Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Traumfabrikant.
hielten sie vor die Augen und warfen sie wütend fort.
"Auf jeder Traumblase ist sein Bild!" schrieen sie.
"Nun sollen wir ihn selber träumen!" Da flog mir
ein Splitter ins Auge, das war, als ginge ein neues
Licht rings um mich auf, und ich sah zu meinem Ent-
setzen, daß all die Seifenblasen im ganzen Raum mein
eigenes Bildnis trugen, überall sah ich nur mich selbst;
ich blies nicht mehr, aber immer aufs neue quollen die
Blasen mit meinem Ebenbild hervor, sie häuften sich
um mich und drohten mich zu ersticken; nur dumpf noch
grollten in der Ferne die zornigen Stimmen und ver-
gebens griff ich mit den Armen umher, um mich an
einen Menschen zu klammern außer mir -- -- so
wachte ich auf, in Angstschweiß gebadet. Und da
schwor ich mir, ferner nicht mehr -- nun, kurz und
gut, die Traumpolitik ist mir verleidet."

Erregt durch die Erinnerung schritt er im Zimmer
auf und ab.

"Du hattest," sagte Forbach leise zu seiner Braut,
"Dein Traumkissen --"

Amalie nickte mit dem Kopf.

"Verrate mich nicht," bat sie.

"Nein," sagte Dormio; "aber Du siehst die Folgen
der künstlichen Traumbeglückung. Wir können nur all-
gemeine Züge vorzeichnen, über den Erfolg entscheidet
stets die Jndividualität. Denn das Traumbild ersteht
aus dem Vorrat der im Bewußtsein angesammelten
Vorstellungen nach Maßgabe der gewohnten Associationen.
Dadurch sondert sich das Jch vom Jch, und die un-

Der Traumfabrikant.
hielten ſie vor die Augen und warfen ſie wütend fort.
„Auf jeder Traumblaſe iſt ſein Bild!“ ſchrieen ſie.
„Nun ſollen wir ihn ſelber träumen!“ Da flog mir
ein Splitter ins Auge, das war, als ginge ein neues
Licht rings um mich auf, und ich ſah zu meinem Ent-
ſetzen, daß all die Seifenblaſen im ganzen Raum mein
eigenes Bildnis trugen, überall ſah ich nur mich ſelbſt;
ich blies nicht mehr, aber immer aufs neue quollen die
Blaſen mit meinem Ebenbild hervor, ſie häuften ſich
um mich und drohten mich zu erſticken; nur dumpf noch
grollten in der Ferne die zornigen Stimmen und ver-
gebens griff ich mit den Armen umher, um mich an
einen Menſchen zu klammern außer mir — — ſo
wachte ich auf, in Angſtſchweiß gebadet. Und da
ſchwor ich mir, ferner nicht mehr — nun, kurz und
gut, die Traumpolitik iſt mir verleidet.“

Erregt durch die Erinnerung ſchritt er im Zimmer
auf und ab.

„Du hatteſt,“ ſagte Forbach leiſe zu ſeiner Braut,
„Dein Traumkiſſen —“

Amalie nickte mit dem Kopf.

„Verrate mich nicht,“ bat ſie.

„Nein,“ ſagte Dormio; „aber Du ſiehſt die Folgen
der künſtlichen Traumbeglückung. Wir können nur all-
gemeine Züge vorzeichnen, über den Erfolg entſcheidet
ſtets die Jndividualität. Denn das Traumbild erſteht
aus dem Vorrat der im Bewußtſein angeſammelten
Vorſtellungen nach Maßgabe der gewohnten Aſſociationen.
Dadurch ſondert ſich das Jch vom Jch, und die un-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0163" n="157"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der Traumfabrikant.</hi></fw><lb/>
hielten &#x017F;ie vor die Augen und warfen &#x017F;ie wütend fort.<lb/>
&#x201E;Auf jeder Traumbla&#x017F;e i&#x017F;t &#x017F;ein Bild!&#x201C; &#x017F;chrieen &#x017F;ie.<lb/>
&#x201E;Nun &#x017F;ollen wir ihn &#x017F;elber träumen!&#x201C; Da flog mir<lb/>
ein Splitter ins Auge, das war, als ginge ein neues<lb/>
Licht rings um mich auf, und ich &#x017F;ah zu meinem Ent-<lb/>
&#x017F;etzen, daß all die Seifenbla&#x017F;en im ganzen Raum mein<lb/>
eigenes Bildnis trugen, überall &#x017F;ah ich nur mich &#x017F;elb&#x017F;t;<lb/>
ich blies nicht mehr, aber immer aufs neue quollen die<lb/>
Bla&#x017F;en mit meinem Ebenbild hervor, &#x017F;ie häuften &#x017F;ich<lb/>
um mich und drohten mich zu er&#x017F;ticken; nur dumpf noch<lb/>
grollten in der Ferne die zornigen Stimmen und ver-<lb/>
gebens griff ich mit den Armen umher, um mich an<lb/>
einen Men&#x017F;chen zu klammern außer mir &#x2014; &#x2014; &#x017F;o<lb/>
wachte ich auf, in Ang&#x017F;t&#x017F;chweiß gebadet. Und da<lb/>
&#x017F;chwor ich mir, ferner nicht mehr &#x2014; nun, kurz und<lb/>
gut, die Traumpolitik i&#x017F;t mir verleidet.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Erregt durch die Erinnerung &#x017F;chritt er im Zimmer<lb/>
auf und ab.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du hatte&#x017F;t,&#x201C; &#x017F;agte Forbach lei&#x017F;e zu &#x017F;einer Braut,<lb/>
&#x201E;Dein Traumki&#x017F;&#x017F;en &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>Amalie nickte mit dem Kopf.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Verrate mich nicht,&#x201C; bat &#x017F;ie.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nein,&#x201C; &#x017F;agte Dormio; &#x201E;aber Du &#x017F;ieh&#x017F;t die Folgen<lb/>
der kün&#x017F;tlichen Traumbeglückung. Wir können nur all-<lb/>
gemeine Züge vorzeichnen, über den Erfolg ent&#x017F;cheidet<lb/>
&#x017F;tets die Jndividualität. Denn das Traumbild er&#x017F;teht<lb/>
aus dem Vorrat der im Bewußt&#x017F;ein ange&#x017F;ammelten<lb/>
Vor&#x017F;tellungen nach Maßgabe der gewohnten A&#x017F;&#x017F;ociationen.<lb/>
Dadurch &#x017F;ondert &#x017F;ich das Jch vom Jch, und die un-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0163] Der Traumfabrikant. hielten ſie vor die Augen und warfen ſie wütend fort. „Auf jeder Traumblaſe iſt ſein Bild!“ ſchrieen ſie. „Nun ſollen wir ihn ſelber träumen!“ Da flog mir ein Splitter ins Auge, das war, als ginge ein neues Licht rings um mich auf, und ich ſah zu meinem Ent- ſetzen, daß all die Seifenblaſen im ganzen Raum mein eigenes Bildnis trugen, überall ſah ich nur mich ſelbſt; ich blies nicht mehr, aber immer aufs neue quollen die Blaſen mit meinem Ebenbild hervor, ſie häuften ſich um mich und drohten mich zu erſticken; nur dumpf noch grollten in der Ferne die zornigen Stimmen und ver- gebens griff ich mit den Armen umher, um mich an einen Menſchen zu klammern außer mir — — ſo wachte ich auf, in Angſtſchweiß gebadet. Und da ſchwor ich mir, ferner nicht mehr — nun, kurz und gut, die Traumpolitik iſt mir verleidet.“ Erregt durch die Erinnerung ſchritt er im Zimmer auf und ab. „Du hatteſt,“ ſagte Forbach leiſe zu ſeiner Braut, „Dein Traumkiſſen —“ Amalie nickte mit dem Kopf. „Verrate mich nicht,“ bat ſie. „Nein,“ ſagte Dormio; „aber Du ſiehſt die Folgen der künſtlichen Traumbeglückung. Wir können nur all- gemeine Züge vorzeichnen, über den Erfolg entſcheidet ſtets die Jndividualität. Denn das Traumbild erſteht aus dem Vorrat der im Bewußtſein angeſammelten Vorſtellungen nach Maßgabe der gewohnten Aſſociationen. Dadurch ſondert ſich das Jch vom Jch, und die un-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/163
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/163>, abgerufen am 19.04.2024.