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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

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In Nordhausen hat jeder Bürger, welcher zu
einer Rathsfähigen Gilde gehört, auch das Recht,
eine Stelle im Rath zu hoffen, wenn er anders
sich nur stets so betragen hat, daß der hochweise
Rath keine Schande von ihm befürchten muß.
Aber gar viele Familien kommen nie zu der Ehre,
daß einer aus ihren Mitteln zum Regiment gelangt,
weil es ihnen an Bringern fehlt. Daher sind nur
einige Familien im Besitz der höchsten Gewalt und
deren Verwaltung, und diese Familien constituiren
also den Patricierstand oder den Adel zu Nordhau-
sen. Adel ist also doch auch da, ob sich gleich
niemand von schreibt. Die Römer schrieben sich
auch nicht von, und hatten doch einen sehr derben
Adel. Wahrscheinlich ändern die jetzigen Umstän-
de vieles in dieser Hinsicht.

Ob aber gleich die Rathsglieder durch die Brin-
gerey gewählt werden, so spielt man doch alle
Jahre eine Komödie, welche einer Wahl des gan-
zen Magistrats ähnlich sieht. Den Tag vor drey
Königen versammelt sich der vollständige Magi-
strat, das heißt alle drey Regimenter, auf dem Rath-
hause, in ihren schwarzen Galakleidern, und sehn
einander an. Gegen Abend gehn sie auseinander.
In der Nacht versammeln sie sich wieder, der Herr
Pastor Primarius hält eine Rede, worin er das
abgehende Regiment ermahnt, bey der Wahl des

In Nordhauſen hat jeder Buͤrger, welcher zu
einer Rathsfaͤhigen Gilde gehoͤrt, auch das Recht,
eine Stelle im Rath zu hoffen, wenn er anders
ſich nur ſtets ſo betragen hat, daß der hochweiſe
Rath keine Schande von ihm befuͤrchten muß.
Aber gar viele Familien kommen nie zu der Ehre,
daß einer aus ihren Mitteln zum Regiment gelangt,
weil es ihnen an Bringern fehlt. Daher ſind nur
einige Familien im Beſitz der hoͤchſten Gewalt und
deren Verwaltung, und dieſe Familien conſtituiren
alſo den Patricierſtand oder den Adel zu Nordhau-
ſen. Adel iſt alſo doch auch da, ob ſich gleich
niemand von ſchreibt. Die Roͤmer ſchrieben ſich
auch nicht von, und hatten doch einen ſehr derben
Adel. Wahrſcheinlich aͤndern die jetzigen Umſtaͤn-
de vieles in dieſer Hinſicht.

Ob aber gleich die Rathsglieder durch die Brin-
gerey gewaͤhlt werden, ſo ſpielt man doch alle
Jahre eine Komoͤdie, welche einer Wahl des gan-
zen Magiſtrats aͤhnlich ſieht. Den Tag vor drey
Koͤnigen verſammelt ſich der vollſtaͤndige Magi-
ſtrat, das heißt alle drey Regimenter, auf dem Rath-
hauſe, in ihren ſchwarzen Galakleidern, und ſehn
einander an. Gegen Abend gehn ſie auseinander.
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Paſtor Primarius haͤlt eine Rede, worin er das
abgehende Regiment ermahnt, bey der Wahl des

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[213/0221] In Nordhauſen hat jeder Buͤrger, welcher zu einer Rathsfaͤhigen Gilde gehoͤrt, auch das Recht, eine Stelle im Rath zu hoffen, wenn er anders ſich nur ſtets ſo betragen hat, daß der hochweiſe Rath keine Schande von ihm befuͤrchten muß. Aber gar viele Familien kommen nie zu der Ehre, daß einer aus ihren Mitteln zum Regiment gelangt, weil es ihnen an Bringern fehlt. Daher ſind nur einige Familien im Beſitz der hoͤchſten Gewalt und deren Verwaltung, und dieſe Familien conſtituiren alſo den Patricierſtand oder den Adel zu Nordhau- ſen. Adel iſt alſo doch auch da, ob ſich gleich niemand von ſchreibt. Die Roͤmer ſchrieben ſich auch nicht von, und hatten doch einen ſehr derben Adel. Wahrſcheinlich aͤndern die jetzigen Umſtaͤn- de vieles in dieſer Hinſicht. Ob aber gleich die Rathsglieder durch die Brin- gerey gewaͤhlt werden, ſo ſpielt man doch alle Jahre eine Komoͤdie, welche einer Wahl des gan- zen Magiſtrats aͤhnlich ſieht. Den Tag vor drey Koͤnigen verſammelt ſich der vollſtaͤndige Magi- ſtrat, das heißt alle drey Regimenter, auf dem Rath- hauſe, in ihren ſchwarzen Galakleidern, und ſehn einander an. Gegen Abend gehn ſie auseinander. In der Nacht verſammeln ſie ſich wieder, der Herr Paſtor Primarius haͤlt eine Rede, worin er das abgehende Regiment ermahnt, bey der Wahl des

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/221>, abgerufen am 23.04.2024.