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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

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Aus dem Tagebuche einer Ameise.
bist mein Glück, meine Hoffnung, nur in deiner Liebe
finde ich meine Kraft. Jch werde dich erringen, fürchte
nichts!" Sie schweigt, sie weint. "Jch kann ja nicht
anders," flüstert sie endlich. "Jch habe gerungen gegen
Dich, gegen mich -- ich war zu schwach. Nun komme
was da wolle. Jch kenne nichts mehr, als deine Liebe!"
Er sank zu ihren Füßen, ich fiel zu Boden. Jch mußte
den Genossen folgen.

Aber was ist Liebe? Jch habe es nicht erfahren.
Das höchste Glück und das höchste Elend der Menschen?
Sie werfen es fort, und dann vergessen sie alles um
der Liebe willen? Den ganzen Staat für einen
Menschen, die Welt um ein Weibchen? Unglückseliges,
bedauernswertes Geschlecht! Wie weise sind doch die
Einrichtungen der Ameisen! Wie herrlich das "Unbe-
bewußtsein der unvermeidlichen Handlungsweise!" --
Morgen ist die erste Hochzeitssonne. So ist es ein
Jahr wie das andere, und das ist gut so.

Hochzeitssonne 3.

Wieder ordentlich im Stocke eingerichtet. Mögen
die Menschen machen was sie wollen, ich habe höhere
Pflichten, als mich um den Unsinn zu kümmern, den
sie Liebe nennen. Bei uns läuft alles im Stock durch-
einander. Es ist Zeit, daß die unnützen Esser, die
Männchen, beseitigt werden.

Hochzeitssonne 5.

Am nächsten schönen Sonnentage, den wir haben,
wird das Hochzeitsfest gefeiert. Es ist eigentlich schade,

Laßwitz, Seifenblasen. 8

Aus dem Tagebuche einer Ameiſe.
biſt mein Glück, meine Hoffnung, nur in deiner Liebe
finde ich meine Kraft. Jch werde dich erringen, fürchte
nichts!“ Sie ſchweigt, ſie weint. „Jch kann ja nicht
anders,“ flüſtert ſie endlich. „Jch habe gerungen gegen
Dich, gegen mich — ich war zu ſchwach. Nun komme
was da wolle. Jch kenne nichts mehr, als deine Liebe!“
Er ſank zu ihren Füßen, ich fiel zu Boden. Jch mußte
den Genoſſen folgen.

Aber was iſt Liebe? Jch habe es nicht erfahren.
Das höchſte Glück und das höchſte Elend der Menſchen?
Sie werfen es fort, und dann vergeſſen ſie alles um
der Liebe willen? Den ganzen Staat für einen
Menſchen, die Welt um ein Weibchen? Unglückſeliges,
bedauernswertes Geſchlecht! Wie weiſe ſind doch die
Einrichtungen der Ameiſen! Wie herrlich das „Unbe-
bewußtſein der unvermeidlichen Handlungsweiſe!“ —
Morgen iſt die erſte Hochzeitsſonne. So iſt es ein
Jahr wie das andere, und das iſt gut ſo.

Hochzeitsſonne 3.

Wieder ordentlich im Stocke eingerichtet. Mögen
die Menſchen machen was ſie wollen, ich habe höhere
Pflichten, als mich um den Unſinn zu kümmern, den
ſie Liebe nennen. Bei uns läuft alles im Stock durch-
einander. Es iſt Zeit, daß die unnützen Eſſer, die
Männchen, beſeitigt werden.

Hochzeitsſonne 5.

Am nächſten ſchönen Sonnentage, den wir haben,
wird das Hochzeitsfeſt gefeiert. Es iſt eigentlich ſchade,

Laßwitz, Seifenblaſen. 8
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[113/0119] Aus dem Tagebuche einer Ameiſe. biſt mein Glück, meine Hoffnung, nur in deiner Liebe finde ich meine Kraft. Jch werde dich erringen, fürchte nichts!“ Sie ſchweigt, ſie weint. „Jch kann ja nicht anders,“ flüſtert ſie endlich. „Jch habe gerungen gegen Dich, gegen mich — ich war zu ſchwach. Nun komme was da wolle. Jch kenne nichts mehr, als deine Liebe!“ Er ſank zu ihren Füßen, ich fiel zu Boden. Jch mußte den Genoſſen folgen. Aber was iſt Liebe? Jch habe es nicht erfahren. Das höchſte Glück und das höchſte Elend der Menſchen? Sie werfen es fort, und dann vergeſſen ſie alles um der Liebe willen? Den ganzen Staat für einen Menſchen, die Welt um ein Weibchen? Unglückſeliges, bedauernswertes Geſchlecht! Wie weiſe ſind doch die Einrichtungen der Ameiſen! Wie herrlich das „Unbe- bewußtſein der unvermeidlichen Handlungsweiſe!“ — Morgen iſt die erſte Hochzeitsſonne. So iſt es ein Jahr wie das andere, und das iſt gut ſo. Hochzeitsſonne 3. Wieder ordentlich im Stocke eingerichtet. Mögen die Menſchen machen was ſie wollen, ich habe höhere Pflichten, als mich um den Unſinn zu kümmern, den ſie Liebe nennen. Bei uns läuft alles im Stock durch- einander. Es iſt Zeit, daß die unnützen Eſſer, die Männchen, beſeitigt werden. Hochzeitsſonne 5. Am nächſten ſchönen Sonnentage, den wir haben, wird das Hochzeitsfeſt gefeiert. Es iſt eigentlich ſchade, Laßwitz, Seifenblaſen. 8

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/119>, abgerufen am 25.04.2024.