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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833.

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stürmisch drängten, den sie umarmten und jubelnd be¬
grüßten. Also wahrscheinlich ein neuer Zuwachs zu
unsern Poeten. Sollten Sie sich des Grafen Fips nicht
erinnern? Es ist die sogenannte "elegante Figur,"
die immer auf den Bällen zu sehen ist. Ziemlich groß,
schmal und schmächtig gewachsen, mit einem jener trau¬
rig regelmäßigen Gesichter, die man sich nicht behalten
kann. Diesen erkenn' ich nur immer an der unanständig
gesunden Röthe wieder, die sich bis an die Ohren zieht,
unweit der Nase erschreckt aufhört und sich in mädchen¬
hafter Weiße verliert. Außerdem hat er die unange¬
nehme Manier, blonde Augenwimpern zu tragen, und
dadurch wie ein malitiöses Gewissen auszusehen, was
fortwährend zu Lästerungen stachelt. Auch hoffe ich sehr,
die zierlichen dunkelblonden Haare sind ganz das Werk
seines Friseurs, darum denke ich mir ihn immer kahl¬
köpfig und er erscheint mir nie anders als wie ein
Mischling von Türke und englischem Lord, ein europäischer
Kreole, der innerlich halb bestialisch und nur äußerlich
modernisirt ist. Mein Gott, was ist das für Zeug!
Er gilt allgemein für einen schönen Mann und im vo¬
rigen Winter haben mich mehrere Damen sogar ver¬
sichert, er sei witzig, wenigstens scharf. Ein Kunststück

ſtürmiſch drängten, den ſie umarmten und jubelnd be¬
grüßten. Alſo wahrſcheinlich ein neuer Zuwachs zu
unſern Poeten. Sollten Sie ſich des Grafen Fips nicht
erinnern? Es iſt die ſogenannte „elegante Figur,“
die immer auf den Bällen zu ſehen iſt. Ziemlich groß,
ſchmal und ſchmächtig gewachſen, mit einem jener trau¬
rig regelmäßigen Geſichter, die man ſich nicht behalten
kann. Dieſen erkenn' ich nur immer an der unanſtändig
geſunden Röthe wieder, die ſich bis an die Ohren zieht,
unweit der Naſe erſchreckt aufhört und ſich in mädchen¬
hafter Weiße verliert. Außerdem hat er die unange¬
nehme Manier, blonde Augenwimpern zu tragen, und
dadurch wie ein malitiöſes Gewiſſen auszuſehen, was
fortwährend zu Läſterungen ſtachelt. Auch hoffe ich ſehr,
die zierlichen dunkelblonden Haare ſind ganz das Werk
ſeines Friſeurs, darum denke ich mir ihn immer kahl¬
köpfig und er erſcheint mir nie anders als wie ein
Miſchling von Türke und engliſchem Lord, ein europäiſcher
Kreole, der innerlich halb beſtialiſch und nur äußerlich
moderniſirt iſt. Mein Gott, was iſt das für Zeug!
Er gilt allgemein für einen ſchönen Mann und im vo¬
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[85/0095] ſtürmiſch drängten, den ſie umarmten und jubelnd be¬ grüßten. Alſo wahrſcheinlich ein neuer Zuwachs zu unſern Poeten. Sollten Sie ſich des Grafen Fips nicht erinnern? Es iſt die ſogenannte „elegante Figur,“ die immer auf den Bällen zu ſehen iſt. Ziemlich groß, ſchmal und ſchmächtig gewachſen, mit einem jener trau¬ rig regelmäßigen Geſichter, die man ſich nicht behalten kann. Dieſen erkenn' ich nur immer an der unanſtändig geſunden Röthe wieder, die ſich bis an die Ohren zieht, unweit der Naſe erſchreckt aufhört und ſich in mädchen¬ hafter Weiße verliert. Außerdem hat er die unange¬ nehme Manier, blonde Augenwimpern zu tragen, und dadurch wie ein malitiöſes Gewiſſen auszuſehen, was fortwährend zu Läſterungen ſtachelt. Auch hoffe ich ſehr, die zierlichen dunkelblonden Haare ſind ganz das Werk ſeines Friſeurs, darum denke ich mir ihn immer kahl¬ köpfig und er erſcheint mir nie anders als wie ein Miſchling von Türke und engliſchem Lord, ein europäiſcher Kreole, der innerlich halb beſtialiſch und nur äußerlich moderniſirt iſt. Mein Gott, was iſt das für Zeug! Er gilt allgemein für einen ſchönen Mann und im vo¬ rigen Winter haben mich mehrere Damen ſogar ver¬ ſichert, er ſei witzig, wenigſtens ſcharf. Ein Kunſtſtück

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/95>, abgerufen am 19.04.2024.