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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833.

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das lähmende Parterre, das umsonst mit den Schwin¬
gen nach Aussicht flattert und nicht die abgesonderte
Höhe, die umsonst Bewegung und Ausdehnung sucht.
Die Terasse stuft sich zu einem spiegelglatten Weiher
ab, über welchen Brücken in Park und Garten führen.
Ich sitze an der offnen Thür und sehe durch die offnen
Partien in die fernen blauen Berge und in die durch¬
sichtige, in der Abendsonne mit Thränenstäubchen spie¬
lende Luft. Das Geräusch der Bewohner kommt selten
hieher, sie schwärmen vorn unter den Citronen- und
Mandelbäumen, die in den breiten Vorhallen des Schlos¬
ses stehen. Ich habe mich unwohl melden lassen; so
denk' ich, wird mich Niemand stören, wenn ich Dir
weiter erzähle von meines Lebens größtem Glück und
Leid. -- --

Sie zog mich fort vom Sopha, weil sie befürch¬
tete, ihr Bruder könne Geräusch hören, ging in ihr
Schlafzimmer und setzte sich aufs Bett; ich kniete vor
ihr. Es war keine platte Sinnlichkeit, die Poesie beug¬
te sich lauschend wie ein rosenrothes Kind zwischen uns,
der Mond schien in Claras Gesicht, sie sah wie eine
Heilige aus, die zurückgekommen ist auf die Erde, um
ihre thörichte Verhöhnung der Natur lächelnd und küs¬

das lähmende Parterre, das umſonſt mit den Schwin¬
gen nach Ausſicht flattert und nicht die abgeſonderte
Höhe, die umſonſt Bewegung und Ausdehnung ſucht.
Die Teraſſe ſtuft ſich zu einem ſpiegelglatten Weiher
ab, über welchen Brücken in Park und Garten führen.
Ich ſitze an der offnen Thür und ſehe durch die offnen
Partien in die fernen blauen Berge und in die durch¬
ſichtige, in der Abendſonne mit Thränenſtäubchen ſpie¬
lende Luft. Das Geräuſch der Bewohner kommt ſelten
hieher, ſie ſchwärmen vorn unter den Citronen- und
Mandelbäumen, die in den breiten Vorhallen des Schloſ¬
ſes ſtehen. Ich habe mich unwohl melden laſſen; ſo
denk' ich, wird mich Niemand ſtören, wenn ich Dir
weiter erzähle von meines Lebens größtem Glück und
Leid. — —

Sie zog mich fort vom Sopha, weil ſie befürch¬
tete, ihr Bruder könne Geräuſch hören, ging in ihr
Schlafzimmer und ſetzte ſich aufs Bett; ich kniete vor
ihr. Es war keine platte Sinnlichkeit, die Poeſie beug¬
te ſich lauſchend wie ein roſenrothes Kind zwiſchen uns,
der Mond ſchien in Claras Geſicht, ſie ſah wie eine
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ihre thörichte Verhöhnung der Natur lächelnd und küſ¬

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[64/0074] das lähmende Parterre, das umſonſt mit den Schwin¬ gen nach Ausſicht flattert und nicht die abgeſonderte Höhe, die umſonſt Bewegung und Ausdehnung ſucht. Die Teraſſe ſtuft ſich zu einem ſpiegelglatten Weiher ab, über welchen Brücken in Park und Garten führen. Ich ſitze an der offnen Thür und ſehe durch die offnen Partien in die fernen blauen Berge und in die durch¬ ſichtige, in der Abendſonne mit Thränenſtäubchen ſpie¬ lende Luft. Das Geräuſch der Bewohner kommt ſelten hieher, ſie ſchwärmen vorn unter den Citronen- und Mandelbäumen, die in den breiten Vorhallen des Schloſ¬ ſes ſtehen. Ich habe mich unwohl melden laſſen; ſo denk' ich, wird mich Niemand ſtören, wenn ich Dir weiter erzähle von meines Lebens größtem Glück und Leid. — — Sie zog mich fort vom Sopha, weil ſie befürch¬ tete, ihr Bruder könne Geräuſch hören, ging in ihr Schlafzimmer und ſetzte ſich aufs Bett; ich kniete vor ihr. Es war keine platte Sinnlichkeit, die Poeſie beug¬ te ſich lauſchend wie ein roſenrothes Kind zwiſchen uns, der Mond ſchien in Claras Geſicht, ſie ſah wie eine Heilige aus, die zurückgekommen iſt auf die Erde, um ihre thörichte Verhöhnung der Natur lächelnd und küſ¬

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/74>, abgerufen am 25.04.2024.