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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833.

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darüber zu Grunde gehen. Es ist die unchristlichste
Subjectivität, die nur ersonnen werden konnte, und
dabei wollen sich einige von Euch noch in die Mitte
der demokratischen Zeitbewegung stellen, wollen sie lo¬
ben und führen. Heißt das nicht den Bock zum Gärt¬
ner setzen! Das Wesen dieser demokratischen Richtung
ist Allgemeinheit, Zurückdrängen des individuellen In¬
teresses, um das der Gesammtheit auf den Thron zu
setzen. Geberdet Ihr Euch nicht wie kleine Despoten,
wenigstens Autokraten, die sich eben nur selbst Gesetz
sind, die all ihren Launen den Zügel schießen lassen?

Und unsern Vereinigungspunkt, die Poesie anlan¬
gend, was hat uns da diese Richtung gebracht? Eine
schaamlose Enthüllung des eigenen Körpers, mit dem
die Poeten feilen Dirnen gleich kokettiren. Sie haben
keinen andern Mittelpunkt mehr, als das persönliche, meist
materielle Vergnügen, und je nachdem das nun groß
oder klein oder gar nicht da ist, wird das Gedicht fri¬
vol oder abgeschmackt oder gottlos. Sie haben sich
selbst auf den Thron des Höchsten gesetzt, darum haben
sie eine so arme Welt, eine so jämmerliche Regierung
derselben, einen so sündhaften schwachen Gott. Mit
wie viel Heineschen Gedichten könnte ich Dir das bele¬

darüber zu Grunde gehen. Es iſt die unchriſtlichſte
Subjectivität, die nur erſonnen werden konnte, und
dabei wollen ſich einige von Euch noch in die Mitte
der demokratiſchen Zeitbewegung ſtellen, wollen ſie lo¬
ben und führen. Heißt das nicht den Bock zum Gärt¬
ner ſetzen! Das Weſen dieſer demokratiſchen Richtung
iſt Allgemeinheit, Zurückdrängen des individuellen In¬
tereſſes, um das der Geſammtheit auf den Thron zu
ſetzen. Geberdet Ihr Euch nicht wie kleine Despoten,
wenigſtens Autokraten, die ſich eben nur ſelbſt Geſetz
ſind, die all ihren Launen den Zügel ſchießen laſſen?

Und unſern Vereinigungspunkt, die Poeſie anlan¬
gend, was hat uns da dieſe Richtung gebracht? Eine
ſchaamloſe Enthüllung des eigenen Körpers, mit dem
die Poeten feilen Dirnen gleich kokettiren. Sie haben
keinen andern Mittelpunkt mehr, als das perſönliche, meiſt
materielle Vergnügen, und je nachdem das nun groß
oder klein oder gar nicht da iſt, wird das Gedicht fri¬
vol oder abgeſchmackt oder gottlos. Sie haben ſich
ſelbſt auf den Thron des Höchſten geſetzt, darum haben
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[31/0041] darüber zu Grunde gehen. Es iſt die unchriſtlichſte Subjectivität, die nur erſonnen werden konnte, und dabei wollen ſich einige von Euch noch in die Mitte der demokratiſchen Zeitbewegung ſtellen, wollen ſie lo¬ ben und führen. Heißt das nicht den Bock zum Gärt¬ ner ſetzen! Das Weſen dieſer demokratiſchen Richtung iſt Allgemeinheit, Zurückdrängen des individuellen In¬ tereſſes, um das der Geſammtheit auf den Thron zu ſetzen. Geberdet Ihr Euch nicht wie kleine Despoten, wenigſtens Autokraten, die ſich eben nur ſelbſt Geſetz ſind, die all ihren Launen den Zügel ſchießen laſſen? Und unſern Vereinigungspunkt, die Poeſie anlan¬ gend, was hat uns da dieſe Richtung gebracht? Eine ſchaamloſe Enthüllung des eigenen Körpers, mit dem die Poeten feilen Dirnen gleich kokettiren. Sie haben keinen andern Mittelpunkt mehr, als das perſönliche, meiſt materielle Vergnügen, und je nachdem das nun groß oder klein oder gar nicht da iſt, wird das Gedicht fri¬ vol oder abgeſchmackt oder gottlos. Sie haben ſich ſelbſt auf den Thron des Höchſten geſetzt, darum haben ſie eine ſo arme Welt, eine ſo jämmerliche Regierung derſelben, einen ſo ſündhaften ſchwachen Gott. Mit wie viel Heineſchen Gedichten könnte ich Dir das bele¬

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/41>, abgerufen am 18.04.2024.