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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833.

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ßerst Wohlwollendes, wenn er in seiner sanften Stim¬
mung ist, etwas tief Verächtliches, wenn er zürnt.
Sein Anzug ist immer ganz schwarz und modern; er
trägt meist einen schwarzen leichten Rock, der ihn sehr
gut kleidet; im Frack gefällt er mir nicht, man sieht ihn
auch selten darin. Seine Wäsche ist immer blendend
weiß, und das find' ich allerliebst am Manne. Ich glaube,
er hat Theologie studirt, aber die Wissenschaft gefällt
ihm nicht mehr. Er soll arm sein, das würde mir sehr
leid thun. An ihm selbst bemerkt man aber nicht das
Mindeste der Art. Ich glaub's auch nicht, denn er ist
in allen den freien Künsten, welche die höhern Stände
auszeichnen, sehr wohl erfahren: er reitet, ficht, tanzt
gut, ist musikalisch, spricht die fremden neuen Sprachen
und das Geld erscheint in seinen Reden nie. Er ist
mir überhaupt zu vornehm für einen Armen. Mit dem
Grafen spricht er am sichersten, wenn auch nicht soviel
wie Herr William. Aeußerst selten ist er gleicher Mei¬
nung mit jenem, aber er streitet, obwohl streng, doch
nie zänkisch, leidenschaftlich ungezogen wie so viele. Aber
mein Gott, ich schreibe Ihnen ja nur über den Mann,
und doch wollt' ich Ihnen über uns alle referiren.

Doch jetzt habe ich das Federfechten satt, wir wol¬

ßerſt Wohlwollendes, wenn er in ſeiner ſanften Stim¬
mung iſt, etwas tief Verächtliches, wenn er zürnt.
Sein Anzug iſt immer ganz ſchwarz und modern; er
trägt meiſt einen ſchwarzen leichten Rock, der ihn ſehr
gut kleidet; im Frack gefällt er mir nicht, man ſieht ihn
auch ſelten darin. Seine Wäſche iſt immer blendend
weiß, und das find' ich allerliebſt am Manne. Ich glaube,
er hat Theologie ſtudirt, aber die Wiſſenſchaft gefällt
ihm nicht mehr. Er ſoll arm ſein, das würde mir ſehr
leid thun. An ihm ſelbſt bemerkt man aber nicht das
Mindeſte der Art. Ich glaub's auch nicht, denn er iſt
in allen den freien Künſten, welche die höhern Stände
auszeichnen, ſehr wohl erfahren: er reitet, ficht, tanzt
gut, iſt muſikaliſch, ſpricht die fremden neuen Sprachen
und das Geld erſcheint in ſeinen Reden nie. Er iſt
mir überhaupt zu vornehm für einen Armen. Mit dem
Grafen ſpricht er am ſicherſten, wenn auch nicht ſoviel
wie Herr William. Aeußerſt ſelten iſt er gleicher Mei¬
nung mit jenem, aber er ſtreitet, obwohl ſtreng, doch
nie zänkiſch, leidenſchaftlich ungezogen wie ſo viele. Aber
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und doch wollt' ich Ihnen über uns alle referiren.

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[78/0088] ßerſt Wohlwollendes, wenn er in ſeiner ſanften Stim¬ mung iſt, etwas tief Verächtliches, wenn er zürnt. Sein Anzug iſt immer ganz ſchwarz und modern; er trägt meiſt einen ſchwarzen leichten Rock, der ihn ſehr gut kleidet; im Frack gefällt er mir nicht, man ſieht ihn auch ſelten darin. Seine Wäſche iſt immer blendend weiß, und das find' ich allerliebſt am Manne. Ich glaube, er hat Theologie ſtudirt, aber die Wiſſenſchaft gefällt ihm nicht mehr. Er ſoll arm ſein, das würde mir ſehr leid thun. An ihm ſelbſt bemerkt man aber nicht das Mindeſte der Art. Ich glaub's auch nicht, denn er iſt in allen den freien Künſten, welche die höhern Stände auszeichnen, ſehr wohl erfahren: er reitet, ficht, tanzt gut, iſt muſikaliſch, ſpricht die fremden neuen Sprachen und das Geld erſcheint in ſeinen Reden nie. Er iſt mir überhaupt zu vornehm für einen Armen. Mit dem Grafen ſpricht er am ſicherſten, wenn auch nicht ſoviel wie Herr William. Aeußerſt ſelten iſt er gleicher Mei¬ nung mit jenem, aber er ſtreitet, obwohl ſtreng, doch nie zänkiſch, leidenſchaftlich ungezogen wie ſo viele. Aber mein Gott, ich ſchreibe Ihnen ja nur über den Mann, und doch wollt' ich Ihnen über uns alle referiren. Doch jetzt habe ich das Federfechten ſatt, wir wol¬

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/88>, abgerufen am 25.04.2024.