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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796.

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Quartier und wollte aus einem Laden an der Mosel-
brücke Tobak holen. Eine Frau von wenigstens
40 Jahren lag am Fenster und rief mir zu: Wo-
hin Mosjeh?

Ich: Tobak holen, Madam!

Sie: Ei, und das so eilig?

Ich: Allerdings, ich habe kein Korn mehr.

Sie: Kommen Sie doch ein wenig herein!

Ich thats, um zu sehen, was Madame wollte:
und da gieng unser Gespräch folgender Gestalt fort.

Sie: Haben Sie denn keinen Schatz zu Koblenz?

Ich: Bewahre mich der Himmel vor den Koblen-
zer Schätzen: die Menscher sind ja alle venerisch!

Sie: Das ist auch wahr: aber es giebt doch noch
welche, die nicht so sind: das können Sie mir
glauben.

Ich: Ja wohl: aber wer noch nicht ganz und gar
des Teufels ist, hängt sich nicht an einen Soldaten.

Sie: Warum denn nicht? -- Ich selbst bin keine
Feindinn von den Herren Preußen.

Ich stuzte, schaute der Dame ins Gesicht, und
bemerkte, daß sie beynahe keine Zähne mehr hatte;
folglich physisch eben so häßlich war, als moralisch:
ich griff also nach der Thüre, und wollte fort, er-
hielt aber nicht eher die Erlaubniß dazu, bis ich ihr
versprochen hatte, noch denselben Tag zu ihr zurück
zu kommen. Ich hielt indeß mein Wort nicht,

Quartier und wollte aus einem Laden an der Moſel-
bruͤcke Tobak holen. Eine Frau von wenigſtens
40 Jahren lag am Fenſter und rief mir zu: Wo-
hin Mosjeh?

Ich: Tobak holen, Madam!

Sie: Ei, und das ſo eilig?

Ich: Allerdings, ich habe kein Korn mehr.

Sie: Kommen Sie doch ein wenig herein!

Ich thats, um zu ſehen, was Madame wollte:
und da gieng unſer Geſpraͤch folgender Geſtalt fort.

Sie: Haben Sie denn keinen Schatz zu Koblenz?

Ich: Bewahre mich der Himmel vor den Koblen-
zer Schaͤtzen: die Menſcher ſind ja alle veneriſch!

Sie: Das iſt auch wahr: aber es giebt doch noch
welche, die nicht ſo ſind: das koͤnnen Sie mir
glauben.

Ich: Ja wohl: aber wer noch nicht ganz und gar
des Teufels iſt, haͤngt ſich nicht an einen Soldaten.

Sie: Warum denn nicht? — Ich ſelbſt bin keine
Feindinn von den Herren Preußen.

Ich ſtuzte, ſchaute der Dame ins Geſicht, und
bemerkte, daß ſie beynahe keine Zaͤhne mehr hatte;
folglich phyſiſch eben ſo haͤßlich war, als moraliſch:
ich griff alſo nach der Thuͤre, und wollte fort, er-
hielt aber nicht eher die Erlaubniß dazu, bis ich ihr
verſprochen hatte, noch denſelben Tag zu ihr zuruͤck
zu kommen. Ich hielt indeß mein Wort nicht,

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[67/0079] Quartier und wollte aus einem Laden an der Moſel- bruͤcke Tobak holen. Eine Frau von wenigſtens 40 Jahren lag am Fenſter und rief mir zu: Wo- hin Mosjeh? Ich: Tobak holen, Madam! Sie: Ei, und das ſo eilig? Ich: Allerdings, ich habe kein Korn mehr. Sie: Kommen Sie doch ein wenig herein! Ich thats, um zu ſehen, was Madame wollte: und da gieng unſer Geſpraͤch folgender Geſtalt fort. Sie: Haben Sie denn keinen Schatz zu Koblenz? Ich: Bewahre mich der Himmel vor den Koblen- zer Schaͤtzen: die Menſcher ſind ja alle veneriſch! Sie: Das iſt auch wahr: aber es giebt doch noch welche, die nicht ſo ſind: das koͤnnen Sie mir glauben. Ich: Ja wohl: aber wer noch nicht ganz und gar des Teufels iſt, haͤngt ſich nicht an einen Soldaten. Sie: Warum denn nicht? — Ich ſelbſt bin keine Feindinn von den Herren Preußen. Ich ſtuzte, ſchaute der Dame ins Geſicht, und bemerkte, daß ſie beynahe keine Zaͤhne mehr hatte; folglich phyſiſch eben ſo haͤßlich war, als moraliſch: ich griff alſo nach der Thuͤre, und wollte fort, er- hielt aber nicht eher die Erlaubniß dazu, bis ich ihr verſprochen hatte, noch denſelben Tag zu ihr zuruͤck zu kommen. Ich hielt indeß mein Wort nicht,

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/79>, abgerufen am 24.04.2024.