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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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Semiotik.


Erstes Hauptstück.

Von der
symbolischen Erkenntniß überhaupt.

§. 1.

Die genauere Betrachtung der Wörter und
überhaupt jeder Zeichen, wodurch wir
Begriffe und Sachen vorstellen, macht
sich einem Weltweisen, der das Wahre vom Falschen zu
trennen sucht, aus vielen Gründen nothwendig, und
kann daher auch aus der Grundwissenschaft nicht weg-
bleiben. Jede Sprache beut uns eine gewisse Anzahl
Wörter an, mit deren mannichfaltigen Verbindung wir
uns lebenslang beschäfftigen, theils um unsere Gedan-
ken auszudrücken, theils um durch neue Verbindungen
oder Combinationen der Wörter neue Wahrheiten zu
suchen. Diese ziemlich bestimmte Anzahl der Wörter
einer Sprache setzet unserer Erkenntniß, in Absicht auf
ihre Ausdehnung, gewissermaßen Schranken, und giebt
derselben eine ihr eigene Form oder Gestalt, welche al-
lerdings in die Wahrheit selbst einen Einfluß hat, und
in allewege die Untersuchung eines Weltweisen ver-

dienet.
A 3


Semiotik.


Erſtes Hauptſtuͤck.

Von der
ſymboliſchen Erkenntniß uͤberhaupt.

§. 1.

Die genauere Betrachtung der Woͤrter und
uͤberhaupt jeder Zeichen, wodurch wir
Begriffe und Sachen vorſtellen, macht
ſich einem Weltweiſen, der das Wahre vom Falſchen zu
trennen ſucht, aus vielen Gruͤnden nothwendig, und
kann daher auch aus der Grundwiſſenſchaft nicht weg-
bleiben. Jede Sprache beut uns eine gewiſſe Anzahl
Woͤrter an, mit deren mannichfaltigen Verbindung wir
uns lebenslang beſchaͤfftigen, theils um unſere Gedan-
ken auszudruͤcken, theils um durch neue Verbindungen
oder Combinationen der Woͤrter neue Wahrheiten zu
ſuchen. Dieſe ziemlich beſtimmte Anzahl der Woͤrter
einer Sprache ſetzet unſerer Erkenntniß, in Abſicht auf
ihre Ausdehnung, gewiſſermaßen Schranken, und giebt
derſelben eine ihr eigene Form oder Geſtalt, welche al-
lerdings in die Wahrheit ſelbſt einen Einfluß hat, und
in allewege die Unterſuchung eines Weltweiſen ver-

dienet.
A 3
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[[5]/0011] Semiotik. Erſtes Hauptſtuͤck. Von der ſymboliſchen Erkenntniß uͤberhaupt. §. 1. Die genauere Betrachtung der Woͤrter und uͤberhaupt jeder Zeichen, wodurch wir Begriffe und Sachen vorſtellen, macht ſich einem Weltweiſen, der das Wahre vom Falſchen zu trennen ſucht, aus vielen Gruͤnden nothwendig, und kann daher auch aus der Grundwiſſenſchaft nicht weg- bleiben. Jede Sprache beut uns eine gewiſſe Anzahl Woͤrter an, mit deren mannichfaltigen Verbindung wir uns lebenslang beſchaͤfftigen, theils um unſere Gedan- ken auszudruͤcken, theils um durch neue Verbindungen oder Combinationen der Woͤrter neue Wahrheiten zu ſuchen. Dieſe ziemlich beſtimmte Anzahl der Woͤrter einer Sprache ſetzet unſerer Erkenntniß, in Abſicht auf ihre Ausdehnung, gewiſſermaßen Schranken, und giebt derſelben eine ihr eigene Form oder Geſtalt, welche al- lerdings in die Wahrheit ſelbſt einen Einfluß hat, und in allewege die Unterſuchung eines Weltweiſen ver- dienet. A 3

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. [5]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/11>, abgerufen am 28.03.2024.