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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

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"Graf Topf" -- sagt der Briefsteller, -- "ist von
Jugend auf ein Mann der Mode gewesen, aber im¬
mer der neuesten, so daß er seinen Umgebungen im¬
mer voraus war, und darum stets wunderlich erschien.
Als die Mode aufkam, nach Italien zu reisen, ging
er auf mehrere Jahre hin, und errichtete in Florenz ein
glänzendes Haus für alle Künstler, die bei ihm wohn¬
ten und lebten; er war bald eine Behörde der dortigen
Kunst. -- Als die Franzosen vertrieben waren, und
Alles gegen sie schimpfte, war er der erste Napoleons¬
poet, und vertheidigte ihn gegen alle Welt. Zur Zeit
der europäischen Congresse begann die Aristokratie ein
neues übermüthiges Leben, ihr Muster war Graf Topf,
der schon ein halbes Jahr vorher in der Residenz den
grand seigneur spielte, von dem man damals glaubte,
er ruinire sich aus eitel Hochmuth. Damals lebten
ab und zu in seinem Hause die bedeutendsten Schrift¬
steller der Reaction. Hr. von Haller war viel will¬
kommen, Kotzebue sehr wohl aufgenommen, Hr. von
Stourdza hatte sein Absteigequartier beim Grafen Topf
und Frau von Krüdener trank alle Tage Thee bei
ihm, und segnete die Theegesellschaft. Nur die Turn¬
zeit, das altteutsch gebundene Gesangbuch der Reaction,

„Graf Topf“ — ſagt der Briefſteller, — „iſt von
Jugend auf ein Mann der Mode geweſen, aber im¬
mer der neueſten, ſo daß er ſeinen Umgebungen im¬
mer voraus war, und darum ſtets wunderlich erſchien.
Als die Mode aufkam, nach Italien zu reiſen, ging
er auf mehrere Jahre hin, und errichtete in Florenz ein
glänzendes Haus für alle Künſtler, die bei ihm wohn¬
ten und lebten; er war bald eine Behörde der dortigen
Kunſt. — Als die Franzoſen vertrieben waren, und
Alles gegen ſie ſchimpfte, war er der erſte Napoleons¬
poet, und vertheidigte ihn gegen alle Welt. Zur Zeit
der europäiſchen Congreſſe begann die Ariſtokratie ein
neues übermüthiges Leben, ihr Muſter war Graf Topf,
der ſchon ein halbes Jahr vorher in der Reſidenz den
grand seigneur ſpielte, von dem man damals glaubte,
er ruinire ſich aus eitel Hochmuth. Damals lebten
ab und zu in ſeinem Hauſe die bedeutendſten Schrift¬
ſteller der Reaction. Hr. von Haller war viel will¬
kommen, Kotzebue ſehr wohl aufgenommen, Hr. von
Stourdza hatte ſein Abſteigequartier beim Grafen Topf
und Frau von Krüdener trank alle Tage Thee bei
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[6/0018] „Graf Topf“ — ſagt der Briefſteller, — „iſt von Jugend auf ein Mann der Mode geweſen, aber im¬ mer der neueſten, ſo daß er ſeinen Umgebungen im¬ mer voraus war, und darum ſtets wunderlich erſchien. Als die Mode aufkam, nach Italien zu reiſen, ging er auf mehrere Jahre hin, und errichtete in Florenz ein glänzendes Haus für alle Künſtler, die bei ihm wohn¬ ten und lebten; er war bald eine Behörde der dortigen Kunſt. — Als die Franzoſen vertrieben waren, und Alles gegen ſie ſchimpfte, war er der erſte Napoleons¬ poet, und vertheidigte ihn gegen alle Welt. Zur Zeit der europäiſchen Congreſſe begann die Ariſtokratie ein neues übermüthiges Leben, ihr Muſter war Graf Topf, der ſchon ein halbes Jahr vorher in der Reſidenz den grand seigneur ſpielte, von dem man damals glaubte, er ruinire ſich aus eitel Hochmuth. Damals lebten ab und zu in ſeinem Hauſe die bedeutendſten Schrift¬ ſteller der Reaction. Hr. von Haller war viel will¬ kommen, Kotzebue ſehr wohl aufgenommen, Hr. von Stourdza hatte ſein Abſteigequartier beim Grafen Topf und Frau von Krüdener trank alle Tage Thee bei ihm, und ſegnete die Theegeſellſchaft. Nur die Turn¬ zeit, das altteutſch gebundene Geſangbuch der Reaction,

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/18>, abgerufen am 24.04.2024.