Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Hauptst. von den Grundsätzen u. Forder.
ganz ausgefüllt ist. Man sieht leicht, daß diese
Postulata nur ideal sind, und folglich unbestimmt
lassen, ob jeder Raum nothwendig ausgefüllt sey
oder seyn müsse?

§. 95.

Wir haben daher in Ansehung der Solidität ver-
schiedene Einheiten, die wir noch anzeigen wollen.
Die erste betrifft die Dichtigkeit der Materie in
einem bestimmten Raume. Diese ist am größten,
wenn der Raum bis zur Continuität ausgefüllt ist.
Demnach läßt sich die absolute Dichtigkeit durch die
Einheit ausdrücken, und diese admittirt Brüche,
die kleiner als die Einheit sind, in so fern nämlich
der Raum nicht ganz ausgefüllt ist, sondern leere
Zwischenräumchen hat.

§. 96.

Jst hingegen der Raum ganz ausgefüllt, so ist
die Dichtigkeit absolut, und die Einheit, die sie vor-
stellt, ist keiner fernern Abwechslung fähig. Dieses
folgt aus dem Begriff, daß das Solide jedes andre
von dem Ort, den es einnimmt, ausschleußt, und daß
ein Raum, der völlig ausgefüllt ist, nicht noch ein-
mal ausgefüllt werden könne. Jn dieser Absicht ist
demnach die Solidität eine absolute Einheit, wie die
Existenz. (§. 12.) Ob aber in der Materie selbst ein
solcher innerer Unterschied seyn könne, daß z. E. eine
Materie, wenn jede einen Raum bis zur Continui-
tät ausfüllt, dennoch dabey weniger oder mehr Masse
haben könnte, ist eine ganz andre Frage. Auf diese
Art wäre eine Materie dichter oder rarer, als die an-
dre, ohne Zwischenräumchen zu haben. Man sieht
leicht, daß, wenn dieses möglich ist, die Dichtigkeit
in dieser Absicht keine bestimmte Einheit haben könne,
weil sie von 0 bis ins Unendliche gehen würde, und

daß

II. Hauptſt. von den Grundſaͤtzen u. Forder.
ganz ausgefuͤllt iſt. Man ſieht leicht, daß dieſe
Poſtulata nur ideal ſind, und folglich unbeſtimmt
laſſen, ob jeder Raum nothwendig ausgefuͤllt ſey
oder ſeyn muͤſſe?

§. 95.

Wir haben daher in Anſehung der Soliditaͤt ver-
ſchiedene Einheiten, die wir noch anzeigen wollen.
Die erſte betrifft die Dichtigkeit der Materie in
einem beſtimmten Raume. Dieſe iſt am groͤßten,
wenn der Raum bis zur Continuitaͤt ausgefuͤllt iſt.
Demnach laͤßt ſich die abſolute Dichtigkeit durch die
Einheit ausdruͤcken, und dieſe admittirt Bruͤche,
die kleiner als die Einheit ſind, in ſo fern naͤmlich
der Raum nicht ganz ausgefuͤllt iſt, ſondern leere
Zwiſchenraͤumchen hat.

§. 96.

Jſt hingegen der Raum ganz ausgefuͤllt, ſo iſt
die Dichtigkeit abſolut, und die Einheit, die ſie vor-
ſtellt, iſt keiner fernern Abwechslung faͤhig. Dieſes
folgt aus dem Begriff, daß das Solide jedes andre
von dem Ort, den es einnimmt, ausſchleußt, und daß
ein Raum, der voͤllig ausgefuͤllt iſt, nicht noch ein-
mal ausgefuͤllt werden koͤnne. Jn dieſer Abſicht iſt
demnach die Soliditaͤt eine abſolute Einheit, wie die
Exiſtenz. (§. 12.) Ob aber in der Materie ſelbſt ein
ſolcher innerer Unterſchied ſeyn koͤnne, daß z. E. eine
Materie, wenn jede einen Raum bis zur Continui-
taͤt ausfuͤllt, dennoch dabey weniger oder mehr Maſſe
haben koͤnnte, iſt eine ganz andre Frage. Auf dieſe
Art waͤre eine Materie dichter oder rarer, als die an-
dre, ohne Zwiſchenraͤumchen zu haben. Man ſieht
leicht, daß, wenn dieſes moͤglich iſt, die Dichtigkeit
in dieſer Abſicht keine beſtimmte Einheit haben koͤnne,
weil ſie von 0 bis ins Unendliche gehen wuͤrde, und

daß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0528" n="506"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Haupt&#x017F;t. von den Grund&#x017F;a&#x0364;tzen u. Forder.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">ganz ausgefu&#x0364;llt i&#x017F;t.</hi> Man &#x017F;ieht leicht, daß die&#x017F;e<lb/><hi rendition="#aq">Po&#x017F;tulata</hi> nur ideal &#x017F;ind, und folglich unbe&#x017F;timmt<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, ob jeder Raum nothwendig ausgefu&#x0364;llt &#x017F;ey<lb/>
oder &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e?</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 95.</head><lb/>
            <p>Wir haben daher in An&#x017F;ehung der Solidita&#x0364;t ver-<lb/>
&#x017F;chiedene Einheiten, die wir noch anzeigen wollen.<lb/>
Die er&#x017F;te betrifft die <hi rendition="#fr">Dichtigkeit der Materie</hi> in<lb/>
einem be&#x017F;timmten Raume. Die&#x017F;e i&#x017F;t am gro&#x0364;ßten,<lb/>
wenn der Raum bis zur Continuita&#x0364;t ausgefu&#x0364;llt i&#x017F;t.<lb/>
Demnach la&#x0364;ßt &#x017F;ich die ab&#x017F;olute Dichtigkeit durch die<lb/>
Einheit ausdru&#x0364;cken, und die&#x017F;e admittirt Bru&#x0364;che,<lb/>
die kleiner als die Einheit &#x017F;ind, in &#x017F;o fern na&#x0364;mlich<lb/>
der Raum nicht ganz ausgefu&#x0364;llt i&#x017F;t, &#x017F;ondern leere<lb/>
Zwi&#x017F;chenra&#x0364;umchen hat.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 96.</head><lb/>
            <p>J&#x017F;t hingegen der Raum ganz ausgefu&#x0364;llt, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
die Dichtigkeit ab&#x017F;olut, und die Einheit, die &#x017F;ie vor-<lb/>
&#x017F;tellt, i&#x017F;t keiner fernern Abwechslung fa&#x0364;hig. Die&#x017F;es<lb/>
folgt aus dem Begriff, daß das Solide jedes andre<lb/>
von dem Ort, den es einnimmt, aus&#x017F;chleußt, und daß<lb/>
ein Raum, der vo&#x0364;llig ausgefu&#x0364;llt i&#x017F;t, nicht noch ein-<lb/>
mal ausgefu&#x0364;llt werden ko&#x0364;nne. Jn die&#x017F;er Ab&#x017F;icht i&#x017F;t<lb/>
demnach die Solidita&#x0364;t eine ab&#x017F;olute Einheit, wie die<lb/>
Exi&#x017F;tenz. (§. 12.) Ob aber in der Materie &#x017F;elb&#x017F;t ein<lb/>
&#x017F;olcher innerer Unter&#x017F;chied &#x017F;eyn ko&#x0364;nne, daß z. E. eine<lb/>
Materie, wenn jede einen Raum bis zur Continui-<lb/>
ta&#x0364;t ausfu&#x0364;llt, dennoch dabey weniger oder mehr Ma&#x017F;&#x017F;e<lb/>
haben ko&#x0364;nnte, i&#x017F;t eine ganz andre Frage. Auf die&#x017F;e<lb/>
Art wa&#x0364;re eine Materie dichter oder rarer, als die an-<lb/>
dre, ohne Zwi&#x017F;chenra&#x0364;umchen zu haben. Man &#x017F;ieht<lb/>
leicht, daß, wenn die&#x017F;es mo&#x0364;glich i&#x017F;t, die Dichtigkeit<lb/>
in die&#x017F;er Ab&#x017F;icht keine be&#x017F;timmte Einheit haben ko&#x0364;nne,<lb/>
weil &#x017F;ie von 0 bis ins Unendliche gehen wu&#x0364;rde, und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">daß</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[506/0528] II. Hauptſt. von den Grundſaͤtzen u. Forder. ganz ausgefuͤllt iſt. Man ſieht leicht, daß dieſe Poſtulata nur ideal ſind, und folglich unbeſtimmt laſſen, ob jeder Raum nothwendig ausgefuͤllt ſey oder ſeyn muͤſſe? §. 95. Wir haben daher in Anſehung der Soliditaͤt ver- ſchiedene Einheiten, die wir noch anzeigen wollen. Die erſte betrifft die Dichtigkeit der Materie in einem beſtimmten Raume. Dieſe iſt am groͤßten, wenn der Raum bis zur Continuitaͤt ausgefuͤllt iſt. Demnach laͤßt ſich die abſolute Dichtigkeit durch die Einheit ausdruͤcken, und dieſe admittirt Bruͤche, die kleiner als die Einheit ſind, in ſo fern naͤmlich der Raum nicht ganz ausgefuͤllt iſt, ſondern leere Zwiſchenraͤumchen hat. §. 96. Jſt hingegen der Raum ganz ausgefuͤllt, ſo iſt die Dichtigkeit abſolut, und die Einheit, die ſie vor- ſtellt, iſt keiner fernern Abwechslung faͤhig. Dieſes folgt aus dem Begriff, daß das Solide jedes andre von dem Ort, den es einnimmt, ausſchleußt, und daß ein Raum, der voͤllig ausgefuͤllt iſt, nicht noch ein- mal ausgefuͤllt werden koͤnne. Jn dieſer Abſicht iſt demnach die Soliditaͤt eine abſolute Einheit, wie die Exiſtenz. (§. 12.) Ob aber in der Materie ſelbſt ein ſolcher innerer Unterſchied ſeyn koͤnne, daß z. E. eine Materie, wenn jede einen Raum bis zur Continui- taͤt ausfuͤllt, dennoch dabey weniger oder mehr Maſſe haben koͤnnte, iſt eine ganz andre Frage. Auf dieſe Art waͤre eine Materie dichter oder rarer, als die an- dre, ohne Zwiſchenraͤumchen zu haben. Man ſieht leicht, daß, wenn dieſes moͤglich iſt, die Dichtigkeit in dieſer Abſicht keine beſtimmte Einheit haben koͤnne, weil ſie von 0 bis ins Unendliche gehen wuͤrde, und daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/528
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/528>, abgerufen am 20.04.2024.