Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

sätzen, und meinen Geist mit nützlichen
Kenntnissen erfüllte, nicht ein größeres
Maaß von Erkenntlichkeit, als der höfli-
che Fremdling, der mich nöthigt, an sei-
nen vorübergehenden Ergötzlichkeiten
Antheil zu nehmen? Die Gräfin:
Du hättest schicklicher das Wort abwech-
selnde Ergötzlichkeiten gebrauchen können.
Das Fräulein: Alle diese Fehler bewei-
sen Jhnen, daß ich für den Hof sehr un-
tauglich bin. Die Gräfin: Ja, heu-
te besonders, du sollst auch zu Hause blei-
ben. --

Derby erzählte mir dieses mit einem
leichtsinnigen Ton, aber gab genau auf
meine Bewegungen acht. Sie wissen,
daß ich sie selten verbergen kann, und in
diesem Falle war mirs ganz unmöglich.
Der Charakter des Fräuleins rührte mich.
Jch mißgönnte Derbyn, sie gesehen und
gehört zu haben. Unzufrieden auf mich,
meinen Oncle und den Fürsten, brach ich
in den Eifer aus, zu sagen: Das Fräu-
lein hat den edelsten und seltensten

Charak-

ſaͤtzen, und meinen Geiſt mit nuͤtzlichen
Kenntniſſen erfuͤllte, nicht ein groͤßeres
Maaß von Erkenntlichkeit, als der hoͤfli-
che Fremdling, der mich noͤthigt, an ſei-
nen voruͤbergehenden Ergoͤtzlichkeiten
Antheil zu nehmen? Die Graͤfin:
Du haͤtteſt ſchicklicher das Wort abwech-
ſelnde Ergoͤtzlichkeiten gebrauchen koͤnnen.
Das Fraͤulein: Alle dieſe Fehler bewei-
ſen Jhnen, daß ich fuͤr den Hof ſehr un-
tauglich bin. Die Graͤfin: Ja, heu-
te beſonders, du ſollſt auch zu Hauſe blei-
ben. —

Derby erzaͤhlte mir dieſes mit einem
leichtſinnigen Ton, aber gab genau auf
meine Bewegungen acht. Sie wiſſen,
daß ich ſie ſelten verbergen kann, und in
dieſem Falle war mirs ganz unmoͤglich.
Der Charakter des Fraͤuleins ruͤhrte mich.
Jch mißgoͤnnte Derbyn, ſie geſehen und
gehoͤrt zu haben. Unzufrieden auf mich,
meinen Oncle und den Fuͤrſten, brach ich
in den Eifer aus, zu ſagen: Das Fraͤu-
lein hat den edelſten und ſeltenſten

Charak-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0202" n="176"/>
&#x017F;a&#x0364;tzen, und meinen Gei&#x017F;t mit nu&#x0364;tzlichen<lb/>
Kenntni&#x017F;&#x017F;en erfu&#x0364;llte, nicht ein gro&#x0364;ßeres<lb/>
Maaß von Erkenntlichkeit, als der ho&#x0364;fli-<lb/>
che Fremdling, der mich <hi rendition="#fr">no&#x0364;thigt,</hi> an &#x017F;ei-<lb/>
nen voru&#x0364;bergehenden <hi rendition="#fr">Ergo&#x0364;tzlichkeiten</hi><lb/>
Antheil zu nehmen? <hi rendition="#fr">Die Gra&#x0364;fin:</hi><lb/>
Du ha&#x0364;tte&#x017F;t &#x017F;chicklicher das Wort abwech-<lb/>
&#x017F;elnde Ergo&#x0364;tzlichkeiten gebrauchen ko&#x0364;nnen.<lb/><hi rendition="#fr">Das Fra&#x0364;ulein:</hi> Alle die&#x017F;e Fehler bewei-<lb/>
&#x017F;en Jhnen, daß ich fu&#x0364;r den Hof &#x017F;ehr un-<lb/>
tauglich bin. <hi rendition="#fr">Die Gra&#x0364;fin:</hi> Ja, heu-<lb/>
te be&#x017F;onders, du &#x017F;oll&#x017F;t auch zu Hau&#x017F;e blei-<lb/>
ben. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Derby erza&#x0364;hlte mir die&#x017F;es mit einem<lb/>
leicht&#x017F;innigen Ton, aber gab genau auf<lb/>
meine Bewegungen acht. Sie wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
daß ich &#x017F;ie &#x017F;elten verbergen kann, und in<lb/>
die&#x017F;em Falle war mirs ganz unmo&#x0364;glich.<lb/>
Der Charakter des Fra&#x0364;uleins ru&#x0364;hrte mich.<lb/>
Jch mißgo&#x0364;nnte Derbyn, &#x017F;ie ge&#x017F;ehen und<lb/>
geho&#x0364;rt zu haben. Unzufrieden auf mich,<lb/>
meinen Oncle und den Fu&#x0364;r&#x017F;ten, brach ich<lb/>
in den Eifer aus, zu &#x017F;agen: <hi rendition="#fr">Das Fra&#x0364;u-<lb/>
lein hat den edel&#x017F;ten und &#x017F;elten&#x017F;ten</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Charak-</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0202] ſaͤtzen, und meinen Geiſt mit nuͤtzlichen Kenntniſſen erfuͤllte, nicht ein groͤßeres Maaß von Erkenntlichkeit, als der hoͤfli- che Fremdling, der mich noͤthigt, an ſei- nen voruͤbergehenden Ergoͤtzlichkeiten Antheil zu nehmen? Die Graͤfin: Du haͤtteſt ſchicklicher das Wort abwech- ſelnde Ergoͤtzlichkeiten gebrauchen koͤnnen. Das Fraͤulein: Alle dieſe Fehler bewei- ſen Jhnen, daß ich fuͤr den Hof ſehr un- tauglich bin. Die Graͤfin: Ja, heu- te beſonders, du ſollſt auch zu Hauſe blei- ben. — Derby erzaͤhlte mir dieſes mit einem leichtſinnigen Ton, aber gab genau auf meine Bewegungen acht. Sie wiſſen, daß ich ſie ſelten verbergen kann, und in dieſem Falle war mirs ganz unmoͤglich. Der Charakter des Fraͤuleins ruͤhrte mich. Jch mißgoͤnnte Derbyn, ſie geſehen und gehoͤrt zu haben. Unzufrieden auf mich, meinen Oncle und den Fuͤrſten, brach ich in den Eifer aus, zu ſagen: Das Fraͤu- lein hat den edelſten und ſeltenſten Charak-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/202
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/202>, abgerufen am 16.04.2024.