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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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von zusammengesetzten Begriffen.
vielen Abwechslungen, welche die einfachen Begriffe
in Ansehung ihrer Grade zulassen, bey den zusam-
mengesetzten Begriffen eine unendliche Mannigfaltig-
keit giebt, und zwar dergestalt, daß man diese öfters
für wesentlich, und der Art nach verschieden ansieht,
da sie doch nur in den Graden verschieden sind.
Jn der Naturlehre ist dieses offenbar. Man darf
sich nur vorstellen, wie viele Mannigfaltigkeiten in
den Körpern schlechthin dadurch möglich sind, daß die
Figur, die Lage und Kräfte der kleinsten Theile stuf-
senweise verändert genommen werden. Eine kleine
Aenderung in der Lage der Theilchen kann einem
Körper eine andre Farbe geben, und der Unterschied
in der Wärme macht bald alle Körper hart und flüßig.
Man kann mit gutem Grunde anstehen, ob die Nahrung
der Pflanzen und Thiere sich anders als durch solche klei-
ne Aenderungen in so unzählig vielerley Säfte und
veste Theile verwandle, und ob nicht überhaupt alle
Körper aus einerley Grundstoff bestehen?

§. 135.

Die Möglichkeit zusammengesetzter Begriffe liegt
bereits in den einfachen, und so fern diese an sich schon
sich ausschließen, so fern sind auch die daraus zusam-
mengesetzten nicht möglich, sondern bloße Hirngespinn-
ste. Man sieht auch hieraus, was die allgemeinen
Möglichkeiten, die die im vorhergehenden Hauptstücke
angezeigten Postulata angeben, ingleichen verschiedne
verneinende Sätze, die sich schon bey den einfachen
Begriffen einfinden, in Absicht auf die Möglichkeit
und Unmöglichkeit zusammengesetzter Begriffe zu
sagen haben. So z. E. zeigt man in der Geometrie
die Gränzen der Möglichkeit jeder Figuren, und was
jede Bestimmung nothwendig nach sich ziehe, damit
man sich nicht etwann träumen lasse, es gebe z. E.

Trian-

von zuſammengeſetzten Begriffen.
vielen Abwechslungen, welche die einfachen Begriffe
in Anſehung ihrer Grade zulaſſen, bey den zuſam-
mengeſetzten Begriffen eine unendliche Mannigfaltig-
keit giebt, und zwar dergeſtalt, daß man dieſe oͤfters
fuͤr weſentlich, und der Art nach verſchieden anſieht,
da ſie doch nur in den Graden verſchieden ſind.
Jn der Naturlehre iſt dieſes offenbar. Man darf
ſich nur vorſtellen, wie viele Mannigfaltigkeiten in
den Koͤrpern ſchlechthin dadurch moͤglich ſind, daß die
Figur, die Lage und Kraͤfte der kleinſten Theile ſtuf-
ſenweiſe veraͤndert genommen werden. Eine kleine
Aenderung in der Lage der Theilchen kann einem
Koͤrper eine andre Farbe geben, und der Unterſchied
in der Waͤrme macht bald alle Koͤrper hart und fluͤßig.
Man kann mit gutem Grunde anſtehen, ob die Nahrung
der Pflanzen und Thiere ſich anders als durch ſolche klei-
ne Aenderungen in ſo unzaͤhlig vielerley Saͤfte und
veſte Theile verwandle, und ob nicht uͤberhaupt alle
Koͤrper aus einerley Grundſtoff beſtehen?

§. 135.

Die Moͤglichkeit zuſammengeſetzter Begriffe liegt
bereits in den einfachen, und ſo fern dieſe an ſich ſchon
ſich ausſchließen, ſo fern ſind auch die daraus zuſam-
mengeſetzten nicht moͤglich, ſondern bloße Hirngeſpinn-
ſte. Man ſieht auch hieraus, was die allgemeinen
Moͤglichkeiten, die die im vorhergehenden Hauptſtuͤcke
angezeigten Poſtulata angeben, ingleichen verſchiedne
verneinende Saͤtze, die ſich ſchon bey den einfachen
Begriffen einfinden, in Abſicht auf die Moͤglichkeit
und Unmoͤglichkeit zuſammengeſetzter Begriffe zu
ſagen haben. So z. E. zeigt man in der Geometrie
die Graͤnzen der Moͤglichkeit jeder Figuren, und was
jede Beſtimmung nothwendig nach ſich ziehe, damit
man ſich nicht etwann traͤumen laſſe, es gebe z. E.

Trian-
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[523/0545] von zuſammengeſetzten Begriffen. vielen Abwechslungen, welche die einfachen Begriffe in Anſehung ihrer Grade zulaſſen, bey den zuſam- mengeſetzten Begriffen eine unendliche Mannigfaltig- keit giebt, und zwar dergeſtalt, daß man dieſe oͤfters fuͤr weſentlich, und der Art nach verſchieden anſieht, da ſie doch nur in den Graden verſchieden ſind. Jn der Naturlehre iſt dieſes offenbar. Man darf ſich nur vorſtellen, wie viele Mannigfaltigkeiten in den Koͤrpern ſchlechthin dadurch moͤglich ſind, daß die Figur, die Lage und Kraͤfte der kleinſten Theile ſtuf- ſenweiſe veraͤndert genommen werden. Eine kleine Aenderung in der Lage der Theilchen kann einem Koͤrper eine andre Farbe geben, und der Unterſchied in der Waͤrme macht bald alle Koͤrper hart und fluͤßig. Man kann mit gutem Grunde anſtehen, ob die Nahrung der Pflanzen und Thiere ſich anders als durch ſolche klei- ne Aenderungen in ſo unzaͤhlig vielerley Saͤfte und veſte Theile verwandle, und ob nicht uͤberhaupt alle Koͤrper aus einerley Grundſtoff beſtehen? §. 135. Die Moͤglichkeit zuſammengeſetzter Begriffe liegt bereits in den einfachen, und ſo fern dieſe an ſich ſchon ſich ausſchließen, ſo fern ſind auch die daraus zuſam- mengeſetzten nicht moͤglich, ſondern bloße Hirngeſpinn- ſte. Man ſieht auch hieraus, was die allgemeinen Moͤglichkeiten, die die im vorhergehenden Hauptſtuͤcke angezeigten Poſtulata angeben, ingleichen verſchiedne verneinende Saͤtze, die ſich ſchon bey den einfachen Begriffen einfinden, in Abſicht auf die Moͤglichkeit und Unmoͤglichkeit zuſammengeſetzter Begriffe zu ſagen haben. So z. E. zeigt man in der Geometrie die Graͤnzen der Moͤglichkeit jeder Figuren, und was jede Beſtimmung nothwendig nach ſich ziehe, damit man ſich nicht etwann traͤumen laſſe, es gebe z. E. Trian-

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/545>, abgerufen am 25.04.2024.