Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite
Sechstes Kapitel.

Kriegsgeschichten im Jahr 1798.



Nachdem der bisherige Häscherhauptmann Bär,
der Erzantagonist aller Studenten, das Zeitliche
gesegnet hatte, succedirte ihm Mosjeh Müller,
und ersezte ihn in allen Stücken. Bär war, wie
jeder weiß, der ihn kannte, ein grober impertinen-
ter Kerl, Müller war um kein Haar artiger: Bär
prellte, wo er konnte, und Müller versäumte keine
Gelegenheit, etwas zu acquiriren, ohne sich grade
zu bekümmern, ob der modus acquirendi ein
legitimer oder illegitimer war. Endlich hatten
beyde, Bär und Müller eine hohe Idee von ihrem
Amt, und besonders Letzterer bildete sich auf seine
erhabene Häscherdignität mehr ein, als der Stadt-
gerichtspräsident auf die Seinige.

Unsre Hallenser lieben überhaupt die Häscher
nicht, und wo Bürger hinkommen, da darf sich
keiner von der nobeln Häschergesellschaft blicken las-
sen; daher haben auch diese Mosjehs ihre eignen
Kneipen, ja sogar ihre eignen Bordelle, wo sie
hingehen, und sich lustig machen: denn auch sie
haben Kehlen, und Fleisch und Blut. Müller aber,

Sechſtes Kapitel.

Kriegsgeſchichten im Jahr 1798.



Nachdem der bisherige Haͤſcherhauptmann Baͤr,
der Erzantagoniſt aller Studenten, das Zeitliche
geſegnet hatte, ſuccedirte ihm Mosjeh Muͤller,
und erſezte ihn in allen Stuͤcken. Baͤr war, wie
jeder weiß, der ihn kannte, ein grober impertinen-
ter Kerl, Muͤller war um kein Haar artiger: Baͤr
prellte, wo er konnte, und Muͤller verſaͤumte keine
Gelegenheit, etwas zu acquiriren, ohne ſich grade
zu bekuͤmmern, ob der modus acquirendi ein
legitimer oder illegitimer war. Endlich hatten
beyde, Baͤr und Muͤller eine hohe Idee von ihrem
Amt, und beſonders Letzterer bildete ſich auf ſeine
erhabene Haͤſcherdignitaͤt mehr ein, als der Stadt-
gerichtspraͤſident auf die Seinige.

Unſre Hallenſer lieben uͤberhaupt die Haͤſcher
nicht, und wo Buͤrger hinkommen, da darf ſich
keiner von der nobeln Haͤſchergeſellſchaft blicken laſ-
ſen; daher haben auch dieſe Mosjehs ihre eignen
Kneipen, ja ſogar ihre eignen Bordelle, wo ſie
hingehen, und ſich luſtig machen: denn auch ſie
haben Kehlen, und Fleiſch und Blut. Muͤller aber,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0071" n="63"/>
      <div n="1">
        <head>Sech&#x017F;tes Kapitel.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Kriegsge&#x017F;chichten im Jahr 1798</hi>.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p><hi rendition="#in">N</hi>achdem der bisherige Ha&#x0364;&#x017F;cherhauptmann Ba&#x0364;r,<lb/>
der Erzantagoni&#x017F;t aller Studenten, das Zeitliche<lb/>
ge&#x017F;egnet hatte, &#x017F;uccedirte ihm Mosjeh Mu&#x0364;ller,<lb/>
und er&#x017F;ezte ihn in allen Stu&#x0364;cken. Ba&#x0364;r war, wie<lb/>
jeder weiß, der ihn kannte, ein grober impertinen-<lb/>
ter Kerl, Mu&#x0364;ller war um kein Haar artiger: Ba&#x0364;r<lb/>
prellte, wo er konnte, und Mu&#x0364;ller ver&#x017F;a&#x0364;umte keine<lb/>
Gelegenheit, etwas zu acquiriren, ohne &#x017F;ich grade<lb/>
zu beku&#x0364;mmern, ob der <hi rendition="#aq">modus acquirendi</hi> ein<lb/>
legitimer oder illegitimer war. Endlich hatten<lb/>
beyde, Ba&#x0364;r und Mu&#x0364;ller eine hohe Idee von ihrem<lb/>
Amt, und be&#x017F;onders Letzterer bildete &#x017F;ich auf &#x017F;eine<lb/>
erhabene Ha&#x0364;&#x017F;cherdignita&#x0364;t mehr ein, als der Stadt-<lb/>
gerichtspra&#x0364;&#x017F;ident auf die Seinige.</p><lb/>
        <p>Un&#x017F;re Hallen&#x017F;er lieben u&#x0364;berhaupt die Ha&#x0364;&#x017F;cher<lb/>
nicht, und wo Bu&#x0364;rger hinkommen, da darf &#x017F;ich<lb/>
keiner von der nobeln Ha&#x0364;&#x017F;cherge&#x017F;ell&#x017F;chaft blicken la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en; daher haben auch die&#x017F;e Mosjehs ihre eignen<lb/>
Kneipen, ja &#x017F;ogar ihre eignen Bordelle, wo &#x017F;ie<lb/>
hingehen, und &#x017F;ich lu&#x017F;tig machen: denn auch &#x017F;ie<lb/>
haben Kehlen, und Flei&#x017F;ch und Blut. Mu&#x0364;ller aber,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0071] Sechſtes Kapitel. Kriegsgeſchichten im Jahr 1798. Nachdem der bisherige Haͤſcherhauptmann Baͤr, der Erzantagoniſt aller Studenten, das Zeitliche geſegnet hatte, ſuccedirte ihm Mosjeh Muͤller, und erſezte ihn in allen Stuͤcken. Baͤr war, wie jeder weiß, der ihn kannte, ein grober impertinen- ter Kerl, Muͤller war um kein Haar artiger: Baͤr prellte, wo er konnte, und Muͤller verſaͤumte keine Gelegenheit, etwas zu acquiriren, ohne ſich grade zu bekuͤmmern, ob der modus acquirendi ein legitimer oder illegitimer war. Endlich hatten beyde, Baͤr und Muͤller eine hohe Idee von ihrem Amt, und beſonders Letzterer bildete ſich auf ſeine erhabene Haͤſcherdignitaͤt mehr ein, als der Stadt- gerichtspraͤſident auf die Seinige. Unſre Hallenſer lieben uͤberhaupt die Haͤſcher nicht, und wo Buͤrger hinkommen, da darf ſich keiner von der nobeln Haͤſchergeſellſchaft blicken laſ- ſen; daher haben auch dieſe Mosjehs ihre eignen Kneipen, ja ſogar ihre eignen Bordelle, wo ſie hingehen, und ſich luſtig machen: denn auch ſie haben Kehlen, und Fleiſch und Blut. Muͤller aber,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/71
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/71>, abgerufen am 29.03.2024.