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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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von zusammengesetzten Begriffen.
§. 138.

Wir haben bereits schon einigemal angemerkt,
daß die Wörter, welche einfache Begriffe vorstellen,
ihre Bedeutung wenig ändern, und allerdings wird
man, so lange die Sprache bleibt, durch die Namen
der Farben, des Schalls, der Zeit, des Raumes etc.
immer eben die Sachen verstehen. Auf eine ähnliche
Art ändern auch die Wörter ihre Bedeutung nicht
leicht, welche eine Sache vorstellen, die an sich ein
Ganzes ist, und nicht erst nach unsrer Willkühr dazu
gemacht werden darf, dergleichen z. E. die Wörter:
Sonne, Mond, Stern, Wasser, Erde, Mensch,
Haus, Kirche, Thurm, Luft etc. ingleichen die Na-
men der Thiere, Pflanzen, Metalle etc. so die Natur
selbst in bleibende Arten eingetheilt hat, sind. Bey
diesen Dingen haben wir nicht die Wahl, wie viel
oder wenig Begriffe wir zusammennehmen wollen,
um den Begriff der ganzen Sache zu bilden, und
wenn wir uns auch etwann übersehen, so müssen wir
immer wiederum den Begriff nach der Sache
richten, die das Wort vorstellt.

§. 139.

Hingegen, wo wir eine gewisse Anzahl von Merkmaa-
len oder Verhältnißbegriffen zusammennehmen, und
durch ein Wort ausdrücken, da ist es nicht so leicht einzu-
sehen, wie viele oder wie wenig wir in der That zu-
sammennehmen, und ob allemal alle wiederum da vor-
kommen, wo wir sie zu finden vermeynen.

§. 140.

Noch mißlicher aber sieht es aus, wo das Wort
bereits eingeführt ist. Denn da fangen wir von Ju-
gend auf an, die Wörter mehrentheils ohne die
Sachen zu lernen,
und anstatt daß wir Definitio-
nen haben sollen, die den Umfang solcher Begriffe

genau
von zuſammengeſetzten Begriffen.
§. 138.

Wir haben bereits ſchon einigemal angemerkt,
daß die Woͤrter, welche einfache Begriffe vorſtellen,
ihre Bedeutung wenig aͤndern, und allerdings wird
man, ſo lange die Sprache bleibt, durch die Namen
der Farben, des Schalls, der Zeit, des Raumes ꝛc.
immer eben die Sachen verſtehen. Auf eine aͤhnliche
Art aͤndern auch die Woͤrter ihre Bedeutung nicht
leicht, welche eine Sache vorſtellen, die an ſich ein
Ganzes iſt, und nicht erſt nach unſrer Willkuͤhr dazu
gemacht werden darf, dergleichen z. E. die Woͤrter:
Sonne, Mond, Stern, Waſſer, Erde, Menſch,
Haus, Kirche, Thurm, Luft ꝛc. ingleichen die Na-
men der Thiere, Pflanzen, Metalle ꝛc. ſo die Natur
ſelbſt in bleibende Arten eingetheilt hat, ſind. Bey
dieſen Dingen haben wir nicht die Wahl, wie viel
oder wenig Begriffe wir zuſammennehmen wollen,
um den Begriff der ganzen Sache zu bilden, und
wenn wir uns auch etwann uͤberſehen, ſo muͤſſen wir
immer wiederum den Begriff nach der Sache
richten, die das Wort vorſtellt.

§. 139.

Hingegen, wo wir eine gewiſſe Anzahl von Merkmaa-
len oder Verhaͤltnißbegriffen zuſammennehmen, und
durch ein Wort ausdruͤcken, da iſt es nicht ſo leicht einzu-
ſehen, wie viele oder wie wenig wir in der That zu-
ſammennehmen, und ob allemal alle wiederum da vor-
kommen, wo wir ſie zu finden vermeynen.

§. 140.

Noch mißlicher aber ſieht es aus, wo das Wort
bereits eingefuͤhrt iſt. Denn da fangen wir von Ju-
gend auf an, die Woͤrter mehrentheils ohne die
Sachen zu lernen,
und anſtatt daß wir Definitio-
nen haben ſollen, die den Umfang ſolcher Begriffe

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[525/0547] von zuſammengeſetzten Begriffen. §. 138. Wir haben bereits ſchon einigemal angemerkt, daß die Woͤrter, welche einfache Begriffe vorſtellen, ihre Bedeutung wenig aͤndern, und allerdings wird man, ſo lange die Sprache bleibt, durch die Namen der Farben, des Schalls, der Zeit, des Raumes ꝛc. immer eben die Sachen verſtehen. Auf eine aͤhnliche Art aͤndern auch die Woͤrter ihre Bedeutung nicht leicht, welche eine Sache vorſtellen, die an ſich ein Ganzes iſt, und nicht erſt nach unſrer Willkuͤhr dazu gemacht werden darf, dergleichen z. E. die Woͤrter: Sonne, Mond, Stern, Waſſer, Erde, Menſch, Haus, Kirche, Thurm, Luft ꝛc. ingleichen die Na- men der Thiere, Pflanzen, Metalle ꝛc. ſo die Natur ſelbſt in bleibende Arten eingetheilt hat, ſind. Bey dieſen Dingen haben wir nicht die Wahl, wie viel oder wenig Begriffe wir zuſammennehmen wollen, um den Begriff der ganzen Sache zu bilden, und wenn wir uns auch etwann uͤberſehen, ſo muͤſſen wir immer wiederum den Begriff nach der Sache richten, die das Wort vorſtellt. §. 139. Hingegen, wo wir eine gewiſſe Anzahl von Merkmaa- len oder Verhaͤltnißbegriffen zuſammennehmen, und durch ein Wort ausdruͤcken, da iſt es nicht ſo leicht einzu- ſehen, wie viele oder wie wenig wir in der That zu- ſammennehmen, und ob allemal alle wiederum da vor- kommen, wo wir ſie zu finden vermeynen. §. 140. Noch mißlicher aber ſieht es aus, wo das Wort bereits eingefuͤhrt iſt. Denn da fangen wir von Ju- gend auf an, die Woͤrter mehrentheils ohne die Sachen zu lernen, und anſtatt daß wir Definitio- nen haben ſollen, die den Umfang ſolcher Begriffe genau

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 525. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/547>, abgerufen am 23.04.2024.