Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

schuldet haben mag, daß sie in der
schönsten Blüthe ihres Lebens aus ihrem
Vaterlande gerissen, zu Grunde gerichtet,
und in den elendesten Winkel der Erde ge-
worfen werden mußte. Und was wollte
das Verhängniß mit mir, daß ich der
Henkerbube seyn mußte, der diese Verur-
theilung vollzog? O ich schwör' es, wenn
ich jemals eine Tochter erziehe, so soll sie
alle Stricke kennen lernen, womit die
Bosheit unsers Geschlechts die Unschuld
des ihrigen umringt! -- Aber was hilft
dieß die arme Sternheim? -- -- Komm
zurück, wir wollen im Frühjahre sie ein-
mal besuchen; diesen Winter muß sie aus-
harren, ob sie mich schon jammert.

Einschaltung der Abschreiberinn.

Hier, meine Freundinn, müssen Sie
noch etwas von meiner Feder lesen, um
eine Lücke auszufüllen, welche sich in den
Papieren, wovon ich Jhnen die Auszüge
mittheile, findet. Meine liebe Dame
wurde nach dem Anschlage des gottlosen

Lords

ſchuldet haben mag, daß ſie in der
ſchoͤnſten Bluͤthe ihres Lebens aus ihrem
Vaterlande geriſſen, zu Grunde gerichtet,
und in den elendeſten Winkel der Erde ge-
worfen werden mußte. Und was wollte
das Verhaͤngniß mit mir, daß ich der
Henkerbube ſeyn mußte, der dieſe Verur-
theilung vollzog? O ich ſchwoͤr’ es, wenn
ich jemals eine Tochter erziehe, ſo ſoll ſie
alle Stricke kennen lernen, womit die
Bosheit unſers Geſchlechts die Unſchuld
des ihrigen umringt! — Aber was hilft
dieß die arme Sternheim? — — Komm
zuruͤck, wir wollen im Fruͤhjahre ſie ein-
mal beſuchen; dieſen Winter muß ſie aus-
harren, ob ſie mich ſchon jammert.

Einſchaltung der Abſchreiberinn.

Hier, meine Freundinn, muͤſſen Sie
noch etwas von meiner Feder leſen, um
eine Luͤcke auszufuͤllen, welche ſich in den
Papieren, wovon ich Jhnen die Auszuͤge
mittheile, findet. Meine liebe Dame
wurde nach dem Anſchlage des gottloſen

Lords
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0211" n="205"/>
&#x017F;chuldet haben mag, daß &#x017F;ie in der<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Blu&#x0364;the ihres Lebens aus ihrem<lb/>
Vaterlande geri&#x017F;&#x017F;en, zu Grunde gerichtet,<lb/>
und in den elende&#x017F;ten Winkel der Erde ge-<lb/>
worfen werden mußte. Und was wollte<lb/>
das Verha&#x0364;ngniß mit mir, daß ich der<lb/>
Henkerbube &#x017F;eyn mußte, der die&#x017F;e Verur-<lb/>
theilung vollzog? O ich &#x017F;chwo&#x0364;r&#x2019; es, wenn<lb/>
ich jemals eine Tochter erziehe, &#x017F;o &#x017F;oll &#x017F;ie<lb/>
alle Stricke kennen lernen, womit die<lb/>
Bosheit un&#x017F;ers Ge&#x017F;chlechts die Un&#x017F;chuld<lb/>
des ihrigen umringt! &#x2014; Aber was hilft<lb/>
dieß die arme Sternheim? &#x2014; &#x2014; Komm<lb/>
zuru&#x0364;ck, wir wollen im Fru&#x0364;hjahre &#x017F;ie ein-<lb/>
mal be&#x017F;uchen; die&#x017F;en Winter muß &#x017F;ie aus-<lb/>
harren, ob &#x017F;ie mich &#x017F;chon jammert.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>Ein&#x017F;chaltung der Ab&#x017F;chreiberinn.</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">H</hi>ier, meine Freundinn, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Sie<lb/>
noch etwas von meiner Feder le&#x017F;en, um<lb/>
eine Lu&#x0364;cke auszufu&#x0364;llen, welche &#x017F;ich in den<lb/>
Papieren, wovon ich Jhnen die Auszu&#x0364;ge<lb/>
mittheile, findet. Meine liebe Dame<lb/>
wurde nach dem An&#x017F;chlage des gottlo&#x017F;en<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Lords</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0211] ſchuldet haben mag, daß ſie in der ſchoͤnſten Bluͤthe ihres Lebens aus ihrem Vaterlande geriſſen, zu Grunde gerichtet, und in den elendeſten Winkel der Erde ge- worfen werden mußte. Und was wollte das Verhaͤngniß mit mir, daß ich der Henkerbube ſeyn mußte, der dieſe Verur- theilung vollzog? O ich ſchwoͤr’ es, wenn ich jemals eine Tochter erziehe, ſo ſoll ſie alle Stricke kennen lernen, womit die Bosheit unſers Geſchlechts die Unſchuld des ihrigen umringt! — Aber was hilft dieß die arme Sternheim? — — Komm zuruͤck, wir wollen im Fruͤhjahre ſie ein- mal beſuchen; dieſen Winter muß ſie aus- harren, ob ſie mich ſchon jammert. Einſchaltung der Abſchreiberinn. Hier, meine Freundinn, muͤſſen Sie noch etwas von meiner Feder leſen, um eine Luͤcke auszufuͤllen, welche ſich in den Papieren, wovon ich Jhnen die Auszuͤge mittheile, findet. Meine liebe Dame wurde nach dem Anſchlage des gottloſen Lords

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/211
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/211>, abgerufen am 19.04.2024.