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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833.

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so daß man sie nur zuweilen ahnt, aber nie unange¬
nehm empfindet. In Valer's Accent tritt sie schon mehr
hervor. Dazu kommt, daß Leopoldus, der Provencale,
wie er meist genannt wird, fortwährend in poetischer
Schwebelei zappelt und von Blumen und Düften redet;
Valer aber nur selten eine lodernde Fackel aus seinem
Gemüthe holt. Sie sehen, es stekt an, ich schreibe auch
sogleich emphatisch. Uebrigens ist der Kleine nicht so
unangenehm in dieser steten Verzückung als man glau¬
ben sollte: er besitzt viel Geist und ist keineswegs ein
gewöhnlicher Wortklimprer. Was mir an William so
sehr mißfällt, ist, daß er ihn unglaublich wegwerfend
behandelt, ungefähr wie ein Rechtgläubiger einen Ketzer.
Leopold mag freilich im Gegensatze zu ihm eine sehr ge¬
duldige, nachgiebige Moral haben -- aber es bleibt doch
immer garstig und ist so sehr hübsch und gut von Valer,
daß er ihn wie einen flatternden lieben Knaben hält,
dem er lächelnd zusieht, den er oft streichelt, zuweilen
aber auch mit ein paar ernsten Worten zurechtweist.
Diese Art von Liebe fühlt auch Leopold sehr, er unter¬
wirft sich ihm leicht und sogleich und liebkos't ihn oft,
wie ein Mädchen ihrem Liebsten thun mag. Da ich
zufällig wie ein Pfäfflein schon zweimal von moralischer

ſo daß man ſie nur zuweilen ahnt, aber nie unange¬
nehm empfindet. In Valer's Accent tritt ſie ſchon mehr
hervor. Dazu kommt, daß Leopoldus, der Provençale,
wie er meiſt genannt wird, fortwährend in poetiſcher
Schwebelei zappelt und von Blumen und Düften redet;
Valer aber nur ſelten eine lodernde Fackel aus ſeinem
Gemüthe holt. Sie ſehen, es ſtekt an, ich ſchreibe auch
ſogleich emphatiſch. Uebrigens iſt der Kleine nicht ſo
unangenehm in dieſer ſteten Verzückung als man glau¬
ben ſollte: er beſitzt viel Geiſt und iſt keineswegs ein
gewöhnlicher Wortklimprer. Was mir an William ſo
ſehr mißfällt, iſt, daß er ihn unglaublich wegwerfend
behandelt, ungefähr wie ein Rechtgläubiger einen Ketzer.
Leopold mag freilich im Gegenſatze zu ihm eine ſehr ge¬
duldige, nachgiebige Moral haben — aber es bleibt doch
immer garſtig und iſt ſo ſehr hübſch und gut von Valer,
daß er ihn wie einen flatternden lieben Knaben hält,
dem er lächelnd zuſieht, den er oft ſtreichelt, zuweilen
aber auch mit ein paar ernſten Worten zurechtweiſt.
Dieſe Art von Liebe fühlt auch Leopold ſehr, er unter¬
wirft ſich ihm leicht und ſogleich und liebkoſ't ihn oft,
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[83/0093] ſo daß man ſie nur zuweilen ahnt, aber nie unange¬ nehm empfindet. In Valer's Accent tritt ſie ſchon mehr hervor. Dazu kommt, daß Leopoldus, der Provençale, wie er meiſt genannt wird, fortwährend in poetiſcher Schwebelei zappelt und von Blumen und Düften redet; Valer aber nur ſelten eine lodernde Fackel aus ſeinem Gemüthe holt. Sie ſehen, es ſtekt an, ich ſchreibe auch ſogleich emphatiſch. Uebrigens iſt der Kleine nicht ſo unangenehm in dieſer ſteten Verzückung als man glau¬ ben ſollte: er beſitzt viel Geiſt und iſt keineswegs ein gewöhnlicher Wortklimprer. Was mir an William ſo ſehr mißfällt, iſt, daß er ihn unglaublich wegwerfend behandelt, ungefähr wie ein Rechtgläubiger einen Ketzer. Leopold mag freilich im Gegenſatze zu ihm eine ſehr ge¬ duldige, nachgiebige Moral haben — aber es bleibt doch immer garſtig und iſt ſo ſehr hübſch und gut von Valer, daß er ihn wie einen flatternden lieben Knaben hält, dem er lächelnd zuſieht, den er oft ſtreichelt, zuweilen aber auch mit ein paar ernſten Worten zurechtweiſt. Dieſe Art von Liebe fühlt auch Leopold ſehr, er unter¬ wirft ſich ihm leicht und ſogleich und liebkoſ't ihn oft, wie ein Mädchen ihrem Liebſten thun mag. Da ich zufällig wie ein Pfäfflein ſchon zweimal von moraliſcher

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/93>, abgerufen am 18.04.2024.