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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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be zu ihr; und ein Blick, ein einziger un-
gekünstelter Blick ihrer Augen, scheint sie
zu verscheuchen; so eine reine unbefleckte
Seele wird man in ihr gewahr. -- Halt
einmal: wie komme ich zu diesem Ge-
schwätz? -- So lauteten die Briefe des
armen Seymour, da er in die schöne
Y** verliebt war: sollte mich diese Land-
jungfer auch zum Schwärmer machen?
So weit es zu meinen Absichten dient,
mag es seyn; aber, beym Jupiter, sie
soll mich schadlos halten! Jch habe Mi-
lords G**s zweyten Secretair gewonnen?
der Kerl ist ein halber Teufel. Er hatte
die Theologie studirt, aber sie wegen der
strengen Strafe, die er über eine Bübe-
rey leiden müssen, verlassen; und seitdem
sucht er sich an allen frommen Leuten zu
rächen. Es ist gut, wenn man ihren
Stolz demüthigen kann, sagte er; durch
ihn will ich Milord Seymouren ausfor-
schen. Er kann den letzten, wegen der
Moral, die er immer predigt, nicht aus-
stehen. Du siehst, daß der Theologe ei-
ne starke Verwandlung erlitten hat? aber

so
L 5

be zu ihr; und ein Blick, ein einziger un-
gekuͤnſtelter Blick ihrer Augen, ſcheint ſie
zu verſcheuchen; ſo eine reine unbefleckte
Seele wird man in ihr gewahr. — Halt
einmal: wie komme ich zu dieſem Ge-
ſchwaͤtz? — So lauteten die Briefe des
armen Seymour, da er in die ſchoͤne
Y** verliebt war: ſollte mich dieſe Land-
jungfer auch zum Schwaͤrmer machen?
So weit es zu meinen Abſichten dient,
mag es ſeyn; aber, beym Jupiter, ſie
ſoll mich ſchadlos halten! Jch habe Mi-
lords G**s zweyten Secretair gewonnen?
der Kerl iſt ein halber Teufel. Er hatte
die Theologie ſtudirt, aber ſie wegen der
ſtrengen Strafe, die er uͤber eine Buͤbe-
rey leiden muͤſſen, verlaſſen; und ſeitdem
ſucht er ſich an allen frommen Leuten zu
raͤchen. Es iſt gut, wenn man ihren
Stolz demuͤthigen kann, ſagte er; durch
ihn will ich Milord Seymouren ausfor-
ſchen. Er kann den letzten, wegen der
Moral, die er immer predigt, nicht aus-
ſtehen. Du ſiehſt, daß der Theologe ei-
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[169/0195] be zu ihr; und ein Blick, ein einziger un- gekuͤnſtelter Blick ihrer Augen, ſcheint ſie zu verſcheuchen; ſo eine reine unbefleckte Seele wird man in ihr gewahr. — Halt einmal: wie komme ich zu dieſem Ge- ſchwaͤtz? — So lauteten die Briefe des armen Seymour, da er in die ſchoͤne Y** verliebt war: ſollte mich dieſe Land- jungfer auch zum Schwaͤrmer machen? So weit es zu meinen Abſichten dient, mag es ſeyn; aber, beym Jupiter, ſie ſoll mich ſchadlos halten! Jch habe Mi- lords G**s zweyten Secretair gewonnen? der Kerl iſt ein halber Teufel. Er hatte die Theologie ſtudirt, aber ſie wegen der ſtrengen Strafe, die er uͤber eine Buͤbe- rey leiden muͤſſen, verlaſſen; und ſeitdem ſucht er ſich an allen frommen Leuten zu raͤchen. Es iſt gut, wenn man ihren Stolz demuͤthigen kann, ſagte er; durch ihn will ich Milord Seymouren ausfor- ſchen. Er kann den letzten, wegen der Moral, die er immer predigt, nicht aus- ſtehen. Du ſiehſt, daß der Theologe ei- ne ſtarke Verwandlung erlitten hat? aber ſo L 5

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/195>, abgerufen am 25.04.2024.