Unter-
schiedes ganz wegläßt, und folglich alle Fälle von dem
geringsten Grade an bis zum größten unter den Be-
griff der Gattung nimmt. So sind z. E. die Stuffen
der Klarheit und Deutlichkeit in den Gedanken, die
von einem völligen Mangel bis zum Unendlichen ge-
hen. Man kann eben so in vielen Fällen den Begriff
der Wirklichkeit auf die bloße Möglichkeit ausdehnen,
wie man z. E. die Erkenntnißkräfte bis auf bloße
Fähigkeiten erstreckt. Ueberhaupt aber hat man auf
den Grund zu sehen, warum in den einzeln Fällen ge-
wisse Merkmaale mehr sind, als in der Gattung, denn
so wird man aus gleichem oder wenigstens aus einem
ähnlichen Grunde auch von dem herausgebrachten
Begriffe der Gattung noch mehrere Merkmaale weg-
lassen, und folglich denselben allgemeiner machen kön-
nen. Denn so weit dieses möglich ist, kann es selbst
durch den gemeinen Gebrauch zu reden geschehen, und
es ist nützlich es zu thun, weil die allgemeine Erkennt-
niß vor der eingeschränktern vieles voraus hat (§. 16)
zumal wenn man zeigen kann, daß es in der That zur
Erweiterung der Erkenntniß dient, wenn man diesen
oder jenen Begriff allgemeiner macht.

§. 47.

Die andre Regel forderte: daß man sich von
der Wirklichkeit der vorgenommenen Fälle
versichere,
und der Grund davon ist, weil die Ver-

siche-

von den Begriffen und Erklaͤrungen.
den mehr in ſich halten, als der naͤchſt hoͤhere Begriff,
der bereits unter einem gewiſſen Namen bekannt iſt.
Am fuͤglichſten aber verfaͤhrt man, wenn man darauf
Acht hat, wie die Merkmaale, wodurch ſich die vorge-
nommenen Faͤlle von einander unterſcheiden, verſchieden
ſind. Beſteht dieſer Unterſchied nur in Graden oder
Stuffen, ſo iſt klar, daß der Begriff am allgemein-
ſten wird, wenn man die Beſtimmung dieſes Unter-
ſchiedes ganz weglaͤßt, und folglich alle Faͤlle von dem
geringſten Grade an bis zum groͤßten unter den Be-
griff der Gattung nimmt. So ſind z. E. die Stuffen
der Klarheit und Deutlichkeit in den Gedanken, die
von einem voͤlligen Mangel bis zum Unendlichen ge-
hen. Man kann eben ſo in vielen Faͤllen den Begriff
der Wirklichkeit auf die bloße Moͤglichkeit ausdehnen,
wie man z. E. die Erkenntnißkraͤfte bis auf bloße
Faͤhigkeiten erſtreckt. Ueberhaupt aber hat man auf
den Grund zu ſehen, warum in den einzeln Faͤllen ge-
wiſſe Merkmaale mehr ſind, als in der Gattung, denn
ſo wird man aus gleichem oder wenigſtens aus einem
aͤhnlichen Grunde auch von dem herausgebrachten
Begriffe der Gattung noch mehrere Merkmaale weg-
laſſen, und folglich denſelben allgemeiner machen koͤn-
nen. Denn ſo weit dieſes moͤglich iſt, kann es ſelbſt
durch den gemeinen Gebrauch zu reden geſchehen, und
es iſt nuͤtzlich es zu thun, weil die allgemeine Erkennt-
niß vor der eingeſchraͤnktern vieles voraus hat (§. 16)
zumal wenn man zeigen kann, daß es in der That zur
Erweiterung der Erkenntniß dient, wenn man dieſen
oder jenen Begriff allgemeiner macht.

§. 47.

Die andre Regel forderte: daß man ſich von
der Wirklichkeit der vorgenommenen Faͤlle
verſichere,
und der Grund davon iſt, weil die Ver-

ſiche-
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[29/0051] von den Begriffen und Erklaͤrungen. den mehr in ſich halten, als der naͤchſt hoͤhere Begriff, der bereits unter einem gewiſſen Namen bekannt iſt. Am fuͤglichſten aber verfaͤhrt man, wenn man darauf Acht hat, wie die Merkmaale, wodurch ſich die vorge- nommenen Faͤlle von einander unterſcheiden, verſchieden ſind. Beſteht dieſer Unterſchied nur in Graden oder Stuffen, ſo iſt klar, daß der Begriff am allgemein- ſten wird, wenn man die Beſtimmung dieſes Unter- ſchiedes ganz weglaͤßt, und folglich alle Faͤlle von dem geringſten Grade an bis zum groͤßten unter den Be- griff der Gattung nimmt. So ſind z. E. die Stuffen der Klarheit und Deutlichkeit in den Gedanken, die von einem voͤlligen Mangel bis zum Unendlichen ge- hen. Man kann eben ſo in vielen Faͤllen den Begriff der Wirklichkeit auf die bloße Moͤglichkeit ausdehnen, wie man z. E. die Erkenntnißkraͤfte bis auf bloße Faͤhigkeiten erſtreckt. Ueberhaupt aber hat man auf den Grund zu ſehen, warum in den einzeln Faͤllen ge- wiſſe Merkmaale mehr ſind, als in der Gattung, denn ſo wird man aus gleichem oder wenigſtens aus einem aͤhnlichen Grunde auch von dem herausgebrachten Begriffe der Gattung noch mehrere Merkmaale weg- laſſen, und folglich denſelben allgemeiner machen koͤn- nen. Denn ſo weit dieſes moͤglich iſt, kann es ſelbſt durch den gemeinen Gebrauch zu reden geſchehen, und es iſt nuͤtzlich es zu thun, weil die allgemeine Erkennt- niß vor der eingeſchraͤnktern vieles voraus hat (§. 16) zumal wenn man zeigen kann, daß es in der That zur Erweiterung der Erkenntniß dient, wenn man dieſen oder jenen Begriff allgemeiner macht. §. 47. Die andre Regel forderte: daß man ſich von der Wirklichkeit der vorgenommenen Faͤlle verſichere, und der Grund davon iſt, weil die Ver- ſiche-

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/51>, abgerufen am 29.03.2024.