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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796.

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sahen, daß unsre Lage so gut eben nicht, und die
der Franzosen bey weitem nicht so schlimm war, als
man sie in den Zeitungen ausschrie. Sie ermahn-
ten mich daher, nur behutsamer im Reden zu seyn,
und jedesmal zu untersuchen, mit wem ich zu schaf-
fen hätte. Dieser Rath war klug, und ich habe
ihn auch meistens befolgt; aber dann und wann riß
mich das Feuer der Dispüte, und meine Ueberzeu-
gung dennoch so hin, daß ich sogar in Wirthshäu-
sern öffentlich die Parthey der Franzosen nahm:
doch habe ich meiner Freymüthigkeit wegen bey den
Preußen eben keine unangenehme Folgen empfun-
den. Die preußischen Offiziere, ich wiederhole es,
haben überhaupt mehr Einsicht und Freymüthigkeit,
als die der anderen Truppen. Ich kenne deren
viele, und besonders habe ich den jungen Grafen
von Herzberg auf diesem Feldzuge kennen lernen,
welcher damals (1792) noch Generaladjutant bey
dem Regiment von Schönfeld war. Es giebt
wohl wenig junge Männer, welche mit so vieler
Einsicht und wirklich gelehrten Kenntnissen, einen
so liebenswürdigen Karakter verbinden, als dieser.
Er ist ein großer Kenner der Geschichte in ihrem
ganzen Umfange, aus welcher er sehr treffende
praktische Schlüsse auf die neuen Begebenheiten
zu ziehen weiß. Mit innigstem Vergnügen hörte
ich ihn die ehemaligen republikanischen Vorfälle in

ſahen, daß unſre Lage ſo gut eben nicht, und die
der Franzoſen bey weitem nicht ſo ſchlimm war, als
man ſie in den Zeitungen ausſchrie. Sie ermahn-
ten mich daher, nur behutſamer im Reden zu ſeyn,
und jedesmal zu unterſuchen, mit wem ich zu ſchaf-
fen haͤtte. Dieſer Rath war klug, und ich habe
ihn auch meiſtens befolgt; aber dann und wann riß
mich das Feuer der Diſpuͤte, und meine Ueberzeu-
gung dennoch ſo hin, daß ich ſogar in Wirthshaͤu-
ſern oͤffentlich die Parthey der Franzoſen nahm:
doch habe ich meiner Freymuͤthigkeit wegen bey den
Preußen eben keine unangenehme Folgen empfun-
den. Die preußiſchen Offiziere, ich wiederhole es,
haben uͤberhaupt mehr Einſicht und Freymuͤthigkeit,
als die der anderen Truppen. Ich kenne deren
viele, und beſonders habe ich den jungen Grafen
von Herzberg auf dieſem Feldzuge kennen lernen,
welcher damals (1792) noch Generaladjutant bey
dem Regiment von Schoͤnfeld war. Es giebt
wohl wenig junge Maͤnner, welche mit ſo vieler
Einſicht und wirklich gelehrten Kenntniſſen, einen
ſo liebenswuͤrdigen Karakter verbinden, als dieſer.
Er iſt ein großer Kenner der Geſchichte in ihrem
ganzen Umfange, aus welcher er ſehr treffende
praktiſche Schluͤſſe auf die neuen Begebenheiten
zu ziehen weiß. Mit innigſtem Vergnuͤgen hoͤrte
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[296/0308] ſahen, daß unſre Lage ſo gut eben nicht, und die der Franzoſen bey weitem nicht ſo ſchlimm war, als man ſie in den Zeitungen ausſchrie. Sie ermahn- ten mich daher, nur behutſamer im Reden zu ſeyn, und jedesmal zu unterſuchen, mit wem ich zu ſchaf- fen haͤtte. Dieſer Rath war klug, und ich habe ihn auch meiſtens befolgt; aber dann und wann riß mich das Feuer der Diſpuͤte, und meine Ueberzeu- gung dennoch ſo hin, daß ich ſogar in Wirthshaͤu- ſern oͤffentlich die Parthey der Franzoſen nahm: doch habe ich meiner Freymuͤthigkeit wegen bey den Preußen eben keine unangenehme Folgen empfun- den. Die preußiſchen Offiziere, ich wiederhole es, haben uͤberhaupt mehr Einſicht und Freymuͤthigkeit, als die der anderen Truppen. Ich kenne deren viele, und beſonders habe ich den jungen Grafen von Herzberg auf dieſem Feldzuge kennen lernen, welcher damals (1792) noch Generaladjutant bey dem Regiment von Schoͤnfeld war. Es giebt wohl wenig junge Maͤnner, welche mit ſo vieler Einſicht und wirklich gelehrten Kenntniſſen, einen ſo liebenswuͤrdigen Karakter verbinden, als dieſer. Er iſt ein großer Kenner der Geſchichte in ihrem ganzen Umfange, aus welcher er ſehr treffende praktiſche Schluͤſſe auf die neuen Begebenheiten zu ziehen weiß. Mit innigſtem Vergnuͤgen hoͤrte ich ihn die ehemaligen republikaniſchen Vorfaͤlle in

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/308>, abgerufen am 28.03.2024.