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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796.

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dem Zeugniß aller verständigen Kriegsmänner, ganz
ohne alle Hoffnung eines Sieges oder reellen Vor-
theils, unternommen war. Diesen Verlust wird
der vorhin zurechtgewiesene Recensent unmöglich
läugnen können; und nun mögte ich wissen, wie
er ihn mit der von ihm angegebnen Absicht der Ka-
nonade reimen wolle. Schon die Kanonade selbst
widerspricht ihr: denn welcher Kluge schießt auf
Leute, auf deren Herüberkunft er wartet? --

Die Verwundeten wurden auf ein Vorwerk ge-
bracht, wo sie wegen der elenden Pflege schon mei-
stens in der ersten Nacht unter den heftigsten Qua-
len hinsturben. Gar wenige von allen bey La Lune
verwundeten Soldaten sind mit dem Leben, und
kein einziger ist mit geraden Gliedern davon gekom-
men. Das ist freilich schrecklich, aber daran war
auch meistens unsre medizinische Anstalt Schuld,
welche bey keiner Armee elender seyn kann, als sie
damals bey unsrer war. Das machte aber, weil
man steif und fest geglaubt hatte, die Franzosen
würden uns keinen Finger entzwey schießen. Man
hatte sich aber verrechnet, und das garstig! --
Ich werde in einem eignen Kapitel von den Gräu-
eln der medizinischen Pflege unsrer braven Krieger
in diesem Feldzuge reden, unpartheiisch zwar, aber
doch so, wie ich diese Gräuel selbst gesehen habe.

Es war entsetzlich kalt den Abend nach der Ka-

dem Zeugniß aller verſtaͤndigen Kriegsmaͤnner, ganz
ohne alle Hoffnung eines Sieges oder reellen Vor-
theils, unternommen war. Dieſen Verluſt wird
der vorhin zurechtgewieſene Recenſent unmoͤglich
laͤugnen koͤnnen; und nun moͤgte ich wiſſen, wie
er ihn mit der von ihm angegebnen Abſicht der Ka-
nonade reimen wolle. Schon die Kanonade ſelbſt
widerſpricht ihr: denn welcher Kluge ſchießt auf
Leute, auf deren Heruͤberkunft er wartet? —

Die Verwundeten wurden auf ein Vorwerk ge-
bracht, wo ſie wegen der elenden Pflege ſchon mei-
ſtens in der erſten Nacht unter den heftigſten Qua-
len hinſturben. Gar wenige von allen bey La Lune
verwundeten Soldaten ſind mit dem Leben, und
kein einziger iſt mit geraden Gliedern davon gekom-
men. Das iſt freilich ſchrecklich, aber daran war
auch meiſtens unſre mediziniſche Anſtalt Schuld,
welche bey keiner Armee elender ſeyn kann, als ſie
damals bey unſrer war. Das machte aber, weil
man ſteif und feſt geglaubt hatte, die Franzoſen
wuͤrden uns keinen Finger entzwey ſchießen. Man
hatte ſich aber verrechnet, und das garſtig! —
Ich werde in einem eignen Kapitel von den Graͤu-
eln der mediziniſchen Pflege unſrer braven Krieger
in dieſem Feldzuge reden, unpartheiiſch zwar, aber
doch ſo, wie ich dieſe Graͤuel ſelbſt geſehen habe.

Es war entſetzlich kalt den Abend nach der Ka-

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[170/0182] dem Zeugniß aller verſtaͤndigen Kriegsmaͤnner, ganz ohne alle Hoffnung eines Sieges oder reellen Vor- theils, unternommen war. Dieſen Verluſt wird der vorhin zurechtgewieſene Recenſent unmoͤglich laͤugnen koͤnnen; und nun moͤgte ich wiſſen, wie er ihn mit der von ihm angegebnen Abſicht der Ka- nonade reimen wolle. Schon die Kanonade ſelbſt widerſpricht ihr: denn welcher Kluge ſchießt auf Leute, auf deren Heruͤberkunft er wartet? — Die Verwundeten wurden auf ein Vorwerk ge- bracht, wo ſie wegen der elenden Pflege ſchon mei- ſtens in der erſten Nacht unter den heftigſten Qua- len hinſturben. Gar wenige von allen bey La Lune verwundeten Soldaten ſind mit dem Leben, und kein einziger iſt mit geraden Gliedern davon gekom- men. Das iſt freilich ſchrecklich, aber daran war auch meiſtens unſre mediziniſche Anſtalt Schuld, welche bey keiner Armee elender ſeyn kann, als ſie damals bey unſrer war. Das machte aber, weil man ſteif und feſt geglaubt hatte, die Franzoſen wuͤrden uns keinen Finger entzwey ſchießen. Man hatte ſich aber verrechnet, und das garſtig! — Ich werde in einem eignen Kapitel von den Graͤu- eln der mediziniſchen Pflege unſrer braven Krieger in dieſem Feldzuge reden, unpartheiiſch zwar, aber doch ſo, wie ich dieſe Graͤuel ſelbſt geſehen habe. Es war entſetzlich kalt den Abend nach der Ka-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/182>, abgerufen am 16.04.2024.