Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite
IV. Hauptstück.


Viertes Hauptstück.
Von den Zeitwörtern.

§. 145.

Die Zeitwörter, wodurch ein Thun oder Leiden ange-
zeigt wird, gehen den übrigen Gattungen von
Wörtern aus verschiedenen Gründen vor. Sie lassen
sich nicht nur für sich gedenken, sondern sind auch zum
Verstand einer Rede unentbehrlich. Man hat daher
in den Sprachlehren die Regel, daß eine Redensart
oder
Phrasis wenigstens ein Zeitwort haben
müsse,
und daher scheinen sie im Lateinischen gleichsam
vor andern auch Verba oder schlechthin Wörter, ge-
nennt worden zu seyn. Die Aufgaben, auf ihre ein-
fachste Form gebracht, fordern sie ebenfalls, (Dianoiol.
§. 152.) und überhaupt haben die Handlungen das
nächste Recht, zuerst benennt zu werden (§. 118.).

§. 146. Dieses ist nun in den wirklichen Sprachen
auf eine sehr metaphysische Art geschehen, weil man,
nebst dem Begriff der Handlung, noch eine Menge von
Bestimmungen derselben mit einem Worte ausdrückt.
Man unterscheidet das Thun von dem Leiden durch
die thätige und leidende Gattung, (genus actiuum
et passiuum
); die vergangene, gegenwärtige und
künftige Zeit der Handlung, durch die Tempora oder
Zeiten; die Anzeige, das Gebieten, das Verbin-
den
und das Unbestimmte durch die Modos: Indi-
catiuus, Imperatiuus, Coniunctiuus
und Insinitiuus;
die einzele oder mehrere Zahl der Thuenden oder Leiden-
den, und endlich auch den Unterschied der Personen,
durch die Wörter: ich, du, er; wir, ihr, sie, und
dazu gewiedmeten Endungen. Die hebräische und grie-

chische
IV. Hauptſtuͤck.


Viertes Hauptſtuͤck.
Von den Zeitwoͤrtern.

§. 145.

Die Zeitwoͤrter, wodurch ein Thun oder Leiden ange-
zeigt wird, gehen den uͤbrigen Gattungen von
Woͤrtern aus verſchiedenen Gruͤnden vor. Sie laſſen
ſich nicht nur fuͤr ſich gedenken, ſondern ſind auch zum
Verſtand einer Rede unentbehrlich. Man hat daher
in den Sprachlehren die Regel, daß eine Redensart
oder
Phraſis wenigſtens ein Zeitwort haben
muͤſſe,
und daher ſcheinen ſie im Lateiniſchen gleichſam
vor andern auch Verba oder ſchlechthin Woͤrter, ge-
nennt worden zu ſeyn. Die Aufgaben, auf ihre ein-
fachſte Form gebracht, fordern ſie ebenfalls, (Dianoiol.
§. 152.) und uͤberhaupt haben die Handlungen das
naͤchſte Recht, zuerſt benennt zu werden (§. 118.).

§. 146. Dieſes iſt nun in den wirklichen Sprachen
auf eine ſehr metaphyſiſche Art geſchehen, weil man,
nebſt dem Begriff der Handlung, noch eine Menge von
Beſtimmungen derſelben mit einem Worte ausdruͤckt.
Man unterſcheidet das Thun von dem Leiden durch
die thaͤtige und leidende Gattung, (genus actiuum
et paſſiuum
); die vergangene, gegenwaͤrtige und
kuͤnftige Zeit der Handlung, durch die Tempora oder
Zeiten; die Anzeige, das Gebieten, das Verbin-
den
und das Unbeſtimmte durch die Modos: Indi-
catiuus, Imperatiuus, Coniunctiuus
und Inſinitiuus;
die einzele oder mehrere Zahl der Thuenden oder Leiden-
den, und endlich auch den Unterſchied der Perſonen,
durch die Woͤrter: ich, du, er; wir, ihr, ſie, und
dazu gewiedmeten Endungen. Die hebraͤiſche und grie-

chiſche
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0092" n="86"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IV.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi> </fw><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Viertes Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.<lb/><hi rendition="#g">Von den Zeitwo&#x0364;rtern</hi>.</hi> </head><lb/>
          <p> <hi rendition="#c">§. 145.</hi> </p><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>ie Zeitwo&#x0364;rter, wodurch ein Thun oder Leiden ange-<lb/>
zeigt wird, gehen den u&#x0364;brigen Gattungen von<lb/>
Wo&#x0364;rtern aus ver&#x017F;chiedenen Gru&#x0364;nden vor. Sie la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ich nicht nur fu&#x0364;r &#x017F;ich gedenken, &#x017F;ondern &#x017F;ind auch zum<lb/>
Ver&#x017F;tand einer Rede unentbehrlich. Man hat daher<lb/>
in den Sprachlehren die Regel, <hi rendition="#fr">daß eine Redensart<lb/>
oder</hi> <hi rendition="#aq">Phra&#x017F;is</hi> <hi rendition="#fr">wenig&#x017F;tens ein Zeitwort haben<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e,</hi> und daher &#x017F;cheinen &#x017F;ie im Lateini&#x017F;chen gleich&#x017F;am<lb/>
vor andern auch <hi rendition="#aq">Verba</hi> oder &#x017F;chlechthin <hi rendition="#fr">Wo&#x0364;rter,</hi> ge-<lb/>
nennt worden zu &#x017F;eyn. Die Aufgaben, auf ihre ein-<lb/>
fach&#x017F;te Form gebracht, fordern &#x017F;ie ebenfalls, (Dianoiol.<lb/>
§. 152.) und u&#x0364;berhaupt haben die Handlungen das<lb/>
na&#x0364;ch&#x017F;te Recht, zuer&#x017F;t benennt zu werden (§. 118.).</p><lb/>
          <p>§. 146. Die&#x017F;es i&#x017F;t nun in den wirklichen Sprachen<lb/>
auf eine &#x017F;ehr metaphy&#x017F;i&#x017F;che Art ge&#x017F;chehen, weil man,<lb/>
neb&#x017F;t dem Begriff der Handlung, noch eine Menge von<lb/>
Be&#x017F;timmungen der&#x017F;elben mit einem Worte ausdru&#x0364;ckt.<lb/>
Man unter&#x017F;cheidet das <hi rendition="#fr">Thun</hi> von dem <hi rendition="#fr">Leiden</hi> durch<lb/>
die <hi rendition="#fr">tha&#x0364;tige</hi> und <hi rendition="#fr">leidende</hi> Gattung, (<hi rendition="#aq">genus actiuum<lb/>
et pa&#x017F;&#x017F;iuum</hi>); die <hi rendition="#fr">vergangene, gegenwa&#x0364;rtige</hi> und<lb/><hi rendition="#fr">ku&#x0364;nftige</hi> Zeit der Handlung, durch die <hi rendition="#aq">Tempora</hi> oder<lb/><hi rendition="#fr">Zeiten;</hi> die <hi rendition="#fr">Anzeige,</hi> das <hi rendition="#fr">Gebieten,</hi> das <hi rendition="#fr">Verbin-<lb/>
den</hi> und das <hi rendition="#fr">Unbe&#x017F;timmte</hi> durch die <hi rendition="#aq">Modos: Indi-<lb/>
catiuus, Imperatiuus, Coniunctiuus</hi> und <hi rendition="#aq">In&#x017F;initiuus;</hi><lb/>
die einzele oder mehrere Zahl der Thuenden oder Leiden-<lb/>
den, und endlich auch den Unter&#x017F;chied der <hi rendition="#fr">Per&#x017F;onen,</hi><lb/>
durch die Wo&#x0364;rter: <hi rendition="#fr">ich, du, er; wir, ihr, &#x017F;ie,</hi> und<lb/>
dazu gewiedmeten Endungen. Die hebra&#x0364;i&#x017F;che und grie-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">chi&#x017F;che</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0092] IV. Hauptſtuͤck. Viertes Hauptſtuͤck. Von den Zeitwoͤrtern. §. 145. Die Zeitwoͤrter, wodurch ein Thun oder Leiden ange- zeigt wird, gehen den uͤbrigen Gattungen von Woͤrtern aus verſchiedenen Gruͤnden vor. Sie laſſen ſich nicht nur fuͤr ſich gedenken, ſondern ſind auch zum Verſtand einer Rede unentbehrlich. Man hat daher in den Sprachlehren die Regel, daß eine Redensart oder Phraſis wenigſtens ein Zeitwort haben muͤſſe, und daher ſcheinen ſie im Lateiniſchen gleichſam vor andern auch Verba oder ſchlechthin Woͤrter, ge- nennt worden zu ſeyn. Die Aufgaben, auf ihre ein- fachſte Form gebracht, fordern ſie ebenfalls, (Dianoiol. §. 152.) und uͤberhaupt haben die Handlungen das naͤchſte Recht, zuerſt benennt zu werden (§. 118.). §. 146. Dieſes iſt nun in den wirklichen Sprachen auf eine ſehr metaphyſiſche Art geſchehen, weil man, nebſt dem Begriff der Handlung, noch eine Menge von Beſtimmungen derſelben mit einem Worte ausdruͤckt. Man unterſcheidet das Thun von dem Leiden durch die thaͤtige und leidende Gattung, (genus actiuum et paſſiuum); die vergangene, gegenwaͤrtige und kuͤnftige Zeit der Handlung, durch die Tempora oder Zeiten; die Anzeige, das Gebieten, das Verbin- den und das Unbeſtimmte durch die Modos: Indi- catiuus, Imperatiuus, Coniunctiuus und Inſinitiuus; die einzele oder mehrere Zahl der Thuenden oder Leiden- den, und endlich auch den Unterſchied der Perſonen, durch die Woͤrter: ich, du, er; wir, ihr, ſie, und dazu gewiedmeten Endungen. Die hebraͤiſche und grie- chiſche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/92
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/92>, abgerufen am 29.03.2024.