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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

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desto ärger stinkt er. Neulich reichte seine Frau ein
derbes Ding gegen ihn ein, aber das Ding bewirkte
grade so viel als ein Mahnbrief an einen bösen
Schuldner. Man braucht ja Fidibus.

Da Herr Abel Amtsregistrator zu Gibichen-
stein ist, so fällt mir durch die Association der Ide-
en der Amtsknecht Hempel ein. Sein Vorfahr
Scharlach nannte sich selbst den Schwanz von der
Gerechtigkeit zu Gibichenstein, und dachte Wun-
der, wie witzig er sich ausgedrückt habe. Ich rei-
ste vor wenigen Jahren nach Schochwitz, und kehrte
in Lieskau ein, um einen Schnapps zu machen.
Als ich wegging, fragte ich die Wirthin, ob ich mei-
ne Pfeiffe durchs Dorf fortrauchen dürfte? O ja,
erwiederte die Wirthin, heute kommt Hempel nicht:
er geht zu Gottes Tische.

Ich. Also wenn Hempel nicht kommt, darf
man rauchen.

Wirthin. Freylich; was der nicht sieht, darf
jeder thun.

Ich. Aber kann mich denn keiner von den Her-
ren sehen, die im Amt sitzen?

Wirthin. Ey was die andern Herren! die
sind - Wenns nur Hempel nicht sieht.

Ein solches Ansehen hat Hempel, von welchem
man im eigentlichen Sinn der Worte sagen kann,
er habe die Gewalt zu züchtigen und loszulaßen.


deſto aͤrger ſtinkt er. Neulich reichte ſeine Frau ein
derbes Ding gegen ihn ein, aber das Ding bewirkte
grade ſo viel als ein Mahnbrief an einen boͤſen
Schuldner. Man braucht ja Fidibus.

Da Herr Abel Amtsregiſtrator zu Gibichen-
ſtein iſt, ſo faͤllt mir durch die Aſſociation der Ide-
en der Amtsknecht Hempel ein. Sein Vorfahr
Scharlach nannte ſich ſelbſt den Schwanz von der
Gerechtigkeit zu Gibichenſtein, und dachte Wun-
der, wie witzig er ſich ausgedruͤckt habe. Ich rei-
ſte vor wenigen Jahren nach Schochwitz, und kehrte
in Lieskau ein, um einen Schnapps zu machen.
Als ich wegging, fragte ich die Wirthin, ob ich mei-
ne Pfeiffe durchs Dorf fortrauchen duͤrfte? O ja,
erwiederte die Wirthin, heute kommt Hempel nicht:
er geht zu Gottes Tiſche.

Ich. Alſo wenn Hempel nicht kommt, darf
man rauchen.

Wirthin. Freylich; was der nicht ſieht, darf
jeder thun.

Ich. Aber kann mich denn keiner von den Her-
ren ſehen, die im Amt ſitzen?

Wirthin. Ey was die andern Herren! die
ſind – Wenns nur Hempel nicht ſieht.

Ein ſolches Anſehen hat Hempel, von welchem
man im eigentlichen Sinn der Worte ſagen kann,
er habe die Gewalt zu zuͤchtigen und loszulaßen.


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[283/0291] deſto aͤrger ſtinkt er. Neulich reichte ſeine Frau ein derbes Ding gegen ihn ein, aber das Ding bewirkte grade ſo viel als ein Mahnbrief an einen boͤſen Schuldner. Man braucht ja Fidibus. Da Herr Abel Amtsregiſtrator zu Gibichen- ſtein iſt, ſo faͤllt mir durch die Aſſociation der Ide- en der Amtsknecht Hempel ein. Sein Vorfahr Scharlach nannte ſich ſelbſt den Schwanz von der Gerechtigkeit zu Gibichenſtein, und dachte Wun- der, wie witzig er ſich ausgedruͤckt habe. Ich rei- ſte vor wenigen Jahren nach Schochwitz, und kehrte in Lieskau ein, um einen Schnapps zu machen. Als ich wegging, fragte ich die Wirthin, ob ich mei- ne Pfeiffe durchs Dorf fortrauchen duͤrfte? O ja, erwiederte die Wirthin, heute kommt Hempel nicht: er geht zu Gottes Tiſche. Ich. Alſo wenn Hempel nicht kommt, darf man rauchen. Wirthin. Freylich; was der nicht ſieht, darf jeder thun. Ich. Aber kann mich denn keiner von den Her- ren ſehen, die im Amt ſitzen? Wirthin. Ey was die andern Herren! die ſind – Wenns nur Hempel nicht ſieht. Ein ſolches Anſehen hat Hempel, von welchem man im eigentlichen Sinn der Worte ſagen kann, er habe die Gewalt zu zuͤchtigen und loszulaßen.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/291>, abgerufen am 25.04.2024.