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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833.

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und geht in einer sehr vornehmen Haltung einher. Ihr
Haar ist rabenschwarz, sie trägt es glatt und ungelockt,
meist verhüllt durch eine Art leichten Turbans, den
sie mit großer Geschicklichkeit zu drappiren weiß, so daß
er wie ein keckes Bürschchen herunterschaut. Die Stirn
ist schön wie ein Marmortempel, die Augen -- ach
wenn ich Dir sagen könnte, was es mit diesen Au¬
gen, mit diesen lispelnden Mundwinkeln für eine
Beschaffenheit hätte! In den Augen und auf dem
Munde ruht jene Sehnsucht des bethauten Blumenkelchs.
Das Auge ist groß und schwarz, aber nicht stechend
schwarz, nein, weich wie Sammet und Seide, weich
wie die Nachtluft im heißen Sommer, glänzend wie
ein dunkler Wasserspiegel, der in ungestörter Ruhe zwi¬
schen den hohen Bergen Tyrols lagert. In seinen Tie¬
fen glaubt man bezauberndes Glockengeläut zu hören,
Städte von fabelhafter Pracht und Herrlichkeit liegen
zu sehn. Albertas Auge ist das Mährchen von tausend
und einer Nacht und die langen dunkeln Wimpern be¬
schatten es wie die träumerische Palme Arabiens zur
Zeit der Dämmerung; fein und schlank, fast unmerk¬
lich gebogen ist die Nase, aber die zarten Flügel zittern
mitunter wie Lotosblätter, die Brahma's Odem durchbebt,

und geht in einer ſehr vornehmen Haltung einher. Ihr
Haar iſt rabenſchwarz, ſie trägt es glatt und ungelockt,
meiſt verhüllt durch eine Art leichten Turbans, den
ſie mit großer Geſchicklichkeit zu drappiren weiß, ſo daß
er wie ein keckes Bürſchchen herunterſchaut. Die Stirn
iſt ſchön wie ein Marmortempel, die Augen — ach
wenn ich Dir ſagen könnte, was es mit dieſen Au¬
gen, mit dieſen lispelnden Mundwinkeln für eine
Beſchaffenheit hätte! In den Augen und auf dem
Munde ruht jene Sehnſucht des bethauten Blumenkelchs.
Das Auge iſt groß und ſchwarz, aber nicht ſtechend
ſchwarz, nein, weich wie Sammet und Seide, weich
wie die Nachtluft im heißen Sommer, glänzend wie
ein dunkler Waſſerſpiegel, der in ungeſtörter Ruhe zwi¬
ſchen den hohen Bergen Tyrols lagert. In ſeinen Tie¬
fen glaubt man bezauberndes Glockengeläut zu hören,
Städte von fabelhafter Pracht und Herrlichkeit liegen
zu ſehn. Albertas Auge iſt das Mährchen von tauſend
und einer Nacht und die langen dunkeln Wimpern be¬
ſchatten es wie die träumeriſche Palme Arabiens zur
Zeit der Dämmerung; fein und ſchlank, faſt unmerk¬
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[45/0055] und geht in einer ſehr vornehmen Haltung einher. Ihr Haar iſt rabenſchwarz, ſie trägt es glatt und ungelockt, meiſt verhüllt durch eine Art leichten Turbans, den ſie mit großer Geſchicklichkeit zu drappiren weiß, ſo daß er wie ein keckes Bürſchchen herunterſchaut. Die Stirn iſt ſchön wie ein Marmortempel, die Augen — ach wenn ich Dir ſagen könnte, was es mit dieſen Au¬ gen, mit dieſen lispelnden Mundwinkeln für eine Beſchaffenheit hätte! In den Augen und auf dem Munde ruht jene Sehnſucht des bethauten Blumenkelchs. Das Auge iſt groß und ſchwarz, aber nicht ſtechend ſchwarz, nein, weich wie Sammet und Seide, weich wie die Nachtluft im heißen Sommer, glänzend wie ein dunkler Waſſerſpiegel, der in ungeſtörter Ruhe zwi¬ ſchen den hohen Bergen Tyrols lagert. In ſeinen Tie¬ fen glaubt man bezauberndes Glockengeläut zu hören, Städte von fabelhafter Pracht und Herrlichkeit liegen zu ſehn. Albertas Auge iſt das Mährchen von tauſend und einer Nacht und die langen dunkeln Wimpern be¬ ſchatten es wie die träumeriſche Palme Arabiens zur Zeit der Dämmerung; fein und ſchlank, faſt unmerk¬ lich gebogen iſt die Naſe, aber die zarten Flügel zittern mitunter wie Lotosblätter, die Brahma's Odem durchbebt,

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/55>, abgerufen am 19.04.2024.