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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

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Aus dem Tagebuche einer Ameise.
regelmäßige Zeichen entstehen. Der andere Mensch hält
dieselben vor seine Augen und ist auf eine uns unbe-
kannte Weise imstande, daraus die Meinung des ersten
zu erkennen. Es muß wohl aber dieses Mitteilungs-
mittel ein ziemlich unvollkommenes sein, da man nach
dieser Operation Menschen häufig den Kopf schütteln
sieht, was man für ein Zeichen des Mißbehagens hält.
Ssrr nennt jenen Saft "Tinte," er soll bei den Menschen
sehr hoch geschätzt sein und in einer besonderen Drüse,
dem Tintenfaß, abgesondert werden. Diejenigen Menschen,
welche das größte Tintenfaß haben, sollen im höchsten
Ansehen stehen und von den andern gefürchtet werden.
Jch vermute, daß jener Saft ähnliche ätzende Eigen-
schaften wie unsere Säure hat und im Kampfe aus-
gespritzt wird. Ob er auch giftig wirkt?

Puppensonne 3.

Man merkt, daß es Sommer ist. Wir haben schon
eine Menge Puppen im Stock, ich glaube, es wird ein
gutes Jahr. Einige von unsern Müttern fangen an
recht alt zu werden. Die gute Xrr ist seit zwei Jahren
nicht aus dem Stock gekommen, einen Menschen hat sie
noch nie gesehen. Daß es solche Wesen gebe, hält sie
für einen Aberglauben. Als ich ihr sagte, daß ein
Mensch mit einem Schritt über einen ganzen Bau hin-
übersteigen könne, schlug sie die Fühler über dem Kopfe
zusammen, und nur, daß er auf bloß zwei Beinen geht,
beruhigte sie einigermaßen. Sie fand dies sehr unschick-
lich und wollte nichts weiter hören. Dann aber fragte

Aus dem Tagebuche einer Ameiſe.
regelmäßige Zeichen entſtehen. Der andere Menſch hält
dieſelben vor ſeine Augen und iſt auf eine uns unbe-
kannte Weiſe imſtande, daraus die Meinung des erſten
zu erkennen. Es muß wohl aber dieſes Mitteilungs-
mittel ein ziemlich unvollkommenes ſein, da man nach
dieſer Operation Menſchen häufig den Kopf ſchütteln
ſieht, was man für ein Zeichen des Mißbehagens hält.
Sſrr nennt jenen Saft „Tinte,“ er ſoll bei den Menſchen
ſehr hoch geſchätzt ſein und in einer beſonderen Drüſe,
dem Tintenfaß, abgeſondert werden. Diejenigen Menſchen,
welche das größte Tintenfaß haben, ſollen im höchſten
Anſehen ſtehen und von den andern gefürchtet werden.
Jch vermute, daß jener Saft ähnliche ätzende Eigen-
ſchaften wie unſere Säure hat und im Kampfe aus-
geſpritzt wird. Ob er auch giftig wirkt?

Puppenſonne 3.

Man merkt, daß es Sommer iſt. Wir haben ſchon
eine Menge Puppen im Stock, ich glaube, es wird ein
gutes Jahr. Einige von unſern Müttern fangen an
recht alt zu werden. Die gute Xrr iſt ſeit zwei Jahren
nicht aus dem Stock gekommen, einen Menſchen hat ſie
noch nie geſehen. Daß es ſolche Weſen gebe, hält ſie
für einen Aberglauben. Als ich ihr ſagte, daß ein
Menſch mit einem Schritt über einen ganzen Bau hin-
überſteigen könne, ſchlug ſie die Fühler über dem Kopfe
zuſammen, und nur, daß er auf bloß zwei Beinen geht,
beruhigte ſie einigermaßen. Sie fand dies ſehr unſchick-
lich und wollte nichts weiter hören. Dann aber fragte

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[85/0091] Aus dem Tagebuche einer Ameiſe. regelmäßige Zeichen entſtehen. Der andere Menſch hält dieſelben vor ſeine Augen und iſt auf eine uns unbe- kannte Weiſe imſtande, daraus die Meinung des erſten zu erkennen. Es muß wohl aber dieſes Mitteilungs- mittel ein ziemlich unvollkommenes ſein, da man nach dieſer Operation Menſchen häufig den Kopf ſchütteln ſieht, was man für ein Zeichen des Mißbehagens hält. Sſrr nennt jenen Saft „Tinte,“ er ſoll bei den Menſchen ſehr hoch geſchätzt ſein und in einer beſonderen Drüſe, dem Tintenfaß, abgeſondert werden. Diejenigen Menſchen, welche das größte Tintenfaß haben, ſollen im höchſten Anſehen ſtehen und von den andern gefürchtet werden. Jch vermute, daß jener Saft ähnliche ätzende Eigen- ſchaften wie unſere Säure hat und im Kampfe aus- geſpritzt wird. Ob er auch giftig wirkt? Puppenſonne 3. Man merkt, daß es Sommer iſt. Wir haben ſchon eine Menge Puppen im Stock, ich glaube, es wird ein gutes Jahr. Einige von unſern Müttern fangen an recht alt zu werden. Die gute Xrr iſt ſeit zwei Jahren nicht aus dem Stock gekommen, einen Menſchen hat ſie noch nie geſehen. Daß es ſolche Weſen gebe, hält ſie für einen Aberglauben. Als ich ihr ſagte, daß ein Menſch mit einem Schritt über einen ganzen Bau hin- überſteigen könne, ſchlug ſie die Fühler über dem Kopfe zuſammen, und nur, daß er auf bloß zwei Beinen geht, beruhigte ſie einigermaßen. Sie fand dies ſehr unſchick- lich und wollte nichts weiter hören. Dann aber fragte

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/91>, abgerufen am 28.03.2024.